Die Sorgen der SchweizerInnen – gestern, heute und morgen

Mögen Sie sich noch erinnern an 1977? Genauer an den Chiasso-Skandal bei der Credit Suisse? Nicht! Dann fasse ich das Wesentliche und die Folgen hier schon mal zusammen.

Mitarbeiter dieser Tessiner Filiale der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt hatten in grossem Stil in Italien Gelder angeworben gehabt und in undurchsichtige Gesellschaften nach Liechtenstein verschoben. Alles das aufflog, resultierte ein Verlust von 1,7 Milliarden Franken – für die seinerzeigigen Verhältnisse der grösste Verlust für die Bank. Das Ganze blieb nicht ohne Folgen: Die Nationalbank und die Schweizerische Bankiervereinigung beschlossen eine neue Sorgfaltspflichtvereinbarung. Und unter dem Druck dieser Krise brach die SKA zu neuen Ufern auf und wandelte sich in der Folge vom Zürcher Traditionsinstitut zum internationalen Finanzdienstleister.

Tagesschau vom 17.12.2010

Doch damit nicht genug: In der Schweiz startete die SKA eine Offensive, um neues Vertrauen zu gewinnen. Dazu gehörte auch die Modernisierung des hauseigenen Bulletins, dem weltweit ältestesten Mitteilungsblatt eines Bankeninstituts. Bei dieser Gelegenheit wurde das Sorgenbarometer geworden. Eine repräsentative Umfrage bei SchweizerInnen sollte jährlich aufzeigen, wo im Alltag der Schuh drückte. Seit 1995 führt das Forschungsinstitut gfs.bern die Umfrage durch: heuer zum 15. Mal unter meiner Leitung.

Zu den Hauptergebnissen der Ausgabe 2010 zählen, dass Arbeitslosigkeit, die Zukunft der Sozialwerke und die Neuausrichtung des Gesundheitswesens als zentrale Herausforderungen angesehen werden. Angestiegen sind im aktuellen Jahr die Sorgen mit der EU, den AusländerInnen und der Sicherheit im eigenen Land. Gleichzeitig gewachsen ist das Vertrauen in eigene Sache. Die Schweiz wird unverändert als fähig angesehen, ihre Probleme selber zu lösen. Die globale Finanzmarktkrise hat diese Auffassung noch verstärkt. Wirtschaft und Politik sind gefordert, als Problemlöser aber auch akzeptiert.

Das Projekt Sorgenbarometer ist zwischenzeitlich diversifiziert worden; es hat nun drei Bestandteile, die alle vom Forschungsinstitut gfs.bern bearbeitet werden: die Sorgenwelt der SchweizerInnen insgesamt (wie heute dargelegt), das Lebensgefühl der Jugendlichen (Jugendbarometer, anfangs Woche erstmals publiziert) und das Selbstverständnis der Schweizer und SchweizerInnen (Identitätsbarometer, das in zirka 2 Monaten als Spezialbericht erscheint). Alle drei Unterfangen sollen Auskunft geben, wie sich die Schweiz fühlt, sieht und entwickelt – heute und mrgen. Die aktuelle Bestandesaufnahme habe ich über Mittag kurz vor den Prüfungen meiner Studierenden in den Hallen der Universität Zürich für die Tagesschau zusammengefasst.

Claude Longchamp