Die Sterne der RegierungsratskandidatInnen im Kanton Bern

Heute wählt der Kanton Bern sein Parlament und seine Regierung. Umfragen zu den Wahlchancen der Kandidatinnen und Parteien gibt es keine. Wenigstens für die Regierung macht das nicht allzu viel aus, denn die Bewerbungen kommen auf unterschiedlich viele Sterne und damit Wahlchancen.

Wichtigstes Merkmal bei bernischen Regierungsratswahlen ist die Blockbildung: Das bürgerliche und das rotgrüne Lager treten je geeint mit einer plausiblen Zahl Bewerbungen auf. Das ist auch diesmal so. Zwar gibt es auch eine Mitte, doch sind die inhaltlichen Uebereinstimmungen hier geringer, denn die GLP ist laizistisch, die EVP konfessionell ausgerichtet.
Insgesamt kann man von einem freiwilligen Proporz der Blöcke und in ihnen sprechen. SVP, BDP und FDP haben ihre Kandidatinnen-Zahl dem Parteistärken angepasst. Das gleiche gilt für die rotgrüne Seite. Einzig die autonomistische PSA macht hier eine Ausnahme – wenn auch von ausserhalb des Blocks.
Seit 2016 hat sich eine neue Zauberformel für den Berner Regierungsrat eingestellt: 4 Bürgerliche und 3 Linke. Das entspricht ungefähr den Stärkeverhältnissen im Parlament. Mit der Polarisierung im Berner Jura ist auch die vorübergehende Vorherrschaft der SP gebrochen worden; dass die Region von einem SVP-Vertreter in der Regierung repräsentiert wird, ist damit keine Sensation mehr. Es ist gut möglich, dass gerade bei einer tiefen Wahlbeteiligung die neue Regierung des Kantons parteipolitisch gleich zusammengesetzt ist wie die Bisherige. Spielräume für Veränderungen sind dann erfahrungsgemäss geringer. Und, für eine überdurchschnittliche Mobilisierung bräuchte es ein eigentlichen Wendemoment.

Schwieriger ist es allerdings, die Reihenfolge innerhalb der Blöcke zu bestimmen. Normalerweise greift man hierzu auf die bisherigen Wahlergebnisse zurück. Mit der grossen Personalrochade, spricht drei Rücktritten, wird das fast unmöglich. Es kommt hinzu, dass mit den RR Schnegg und RR Ammann zwei Personen im Amt sind, die 2014 bei der Gesamterneuerungswahl noch nicht dabei waren.
Ich habe bereits 2014 ein Kriteriensystem entwickelt, um die Wahlchancen der Kandidatinnen zu bestimmen. Dabei stütze ich mich zuerst auf die wissenschaftliche Literatur. Die streicht regelmässig den Amtsinhaber-Bonus heraus. Sie verweist auch auf die Hausmacht, Und schliesslich geht es um die Person. Die ausgewählten Kriterien sind
. beim Bisherigen der Amtsinhaber-Bonus: Amtsdauer (ideal zwischen 4-12 Jahren), letztes Ergebnis (absolutes Mehr, Bilanz in den Medien (Porträt Bund, BZ, Regi)
. bei der Hausmacht: Stärke der eigenen Partei, Blockstärke je in % (10er Schritte)
. bei der Person: die Positionierung (gemäss smartvote angaben), die (medial attestierte) Ueberparteilichkeit (im Block)und das Geschlecht (Bürgerliche: Mann als Vorteil, Rotgrüne: Frau als Plus).
Sodann habe ich ein Raster für die Operationalisierung eines jeden Indikators erstellt. Auf dieser Basis verteile ich Sterne, die der Wahlwahrscheinlichkeit entsprechen.
Auch diesmal habe ich Sterne verteilt. Sie geben an, wie optimal die Kriterien erfüllt sind. Um nicht subjektiv zu Urteilen, habe ich ein kompliziertes Schwellensystem angewandt. Die verschiedenen Sterne wurden in der Folge zusammengezählt, herausgekommen ist ein Rating der Wahlchancen.

Die Reihenfolge lautet nun:
7 Sterne Simon
6.5 Sterne Neuhaus
6.5 Sterne Schnegg
5.5 Sterne Ammann
4 Sterne Müller
3.5 Sterne Allemann
3.5 Sterne Häsler

Alle anderen Kandidatinnen haben weniger Sterne – und damit keine wirkliche Wahlwahrscheinlichkeit.

Mit anderen Worten. Die vier Bürgerlichen und drei der rotgrünen Bewerbungen (alles ausser Gagnebin) haben die besten Wahlchancen. Etwas unsicher ist, ob alle das nötige absolute Mehr schaffen. Im innerjurassischen Duell ist Schnegg der eindeutige Favorit.
Am Abend weiss man mehr!

Claude Longchamp

PS:
Die effektive Reihenfolge wich von meiner ab. Wenn auch nicht entscheidend. Höher rangiert waren schliesslich Ammann (2.), Allemann (5.) und Häsler (6.). Die einig wirkliche Differenz ergibt sich bei Schnegg, der bloss auf Platz 7 landete. Den Hauptgrund hierfür sehe ich im Wahlergebnis im Verwaltungskreis Bern-Mittelland, denn das veränderte die fast perfekte Reihenfolge nach 9 Zählkreisen nochmals.