Die neue Form der Referendumsfähigkeit in der Schweiz

Dass die Gewerkschaften referendumsfähig sind, ist keine Ueberraschung. Sie haben es bei der 11. AHV-Revision bewiesen. Dass nun auch der K-Tipp auf dem Weg hierzu ist, kann als symptomatische Neuerung in der politischen Mobilisierung in der Schweiz gesehen werden. Selbst die Politikwissenschaft wird mit ihren gängigen Vorstellungen der politischen Mobilisierung umdenken müssen.

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In der schweizerischen Referendumsdemokratie ist die Fähigkeit, innert 100 Tagen 50’000 Unterschriften zusammen zu bringen, ein wesentliches Kriterium der Konfliktfähigkeit einer Organisation. Wenn diese darüber hinaus beweisen kann, dass sie auch eine Abstimmungskampagne so erfolgreich führen kann, dass das dabei ein Volksmehr resultiert, bezeichnet man einen Akteur als referendumsfähig.

Die Parteien der Schweiz sind das in beschränkter Hinsicht. In Verbindung mit mitgliederstarken Organisationen, die ihnen nahestehen, gelten aber fast alle grösseren politischen Parteien als referendumsfähig. Bei den Grünen machen die Umweltorganisationen die Differenz aus, bei der SP die Gewerkschaften, bei CVP und FDP der Gewerbeverband, bei der SVP zusätzlich die Jungpartei und die AUNS.

Neueren Datums ist, dass nun auch Zeitschriften Referenden lancieren. Das war beispielsweise beim BVG-Umwandlungssatz, den das Parlament beschloss, der K-Tipp, unterstützt von Saldo und Bon à savoir. Auf diese Initiative hin wurde die Unia bei der Unterschriftensammlung aktiv, und es folgten mit etwas Abstand, die PdA, die Grünen und die SP.

Von der rekordverdächtigen Zahl von 205’000 Unterschriften gegen den vom Parlament beschlossenen teiferen Umwandlungssatz sammelt der K-Tipp einen Drittel. Das sind annähernd 70’000 gültige Signaturen. Das alleine hätte gereicht, um die Vorlagen zwingend zur Abstimmung zu bringen.

Der K-Tipp ist damit jedoch noch nicht zwingend referendumsfähig. Aber er ist auf dem besten Weg dahin. Die erste Hürde hat er genommen. Die zweite, die Kampagne, wird er ohne Zweifel auch nehmen, gehört doch die journalistische Kampagne zum Kerngeschäft der Zeitschrift. Die dritten und letzte Stufe steht aber noch aus; die Volksabstimmung über den BVG-Umwandlungssatz wird zeigen, ob der K-Tipp effektive vollumfänglich referendumsfähig wird oder nicht.

Wenn dem dereinst so ist, muss man die klassisch politikwissenschaftliche Denkweise im Zeitalter der Mediengesellschaft umkehren. Demnach sind die Parteien Zentralen der politischen Aktion, die sich auf Verbände als Massenorganisationen stützen, und Massenmedien als Instrumente der Kommunikation einsetzen. Die neue Formel lautete vielmehr: Fachzeitschriften sind die zentralen politischen Akteure, die verwandte Interessenorganisation mobilisieren können und so politische Parteien zum Mitmachen bewegen.

Claude Longchamp