Vier Voraussetzungen des Erfolgs bei Ständeratswahlen

Im Volksmund gelten Ständeratswahlen als Persönlichkeitswahlen. Nationalratswahlen seien dagegen Parteienwahlen. Die Wahlforschung ist sich da weniger sicher. Sie sieht beide Wahlen als Mischung von Ursachen, denn mit der Werbung sind Nationalratswahlen heute personalisierter, und die Polarisierung hat Ständeratswahlen parteiischer gemacht.

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Vier Bestimmungsgrössen von Ständeratswahlen gelten heute als zentral:
1. Wie bei anderen Majorzwahlen auch haben Bisherige eine grosse Chancen, wiedergewählt zu werden, wenn sie eine Politik betrieben haben, die von Mitte-Wählenden akzeptiert wird.
2. Wenn Amtierende nicht mehr antreten, haben Kandidierende der gleichen Partei, die grösste Chance gewählt zu werden, wenn sie sich im Zentrum empfehlen können.
3. Wenn weder die Bisherigen noch ihre Partei mit einer Personen antreten, die obige Bedingungen erfüllen, haben Mitte-Bewerbungen, die sich in einer Majorzwahl bewährt haben, die grösste Chance zu reüssieren.
4. In kleinen Kantonen spielen Parteien weniger eine Rolle, sind die Personen und ihr Werdegang unabhängig von Parteien wichtiger.

Letztlich fällt 2015 nur die Abwahl von Luc Recordon durch dieses Raster. Bemerkt sein allerdings, dass er gemäss Ständerats-Rrating noch linker politisierte als Géraldine Savary, die wiedergewählte Sozialdemokratin. Hinzu kam, dass er von bürgerlicher Seite gezielt und koordiniert herausgefordert wurde. Die anderen 34 StänderätInnen, die sich erneut bewarben, schafften allesamt die Wiederwahl. Von den 8 Bewerbungen auf einen Rücktritt, die aus der gleichen Partei(familie) wie der Amtsinhaber kamen, war einzig der von Martin Bäumle (GLP) kein Erfolg beschieden. Der Sitz ging an Daniel Jositsch, einem eingemitteten Sozialdemokraten. Und im Kanton Uri ging die Nachfolge des anderen GLP-Vertreters im Stöckli nach der dritten Regel an den FDP-Regierungsrat Dittli. Bleibt der Sitztausch zwischen CVP und FDP in den Kantonen Ob- und Nidwalden, welche die vierten der obigen Begründungen bestätigen.

Ständeratswahlen waren, wie die Wahlforschung in den 90er Jahren festhielt, lange durch Absprachen unter bürgerlichen Parteien und damit verbundenem geringem Wettbewerb ausserordentlich stabil. Die kleine Kammer war auch eine Bastion für rechte und konservative Politikerinnen. Das hat sich seither etwas geändert. Die Konkurrenz bei Ständeratswahlen ist gewachsen, teils mit Profilierungskandidaturen, teils auch mit solchen, die politische Veränderungen zum Ziel haben. Die Volatilität ist sprunghafter geworden, letztmals 2011 mit dem Auftreten erfolgreicher Bewerbungen aus dem grünen Lager. 2015 ist davon nicht mehr viel zu spüren, denn das Ergebnis zeugt von Stabilität.

Im neuen Ständerat haben die CVP und die FDP je 13 Sitze, die SP 12. Die FDP gewann 2 Mandate, die SP 1. Verloren haben sie die GLP (-2) und die GPS (-1). Das führt dazu, dass im neuen Ständerat CVP und FDP weiterhin eine rechnerische Mehrheit haben, und beide Parteien mit der SP zum gleichen Ziel kommen können. Hingegen reicht keine Allianz keiner Partei mit der SVP für eine Mehrheit im Stöckli – ausser sie bezieht drei Parteien mit ein.

Das dürfte die Entscheidungen im Ständerat weniger polarisiert machen. Nicht die Weltanschauung wird entscheiden, vielmehr das Machbar bestimmend bleiben. Damit bleibt der Ständerat das Gegenstück zur grossen Kammer, der nach rechts gerückt ist, selbst wenn sich die kleine nicht nach links bewegte.

Gefragt sein werden Brückenbauer. Der wichtigste unter ihnen, Urs Schwaller, ist nicht mehr im Rat. Seine “Nachfolge” ist noch nicht bestimmt, denn die Rolle erwirbt man sich informell. Die wichtigste Person dürfte aber wiederum aus der CVP stammen, mit Flügel-Vertretern aus der FDP und SP. Nötig sind Schwergewichte der Fraktionen, die aber fähig sind, Kompromisse nach rechts oder links einzugehen. Meine Favoriten hierfür sind Pirmin Bischof, Karin Keller-Sutter und Anita Fetz.

Claude Longchamp

Generelleres zur Wahlanalyse 2015 hier.