“Abstimmungsforschung” in Wikipedia

(zoon politicon) Diese erste Fassung zum Artikel “Abstimmungsforschung” in Wikipedia habe ich während den Vorbereitungen für den Kurs am kommenden Freitag in St. Gallen gemacht. Rückmeldungen nehme ich gerne auf dem einen oder anderen Kanal entgegen.

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Die Abstimmungsforschung will erklären, wer wie und warum auf eine bestimmt Art und Weise stimmt.

Abstimmungsforschung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Abstimmungsforschung ist eine Teildisziplin vor allem der Politikwissenschaft, teilweise auch der Kommunikationswissenschaft, der politischen Geografie und der politischen Oekonomie. Sie untersucht das Abstimmungsverhalten der stimmberechtigten Personen. Die Abstimmungsforschung geschieht aufgrund offizieller Statistiken zum Abstimmungsverhalten oder anhand von Daten aus Repräsentativ-Befragungen, die vor- oder nachher zum Verhalten und zur Entscheidung selber erhoben werden.

Im Gegensatz zur Wahlforschung ist die Abstimmungsforschung wenig entwickelt. Das hat mit dem selektiven Vorkommen von Volksabstimmungen in den verschiedenen politischen Systemen, aber auch mit der Komplexität von Fragestellungen zu tun, die höher ist als bei Wahlen. Abstimmungsforschung wird systematisch und seit längerem nur in den USA (vor allem in Kalifornien) und in der Schweiz betrieben.

Methoden

Folgende Methoden werden für die Abstimmungsforschung, speziell für die Analyse der Entscheidfindung, eingesetzt:

* Quantitative Methoden wie Befragungen von Wahlberechtigten (telefonisch, mündlich, online oder schriftlich)
* Qualitative Methoden wie Fokusgruppen
* Hochrechnungen
* Aggregatdatenanalysen wie Erstanalysen
* Medieninhaltsanalysen
* Schätzungen auf Basis von Modellen

Institute der Abstimmungsforschung (Schweiz)

In der Schweiz leiten drei kommerzielle Institute regelmässige Abstimmungsforschung auf Umfragebasis für Massenmedien, Abstimmungskomitees, Interessengruppen, gelegentlich auch für Parteien:

* gfs.bern
* Isopublic
* Demoscope

Die politikwissenschaftlichen Institute der Universitäten Bern, Genf und Zürich publizieren mit dem Forschungsinstitut gfs.bern nach jeder eidgenössischen Volksabstimmung eine wissenschaftlich fundierte Abstimmungsuntersuchung, die sog. VOX-Analyse.

Zudem veröffentlichen bundesweite und diverse kantonale Aemter deskriptive und visuelle Darstellungen der Abstimmungsergebnisse, die der Forschung zugänglich sind.

Ergebnisse der Forschung

Deskriptive Raumanalysen von Abstimmungsergebnissen wie jene der Statistischen Aemter beschränken sich weitgehend auf die Eigenheiten des Stimmverhaltens nach Merkmalen der Siedlung und auf Einflüsse der Sprach- resp. Konfessionskontexte. Analytische Raumanalysen wie jene der Forschungsgruppe sotomo zeigen darüber hinaus für die Schweiz drei grundlegende Konfliktlinien im Stimmverhalten über einzelne Sachfragen hinaus auf:

* der Gegensatz zwischen rechts und links (analog zu Wahlen)

* der Gegensatz zwischen Tradition und Moderne

* der Gegensatz zwischen technokratischen und ökologischen Politikverständnis.

Jedes Thema, aber auch jeder Ort lässt sich auf diesen drei Konfliktdimensionen verorten. Daraus entsteht ein politischer Raum von Sachthemen und räumlichen Kulturen, der deutlicher komplexer ist als in der Wahlforschung, die meistens mit der Verortung von Wählern und Parteien auf der Links/Rechts-Achse auskommt.

Die Umfrageforschung zum Abstimmungsverhalten, wie beispielsweise die VOX-Analysen, bestätigt die hohe Bedeutung von politischen Orientierungen und Werthaltungen für Sachentscheidungen. Sie bilden mit den Alltagserfahrungen die Prädispositionen einer Entscheidung. Darüber hinaus arbeitet die Abstimmungsforschung mit den Wirkungen, welche die Informationsverarbeitung auf die Ausbildung von Entscheidungsabsichten hat.

Als widerlegt gilt die vereinfachte Vorstellung, die meisten Menschen hätten analog zur Parteiidentifikation bei Wahlen mittel- und längerfristig klar festgelegtem, statische Entscheidungsabsichten zu allen Sachfragen und jedem Zeitpunkt. Das gilt nur dann, wenn man sich aufgrund der thematischen Alltagserfahrungen einerseits, der politischen Versiertheit anderseits ein hinreichende Vorstellung über den Abstimmungsgegenstand, das mit ihm verbundene Problem resp. die zur Diskussion stehenden Lösungen machen kann.

In allen anderen Fällen kommt es zu einem dynamischen Gemisch aus allgemeinen und thematischen Prädispositionen einerseits, Informationsverarbeitungen während Abstimmungskämpfen anderseits. Indidivueller resp. kolletiktiver Meinungswandel kommt dabei in zwei Formen vor: dem Meinungsaufbau von der Unschlüssigkeit zur Schlüssigkeit in die eine oder andere Richtung, sowie Meinungswandel von der vorläufigen Zustimmung zur finalen Ablehnung (oder umgekehrt).

Der Dispositionsansatz, der speziell für die Analyse der Meinungsbildung bei Volksabstimmungen entwickelt worden ist, bietet hierfür Erklärungen und Prognosen an. In den USA wird vor allem RAS-Modell des amerikanischen Politikwissenschafters John Zaller verwendet, um die Chance von Meinungswandel in Sachfragen unabhängig von Volksabstimmungen zu untersuchen.

Claude Longchamp