Ein Mehrfrontenkrieg zum Bankgeheimnis steht an

Beat Bernet, Professor für Bankwirtschaft, leitet an der Universität St. Gallen das Schweizerische Institut für Banken und Finanzen. In der heutigen “Sonntagszeitung” nimmt der Präsident der Zuger Kantonalbank zur Zukunft des Bankgeheimnisses in der Schweiz Stellung. Dabei warnt er vor sinnlosen Rückzugsgefechten und empfiehlt, das Bankgeheimnis zu belassen, aber den Schutz der Privatsphäre von Bankkunden neu zu definieren.

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Beat Bernet: “Die Stossrichtung hat Präsident Barack Obama bereits lange vor seiner Kandidatur klargemacht. Sie wird mit der seiner Administration eigenen Dynamik umgesetzt.”

Die Schweiz sei erpressbar geworden, sagt der Experte, “weil wir es versäumt haben, rechtzeitig unsere Strategie zur Positionierung des Finanzplatzes in einem fundamental veränderten politischen Umfeld anzupassen. Stattdessen haben wir Wolkenschlösser gebaut, die spätestens seit dem Ausbruch der Finanzkrise Makulatur geworden sind.” Die Schweiz habe mit dem Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU letztmals einen guten Deal erzielt, doch habe man seither keine griffigen Massnahmen mehr entwickelt. Spätestens seit dem Abschluss den neuen Bankenabkommens zwischen der USA und Liechtenstein im Dezember 2008 sei aber klar gewesen, dass der Druck auch auf die Schweiz steigen werde.

Nach vorne blickend empfiehlt der Bankenfachmann der Schweiz ein dreistufiges Vorgehen:

Erstens müssen Banken und Politik anerkennen, dass die Welt sich verändert hat. Deshalb müssen die bisherigen Positionen hinterfragt werden.
Zweitens müsse nicht das Bankgeheimnis, jedoch de Privatsphärenschutz neu definiert werden. Die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug trage in der bisherigen Form nicht mehr.
Drittens müsse die Schweiz ihre Position gegenüber den USA und der EU so verankern, dass Zugeständnisse möglich würden, nicht aber ein uneingeschränkter Informationsaustausch.

Bernet erwartet, dass die EU nun die eigenen Dissidenten wie Oesterreich, Belgien und Luxemburg disziplinieren werde. Anschliessend seien die anderen Finanzplätze an der Reihe. Die Schweiz müsse sich deshalb auf einen Mehrfrontenkrieg gegenüber den USA und der EU, tatkräftig orchestriert durch die OEDC, einstellen.

Für das Banking sei es zentral, sagt Bernet, dass man das rasch kommuniziere, Verhandlungsbereitschaft signalisiere und eine realistische Rückzugslinie, hinter die man nicht gehen werde, aufzeige. Ein Rückzugsfecht sei angesichts der jetzigen Positionen nicht sinnvoll. Den beiden Grossbanken empfiehlt er, sich vom bisherigen Offshore-Geschäft zu verabschieden und von den bisherigen Kunden eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu verlangen, um nicht mit den Steuerbehörden anderer Staaten fortwährend in Konflikt zu geraten. Sogar einen gänzlichen Rückzug der UBS aus den USA schliesst er nicht aus.

Der Schluss des Interviews mit dem Schweizer Bankenfachmann klingt schon fast zynisch: “Jetzt hat uns die UBS unter Zugzwang gesetzt, und wir haben keine Zeit mehr. Wenigstens die sollten wir nutzen.”

Claude Longchamp