Der Tag der AuslandjournalistInnen

Freitag vor Volksabstimmungen: Tag der AuslandjournalistInnen, welche die direkte Demokratie in der Schweiz entdecken. Eine Analyse meiner gemischten Gefühlslage.

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Noch vor Kurzem war der Freitag vor einer Volksabstimmung für mich ein Reservetag. Wenn es schlecht ging, hatte ich noch Zeit, nötige Vorbereitungen zu treffen; wenn’s dagegen gut ging, hatte ich frei.

Das ist neuerdings anders. Denn spätestens an so einem Freitag besuchen mich die AuslandkorrespondentInnen. Diesmal ist das Interessen an der eidgenössischen Volksabstimmung zur Initiative für Schutz gegen Waffengewalt in den USA recht gross; denn wie die Amis auch, haben die SchweizerInnen ein spezielles Verhältnis zu Waffen in Privathaushalten. Seit der Abstimmung über das Minarett-Verbot habe ist auch das ZDF regelmässig zu Gast in meinem Büro. Es reizt die konservative Schweiz, die sich konfessionell abgrenzt, national verschliesst und trotzig hinter der Waffe steht. Der Amoklauf von Winnenden, wo heute der Urteilsspruch gefällt wurde, sorgt bei unserem nördlichen Nachbarn für das spezifische Interesse.

Ein wenig Missbehagen habe ich schon. Denn bedient wird so ein Klischee. Nicht dass ich sagen würde, in der Schweiz gäbe es keinen Nationalkonservatismus. Doch die Ausschliesslichkeit des Interesses an dieser Frage irritiert. Und so versuche ich regelmässig zu platzieren, dass die direkte Demokratie auch andere Folgen hat, als die Igel-Schweiz zu markieren. Zum Beispiel auch neuen Bewegungen aller Art Entfaltungsspielraum zu geben. Auch ein wenig von der Schweizer Ausgabenbremse (mehr als 80 Prozent Zustimmung in der Volksentscheidung) würde Deutschland und Co. gut anstehen, ist eine meiner Botschaften.

Ich werde morgen also versuchen, nicht nur über die Waffen-Initiative, das demoskopische Porträt hierzu zu sprechen, nein, es sollen auch ein paar allgemeine Informationen verbreitet werden. Zum Beispiel, dass wir über alles abstimmen können. Zum Beispiel, dass der Stadt/Land-Gegensatz kräftig anwächste, und die direkte Demokratie diese Spaltung neuerdings sichtbar macht. Und zum Beispiel, dass Männer und Frauen nicht immer gleich entscheiden.

Was uns echt fehlt, ist eine Organisation, welche bei ausländischen MeinungsmacherInnen die direkte Demokratie der Schweiz, die Volksabstimmungen und die Ergebnisse erläutert – und nicht wartet, bis wir eine “ubliebsame” Entscheidung getroffen haben.

Was mir am Freitag davon gelingt, weiss ich nicht. Vordergründig geht es ja um Zahlen. 47:45. Doch das war vor zwei Wochen. Bei negativem Trend. Das plausibelste Szenario ist die Fortsetzung dessen. Den Deutschen wird man sagen müssen, dass man in der Schweiz unmittelbar vor Abstimmungen keine Umfragen mehr machen und veröffentlichen darf. Und so einiges unklar bleibt.

Ich weiss, damit risikiere ich grosse Augen und strenge Nachfragen. Vielleicht werde ich diese auch bedienen. Was ich gegenüber einem Schweizer Medium nicht mehr machen dürfte. Bleibt nur die Hoffnung, dass in der Schweiz morgen niemand ZDF schaut, wenn er seine Waffe pflegt!

Claude Longchamp