Francesco Benini, Redaktor der NZZ am Sonntag, publiziert heute ein Interview mit Wolfgang SchĂŒssel, von 2000 bis 2007 Bundeskanzler der Republik Oesterreich. Thema des GesprĂ€chs ist der Umgang mit dem Rechtspopulismus, der in zahlreichen europĂ€ischen LĂ€ndern Westeuropas anwĂ€chst. Der Ratschlag des Altkanzlers lautet: Die Populisten durch Einbindung entzaubern. Das sehen in Europa nicht alle gleich.
Man erinnert sich: Wolfgang SchĂŒssel, designierter Bundeskanzler der OeVP, brach nach den Nationalratswahlen 1999 mit dem ĂŒblichen Rot-Schwarz in Oesterreich. Vielmehr ging er 2000 eine Koalition der FPOe ein. Die Legitimierung der Partei Jörg Haiders trug Oesterreich vorerst viel Kritik von der EU ein; die verhĂ€ngten Sanktionen wurden nach einem halben Jahr jedoch aufgeboben.
In der Folge entwickelte SchĂŒssel seine Umarmungsstrategie gegenĂŒber der FPOe vollumfĂ€nglich. Im RĂŒckblick fasst er das wie folgt zusammen: Volksparteien, die mit rechtspopulistischen Parteien koalieren, sollten sich hĂŒten, sich auf das meist einzige Thema ihrer Partner reduzieren zu lassen. Sie sollten ihren eigenen Gesamtentwurf fĂŒr die Gesellschaft unverĂ€ndert weiter verfolgen. MinisterInnen rechtspopulistischer Parteien soll man nicht verteufeln, vielmehr ist in einer Regierung Kooperation zum Vorteil des Landes angezeigt. Denn parlamentarische Demokratien sollten sich hĂŒten, von BĂŒrgerInnen abgehoben zu funktionieren, weil sie auf die SensibilitĂ€ten von BĂŒrgerbewegungen angewiesen sind. Die Einbindung von Teilen der Rechtspopulisten schwĂ€cht, ist sich SchĂŒssel sicher, ihre AttraktivitĂ€t fĂŒr ProtestwĂ€hler. Deshalb können man davon ausgehen, dass rechtspopulistische Parteien in der Regierungsverantwortung AbnĂŒtzungserscheinungen zeigen – und sich, um WĂ€hlerverluste aufzufangen bald schon spalten wĂŒrden.
Generell mĂŒsse man in europĂ€ischen Demokratien mit Protestpotenzialen von einem Viertel der WĂ€hlerInnen rechnen, doziert der Altkanzler in der NZZaSo. Protestpotenziale wĂŒrden deshalb ĂŒberall und wiederkehrend auftauchen. Am Anfang solche Zyklen stĂŒnden politisierende Ereignisse wie die Ermordnung Pim Fortuyns in den Niederlanden, die brennenden VorstĂ€dte in Frankreich oder die Thesen von Thilo Sarrazin in Deutschland. Das mobilisiere eine Kraft, die einen neuen Diskurs in die etablierte Politik trage. Dem mĂŒsse man sich stellen, wenn man Regierungsverantwortung inne habe. DafĂŒr mĂŒsse man gelegentlich auch das Unerwartete tun, so der OeVP-Politiker.
Das Erwartbare zeichnet sich fĂŒr SchĂŒssel in Wien ab. Er rechnet mit einer rot-schwarzen Koalition. Politische und wirtschaftliche Macht vereinige sich so und werde zusammen auch regieren können. Doch bleibe das Unbehagen, etwa mit der Asylpolitik. Denn der Wahlsieger, die FPOe, werde wieder ausgegrenzt. Das wĂŒrde zwar den Exponenten der Opposition eine Plattform entziehen, sie aber auch nicht fordern. Vor allem aber nehme man so einen wesentlichen Teil der Bevölkerung aus und mit ihm auch das Unbehaben, das zum Wahlentscheid fĂŒr Rechtspopulisten gefĂŒhrt habe, nicht ernst.
