Professionalisierung der Parlamentsarbeit

58 Prozent der gegenwärtige StandesvertreterInnen in Bern bezeichnen sich als BerufspolitikerInnen. Der Rest politisiert nach eigenen Angaben im Halbamt. Trend: klar steigend in Richtung Berufsparlament. Eine Analyse – und eine Frage.

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Der Milizgedanke prägte das Werden des schweizerischen Staates. Die Feuerwehr bestand aus Freiwilligen, beim Offizierskorps war es so, und die Politiker in den Parlamenten machten davon keine Ausnahme.

Doch nun wird alles anders. Professionalisierung ist das Stichwort: Die Zeitnot vieler Leute, die Leistungserwartungen an öffentliche Dienstleistungen und die Bezahlung von Arbeiten, die als Beruf erbracht werden, sind einige der Gründe.

Simon Hug und Sarah Bütikofer, zwei Politikwissenschaft aus Zürich und Genf, haben diese Veränderung unter der Bundeskuppel aufgrund einer ParlamentarierInnen-Befragung untersucht. Dabei stützten sie sich auf Vorarbeiten der St. Galler Politologen Alois Riklin und Silvano Möckli, die 1975 ähnliches gemacht hatten. Die Befunde im Vergleich lauten:

. StänderätInnen sind heute in ihrer Mehrzahl BerufspolitikerInnen. Der Trend hierzu verläuft in der kleinen Kammer rasant.
. NationalrätInnen politisieren heute in der Mehrheit als HalbberufspolitikerInnen. Auch in der Grossen Kammer nimmt der Anteil zu, aber merklich langsamer.
. Im Schnitt arbeitet ein Ständerat zu 66 Prozent für sein Amt. Etwa mehr ist es bei der FDP, etwas weniger bei der CVP. In den letzten 35 Jahren hat die Belastung klar zugenommen.
. Im Nationalrat sind diese Veränderungen geringer. Hoch sind die zeitlichen Anforderungen vor allem für Mitglieder kleiner Fraktionen. Bei der EVP und der EDU wirkt sich das am starksten aus; ParlamentarierInnen dieser Parteien wenden 4 von 5 Arbeitstagen hierfür auf.

Die Folgerung der AutorInnen: Eine Mehrheit der Schweizer PolitikerInnen betreibt Politik unverändert nicht als Beruf. Bei einer Minderheit ist das heute aber der Fall. Dabei stellt man eine Verlagerung fest, von den Gemeinde- und Kantonsexekutiven hin zu den nationalen ParlamentarierInnen, vor allem zu den VertreterInnen der Kantone. Der Unterschied zur nationalen Parlamentsarbeit im Ausland ist damit weitgehend verschwunden.

Doch das ist nur die eine Seite der Professionalisierungsmedaille, füge ich an. Ausgebaut wurden auch die professionellen Stäbe der PolitikerInnen, der Verbände, der Parteien, der OeffentlichkeitsarbeiterInnen. Und zahlreicher sind die Verwaltungsangestellten der Exekutiven und Legislativen. Davon profitieren nicht zuletzte gut ausgebildete PolitologInnen.

Wann gibt es die erste systematische Untersuchung hierzu?