“Wahlbistro” – eine neue Form der Kampagnenkommunikation

Am 1. September startet in Bern eine neue Plattform zur Wahlkampf-Kommunikation, die Schule machen könnte und sollte.

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Die Berner und Bernerinnen wählen am 30. November ihren neuen Stadtpräsidenten, die neue Stadtregierung und das neue Stadtparlament. Einmal geht es um die Frage nach den Mehrheitsverhältnisse in der Bundesstadt. Neu ist, dass sich nicht mehr nur zwei Blöcke gegenüber stehen, sondern sich auch eine politisch unabhängige Mitte bemerkbar macht, die bei der Mehrheitsbildung das Zünglein an der Waage spielen könnte.

Sodann sind die Wahlen auch ein Hinweise, wie stark sich die politische Kommunikation heute schon geändert hat. Neu ist dabei, dass die Wahlkämpfe der Parteien und KandidatInnen durch eine Wahlplattform auf Internet begleitet werden soll, die für die Schweiz innovativ ist. Sie will

. allen Kandidierenden die Möglichkeit zur Bekanntmachung ihrer Standpunkte dienen;
. alle Kandidierenden, die sich profilieren wollen, auch mit dem Themenspider von smartvote verbinden;
. allen BürgerInnen, die sich besonders engagieren wollen, die Möglichkeit geben sich direkt an die BewerberInnen zu wenden.

Im Vergleich zu anderen Plattformen schätze ich an Wahlbistro die beabsichtigte Offenheit für alle Kandidierenden. Die Hierarchisierung des Zugangs zu Medien wird damit abgebaut. Ich bin auch der Meinung, dass es heute angezeigt ist, die Verlautbarungen von PolitikerInnen und solchen, die es werden möchten, mit der Positionierung auf den Themenspinnen von smartevote zu vergleichen. Die angewandte Politikwissenschaft hat hier in jüngster Zeit eine interessante Dienstleistung entwickelt, die mehr verwendet werden sollte. Und ich schätze es auch, dass die Veranstalter von Wahlbistro für Kandidierende und Kommentatorinnen strenge Hausregeln erstellt haben, welche beispielsweise ananyme Stellungnahme auf der Plattform ausschliessen. Der Zerfall der politischen Diskussionskultur, der so erleichtert wird, ist leider schon stark fortgeschritten.

Natürlich muss sich die Wahlplattform “Wahlbistro” erst noch durchsetzen. Möglich ist das gut, denn gerade im urbanen Umfeld ist die traditionelle Form der Wahlkampfkommunikation stark im Rückgang begriffen. Dennoch steigt in den meisten Städten die Wahlbeteiligung wiederan, unter anderem als Folge der kognitiven Mobiliserung. Da liegt Wahlbistro im Trend, denn die Akteure müssen sich heute medial, aber direkt und authentisch an die wahlinteressierten BürgerInnen wenden können. Vor allem in der jüngeren Generation ist die Nutzung von Internet bei Wahlen und Abstimmungen als Informations- und Diskussionsmöglichkeit fortgeschritten.

Ich wünsche dem Experiment zur Demokratisierung der Wahlkampf-kommunikation viel Erfolg. Ich werde das Projekt ab heute engagiert-kritisch bis zum Wahltag verfolgen.

Claude Longchamp

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Medienmitteilung zur Lancierung