Ohne Zweifel, da argumentiert einer, der als „Drachentöter“ in die österreichische Politikgeschichte eingangen ist, in sich kohĂ€rent. FĂŒr ihn spricht, dass er Jörg Haiser entzaubert hat. Doch stellt sich die Frage, ob das Beispiel Oesterreich wiederholbar, ja verallgemeinerbar ist? Aehnliches wie mit SchĂŒssels Regierung von damals geschieht gegenwĂ€rtig in Italien, ohne dass klar ist, wer hier welchen Part spielt und wer von wem entzaubert wird. Das war ja auch in der Schweiz nicht eindeutig, als Christoph Blocher im Bundesrat war.
Ein kleiner Ueberblick ĂŒber die weitere LĂ€nder mit starken rechtspopulistischen Parteien zeigt, dass es auch andere Vorgehensweisen gibt. Beispielsweise nahm Nicolas Sarkozys UMP die Anliegen des aufstrebenden Front National auf, um ihn bei den nĂ€chten Wahlen erfolgreich zurĂŒckzubinden. Beispielsweise grenzen sich die schwedischen, dĂ€nischen und niederlĂ€ndischen BĂŒrgerlichen ab, sind aber bereit, Konzessionen zu machen, damit ihre Minderheitsregierungen von den Rechtspopulisten geduldet werden. Anders verfahren linke Regierungen, wie jene Norwegens, welche die Fortschrittspartei ganz ausgrenzt, auch wenn sie 23 Prozent der WĂ€hlerInnen-Stimmen hinter sich weiss.
EinschĂ€tzungen zum Dilemma im Umgang mit Rechtspopulisten sind erwĂŒnscht!
Claude Longchamp
Wenn das Ziel der Machterhalt der eigenen Partei ist, mag SchĂŒssels Taktik funktionieren, allerdings nur zum Preis, dass dem neuen „Partner“ in der Sachpolitik teilweise entgegengekommen wird, warum sollte sich dieser sonst einbinden lassen. Mit der Einbindung neuer Parteien erhalten diese und deren Forderungen zudem automatisch auch mehr Legitimation und stĂ€rken deren Position zunĂ€chst. Sind die Forderungen ganz oder teilwiese erfĂŒllt, sinkt wohl auch wieder die UnterstĂŒtzung beim WĂ€hler. Es sind natĂŒrlich auch FĂ€lle denkbar, in denen sich der Juniorpartner mit dem Geld und Prestige der Ministerposten zufrieden gibt. Mit viel GlĂŒck gibt es sogar noch einen Korruptionsskandal oder sonstige Beweise der RegierungsunfĂ€higket.
Wenn eine Regierungsparatei aber an den eigenen Positionen festhalten will, bleibt ihr nichts anderes ĂŒberig, als diese besser zu erklĂ€ren und ĂŒberzeugendere Lösungen fĂŒr die Probleme der WĂ€hler anzubieten. Und da kommen dann auch die Interessen der Medien mit ins Spiel.
Mir gefÀllt ein Satz besonders gut: Dass die Volksparteien ihr Gesellschaftsprojekt realisieren und sich nicht auf die Themen der Populisten (links wie rechts!) einlassen sollen.
Genau daran mangelt es heute allenthalben. FDP und CVP sind nur noch an ihren Machtpositionen interessiert, an der Schweiz und ihren normalen BĂŒrgern nicht mehr. Zuversicht in die BestĂ€ndigkeit des Landes, seine Leistungen in Wirtschaft, Bildung und Sport sind keine Themen mehr dieser Parteien.
Die Vergangenheit ĂŒberlĂ€sst man der SVP, die Zukunft den GrĂŒnen, beides ist falsch.
Welche Partei ist nicht an ihrer Machtposition interessiert? Etwa die SVP, die eine gute BundesrĂ€tin fahren lĂ€sst, um dann einen hampelmann wĂ€hlen zu lassen, und nun wieder AnsprĂŒche stellt?
SVP ultra rechts?
Das ich nicht lache!
Die PNOS ist wohl vergessen gegangen was?
SVP Bashing wird immer mehr salonfÀhig.
Ich beobachte diese Entwicklung mit Sorge.
Die SVP grenzt sich selbst aus, und dies mit Absicht. SVP gegen alle, das ist ihre Strategie. Probleme lösen ist ein Fremdwort, provozieren an der Tagesordnung.