Empirische Politikforschung in der Praxis (III): Das Anwendungsfeld “Volksabstimmungen”

(zoon politicon) Volksabstimmungen sind ein konstitutiver Bestandteil des politischen Systems der Schweiz. Nirgends wo sonst auf der Welt wird so häufig über Sachfragen abgestimmt wie hierzulande. Für die Politikforschung ist das eine besondere Herausforderung: In keinem anderen Teilgebiet hat die Politikwissenschaft in der Schweiz einen so grossen Standortvorteil wie in diesem.

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Im Gegensatz zur weit entwickelten Wahlforschung befindet sich die sozialwissenschaftliche Abstimmungsforschung erst noch in den Anfängen; für die Politikwissenschaft der Schweiz ist das eine der grössten Herausforderungen.

Zum Forschungsstand in der Grundlagen- und Anwendungsforschung
Die empirische Forschung zum Abstimmungsverhalten der BürgerInnen begann dennoch eher zögerlich: Raumbezogene Datenanalysen standen am Anfang (50er und 60er Jahre), Untersuchungen auf Befragungsbasis folgten in den 70er Jahren. Die Grundlagenforschung beschränkte sich dabei weitgehend auf die Nachanalyse von Volksentscheidungen. Sie entwickelte damit, etwa im Bereich der VOX-Untersuchungen, Erklärungskompetenzen, jedoch kaum Prognosefähigkeiten.

Die praxisorientierte Politikforschung zu Volksabstimmungen hat einen hierzu komplementären Weg beschritten. Sie hat vor allem an ihrer Fähigkeit gearbeitet, den Abstimmungsausgang vorherzusehen. Sie kann das zwar nicht als Punktprognose machen, jedoch ist sie in der Lage, das aus dem Prozess der Meinungsbildung heraus zu leisten. Sie hat hierfür spezifische Untersuchungsdesigns vorgeschlagen, Methoden und Verfahren der Analyse entwickelt, und sie arbeitet seit einigen Jahren unter dem Stichwort “Dispositionsansatz” an konzeptionellen Erklärungen der erarbeiteten Befunde resp. auffindbaren Typen der Meinungsbildung.

Zielsetzungen des dritten Tages
Der dritte Tag der Veranstaltung “Empirische Politikforschung in der Praxis” widmet sich ganz dem Stand der Abstimmungsforschung in der Schweiz, mit einem Vergleich zum Ausland.

Im Gegensatz zum Vorgehen bei der Wahlforschung beschreiten wir, wie die Forschung auch, nicht den klassische deduktiven Weg von der Theorie über die Prognose hin zur Beobachtung und allfälligen Modifikation von Theorien. Vielmehr wählen wir das induktive Vorgehen: Wir starten mit Beobachtungen, verallgemeinern diese zu Aussagen, versuchen diese hypothetisch zu erklären und schauen, welche der so gemachten Annahmen bestätigt werden können resp. widerlegt werden.

Das führt uns zum gegenwärtigen Stand der Dinge, der durch den Dispositionsansatz am besten reflektiert wird. Diese soll in diesem Kursmodul exemplarisch vorgeführt werden, und es soll gezeigt werden, ob und wie er sich bewährt bei den jüngsten Volksabstimmungen in der Schweiz bewährt hat.

Mit einem Ausblick soll auch der Theorie-Ansatz, der davon unabhängig für die emprische issues-Analyse durch den amerikanischen Politikwissenschafter John Zaller entwickelt worden ist, vorgestellt und zur Erklärung im Rahmen des Dispositionsansatzes diskutiert werden.

Unterlagen
Die Unterlagen zu diesem Kurstag sind hier abrufbar.

Claude Longchamp