Zukunft des Lobbyings in der Schweiz

Heute hatte die Schweizerische Public Affairs Gesellschaft ihren Sessionsanlass. Thema war das Lobbying im Spannungsfeld von gesetzlicher Regulierung, Selbstregulierung und keine Regulierung.

Natürlich schwang die Aktualität zur Kasachstan-Affäre mit; doch war der Anlass weder deshalb entstanden, noch beschränkte er sich auf diese Frage. Meine Aufgabe war es, eine Aussensicht zu präsentieren, auf die man als Politikwissenschafter kommen kann, wenn man Lobbying aus der Theorie und Praxis kennt, sprich analysiert und beobachtet hat.

Die Beziehungen zwischen politischen Parteien und Interessenorganisationen, aufgrund vergebener Zutrittskarten (gemäss Sonntagszeitung)
zutrittsberechtigte
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Letztlich hatte ich wohl acht Botschaften für das zahlreich erschienene Publikum aus Fachkreisen, Politik und Medien aufbereitet. Hier sind sie in der Kurzform:

1. Lobbying ist ein verbreitetes und wachsendes Phänomen der Gegenwartspolitik der Schweiz. Es ist ein Teil der Professionalisierung von Politik parallel zum Milizsystem. Lobbying ist aber keine schweizerische Eigenheit, vielmehr entsteht es entlang staatlicher Regulierungen vornehmlich wirtschaftlicher, aber auch anderer Interessen. Denn Lobbying ist in erster Linie Interessenvertretung.

2. Lobbying ist ein willkommener Beitrag sowohl der Politikformulierung, -entscheidung wie auch -umsetzung. Eingebundene Interessenvertretung ist gerade im liberalen Korporatismus der Schweiz erwünscht. Lobbying ändert aber auch die Einflussnahme durch Verbände, vor allem durch die Ausformung einer professionellen Tätigkeit mit Expertenwissen. Lobbying braucht keineswegs kritiklos hingenommen zu werden.

3. Lobbying ist Einflussnahme auf politische Entscheidungen, wo das decision making stets als Prozess verstanden wird. Es beginnt mit der Initiierung einer Politik, der vorparlamentarischen Vorbereitung, der parlamentarischen Entscheidung und der nachparlamentarischen Umsetzung. Eine Beschränkung auf eine Phase missachtet, dass der Erfolg in einer nachfolgenden Phase von einem Misserfolg begleitet sein kann.

4. Die mediale Reduktion auf das Lobbying gegenüber dem Parlament verkennt, dass Lobbying auch gegenüber den Exekutiven erfolgt, sprich Verwaltungen und Regierungen miteinbezieht. Im Konkordanzsystem der Schweiz wäre der Ausschluss der Exekutive gar trügerisch, denn er prägt den Stil der Verhandlung zur Mehrheitsbildung stärker als die Legislative.

5. Persönliche Begünstigungen politischer Akteure mit behördlichem Status gehören verboten, denn sie schadet dem Ruf der Politik nachweislich. Einflussnahme sollte dagegen erlaubt sein, pluralistisch strukturiert werden und klar definierten Transparenzregeln unterliegen.

6. Personenunabhängige Regulierungen sind personenabhängigen stets vorzuziehen. Dies gilt auch für Selbstregulierungen gegenüber gesetzlichen Regulierungen. Das Akkreditierungssystem ist gegenüber Legislative und Exekutive dem in der Schweiz vorherrschenden Götti-System vorzuziehen. Geregelt werden soll der funktional nötige Zugang, nicht der persönliche Vorteil.

7. Neue Verhaltensregeln zur Rollenvielfalt vor allem von Miliz-ParlamentarierInnen auf Bundesebene sind angezeigt. Sie sollen nach dem Vorbild der Rollenteilung bei Exekutivmitgliedern gefördert werden. Denn Politiker und Politikerinnen sind der Öffentlichkeit gegenüber Rechenschaft schuldig; Lobbyisten sind es nur bedingt.

8. Massnahmen sollen der Stärkung der Reputation von Lobbyisten einerseits, Politikerinnen und Politikern anderseits dienen. Beide sind aufeinander angewiesen, denn Politik besteht aus Informationsverarbeitung, aus Komplexitätsreduktion und aus klugem Handeln in beschleunigten Situationen.

Im Referat, das Sie hier nachschlagen können, finden Sie weitere Begründungen für die Thesen.

Claude Longchamp