Medienwert: Ausschaffungsinitiative vs. Steuergerechtigkeitsinitiative

Noch liegen die Auswertungen der Berichterstattung in den Printmedien über die anstehende Volksabstimmung nicht vor. Aus den Analysen der online-Medien kann man aber jetzt schon schliessen: Die Ausschaffungsfrage beschäftigte die deutschsprachigen Vermittler via Internet klar mehr als die Steuergerechtigkeitsfrage. Die Präsenz ist stark ereignisbezogen, und sie dient vor allem der Selbstdarstellung.

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blau: Ausschaffungsinitiative und Gegenentwurf, rot: Steuergerechtigkeitsinitiative.

PolitReport bietet seit einiger Zeit eine neue Dienstleistung an. Vermessen werden die Präsenzen der Abstimmungsthemen auf Internet. Die Datenbasis ist umfassend, beschränkt sich aber auf die deutschsprachige Schweiz.

Demnach dauerte der Abstimmungskampf zu den Volksentscheidungen vom 28. November 2010 rund 6 Wochen. Namhaft eröffnet wurde er am Wochenende des 17. Oktobers, als die Sonntagszeitung eine ersten Umfrage zur Ausschaffungsinitiative und dem Gegenvorschlag publizierte, welche der Initiative gute Annahmechancen gab. Die höchste Aufmerksamkeit für die Thematik stellte sich um Umfeld der Arena-Sendung ein, als SVP-Kampagnenleiter Adrian Amstutz und Bundesrätin Simonetta Sommaruga heftig aufeinander stiessen. Im unmittelbaren Gefolge erklärte sich die neue Justizministerin in Brüssel, und die SVP präsentierte ihr nicht unbestrittene Volksbefragung zur Ausländerthematik. Seither schwankt die Aufmerksamkeit, jedoch mit insgesamt sinkender Tendenz. Zentrale Themen waren gemäss Berichterstatterin Simone Wagner die Kriminalität und die Sicherheitsfrage. Demgegenüber spielte die Menschenrechtsfrage, welche zum Gegenvorschlag führte, eine nur untergeordente Rolle.

Keinen solchen Frühstart legte die Initiative für Steuergerechtigkeit hin. Sie erreichte zu keinem Zeitpunkt auch nur eine vergleichbare Medienaufmerksamkeit. Erst mit der Schlusskampagne, lanciert durch die Wegzugsdrohung einiger Unternehmer, nahm die Berichterstattung in den Online an Intensität sichtbar zu. Am Wochenende vom 14. November war die Präsenz der beiden Abstimmungsthemen erstmals äquivalent.

Kritisch beurteilt wird der Diskurs, der sich mehr durch Positionierung, wenig durch Auseinandersetzung gekennzeichnet gewesen sei. Nicht ausgewiesen werden beim Politreport die Richtung der Berichterstattung, insgesamt und nach Medium. Deshalb füge ich sie aus meiner ganz persönlichen Sicht bei: Ueber die Ausschaffungsthematik wurde zwar berichtet, mehrheitlich aber gegen Initiative und für den Gegenvorschlag, während die Medienaufmerksamkeit für die Steuerfrage geringer, insgesamt leicht negativ bewertet war.

Claude Longchamp