Wie sich Politologe Hanspeter Kriesi die Regierungsreform vorstellt

Regierungsreformen haben (wieder) Konjunktur. Auch Verein Zivilgesellschaft Schweiz hat sich damit auseinander gesetzt. Hier die Thesen, die der renomierte Zürcher Politikwissenschafter Hanspeter Kriesi dem eher rechtsbürgerlichen und einflussreichen Diskussionsclub zur Behandlung vorgeschlagen hat.

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Hanspeter Kriesi ist Leiter des Forschungsprogramms NCCR Democracy

Das Schweizer Regierungssystem hat drei Hauptprobleme:

Erstens leidet es an einer Führungsschwäche des Bundesrates. Dies manifestiert sich darin, dass der Bundesrat nicht regiert, sondern hauptsächlich verwaltet und eher ein neutraler Schiedsrichter als ein starkes Führungsgremium darstellt. Dieses Problem hat seine Ursache in der Konzeption des Bundesrates als „Parlaments-Ausschuss-Regierung“ und der jährlich rotierenden und schwachen Ratspräsidentschaft. Besonders in Krisensituationen zeigt sich diese Führungsschwäche.

Zweitens fehlt dem Bundesrat die Kohärenz. Das Kollegialprinzip funktioniert immer weniger. Die Mitglieder des Bundesrates äussern sich unterschiedlich gegenüber der Öffentlichkeit und machen den fehlenden Konsens damit sichtbar. Diese Problematik rührt daher, dass unsere Konkordanzregierung nichts anderes als eine permanente grosse Koalition darstellt. Durch immer lauter werdende Rufe nach Transparenz und Verantwortlichkeit sowie der medienzentrierten Kommunikation wird diese Problematik noch verschärft.

Drittens stösst der Bundesrat an seine Kapazitätsgrenzen. Durch die immer komplexer werdenden Geschäfte und die wachsenden Departemente sowie der hohen Präsenzzeit in parlamentarischen Kommissionen und Sitzungen werden die Bundesratsmitglieder zeitlich überfordert.

Als Lösung dieser Probleme wird oft die Volkswahl des Bundesrats vorgeschlagen. Dies ist aber nur „une fausse bonne idée“, weil diese das Kapazitätsproblem nicht löst und das Kohärenz- und Koordinationsproblem durch die Mediatisierung der Politik sogar noch verschärft. Alternativen zur Volkswahl sind die „politische Weichenstellung“ und der „sanfte Umbau“.

Die “politische Weichenstellung” beinhaltet die Bildung von kohärenten Regierungskoalitionen mit Koalitionsvertrag aufgrund einer Listenwahl im Parlament. Dadurch können Verfassungsänderungen vermieden und die Voraussetzungen des Kollegialsystems erhalten werden. Eine solche Änderung leistet einen Beitrag zur Lösung der Führungsschwäche, trägt aber nicht zur Verringerung des Kapazitätsproblems bei.

Ein “sanfter Umbau” beinhaltet eine Verstärkung der Regierungsspitze mittels Erhöhung der Amtsdauer des Bundespräsidenten auf vier Jahre. Auch wird der Bundesrat je nach Notwendigkeit und gewählter Struktur auf 9, 11, 13 oder 15 Mitglieder erweitert. Damit werden die Probleme der Führungsschwäche und der Kapazitätsgrenze gemindert oder gelöst, jedoch nicht unbedingt das Kohärenzproblem. Ausserdem ist dafür eine Verfassungsänderung notwendig.

Als optimale Lösung wird nicht eine dieser Alternativen, sondern eine Mischform aus beiden vorgeschlagen. Damit können alle drei Hauptprobleme des heutigen Regierungssystems gelöst werden.