A destra, senza donna

Das Tessin hat gewählt. Rechts, wie gewohnt; aber neu 5 Männer und keine Frau mehr in der Regierung, und das bei einer hohen Wahlbeteiligung von 62 Prozent.

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Die voraussichtlich neue Tessiner Regierung (anclicken, um das Bild zu vergrössern)

Die parteipolitische Zusammensetzung der Tessiner Regierung ist fast das Unwichtigste: da der Angriff der Grünen klar scheiterte, bleibt sie aller Voraussicht nach gleich rechts: 2 Vertreter der Lega resp. je einen der FDP, CVP und SP. Hauptgrund für die Stabilität ist das Wahlverfahren. Denn im Tessin wählt man nicht nur das Parlament, auch die Regierung nach dem Proporz. Ueberparteiliche Persönlichkeitseffekte treten damit in den Hintergrund. Das Rennen macht, wer in seiner Partei am meisten Stimmen erhält. Und das bestimmen die seit gut 20 Jahren die Traditionsparteien resp. die Lega je für sich.

Bemerkenswert ist aber, dass das Tessin eine Regierung mit fünf Männer bekommt. Knapp ein halbes Jahrhundert nach der Einführung des Frauenstimm- und –wahlrechts in der Schweiz geht der südlichste Kanton damit voran. Denn er ist jetzt der einzige Kanton ohne Frauen in der Regierung. Massgeblich hierfür war die Entscheidung innerhalb der FDP. Die denkbar Neuen, Christian Vitta oder Michele Bertni, lösen die zurückgetretene Bisherige, Laura Sardis, ab. Vom nationalen Durchschnitt der Frauen in Kantonsexekutiven, der nahe bei einem Viertel liegt, hat man sich damit noch entfernt.

Eine andere Sorge kennt die Tessiner Regierung nicht! Sie kann mit geschwelter Brust darauf verweisen, von gut 62 Prozent der Wahlberechtigten gewählt worden zu sein. Nur im Wallis war die Beteiligung bei der jüngsten Erneuerungswahl der Exekutive noch höher. Anders auch als der Haupttrend bei Regierungswahlen, ist die Beteiligung 2015 im Kanton Tessin nicht gesunken, sondern gestiegen. Gesichert höher war garantiert nur 1999. Mag sein, dass der Proporz da von Vorteil ist. Denn die Chancen der Polparteien Vertreter ihrer Art in die Regierung zu bringen, sind so intakt. Das motiviert rechts wie links zu wählen.

Das Tessin ist ab sofort ein mehrfacher Sonderfall: Zum Proporzwahlrecht für die Regierung kommt, dass die kantonalen Wahlen besser mobilisieren als die nationalen und, dass die Frauenquote bei Null liegt. So fragt man such: Folgt der Kanton Luzern anfangs Mai dem Tessiner Vorbild, wenn es um die Besetzung der freien Regierungssitze geht? Und folgt die Schweiz dem gleichen Kanton bei der Wahlbeteiligung? Im zweiten Fall hiesse das, die Teilnahme im Wahlherbst wäre unterirdisch, was ich für ausgeschlossen halte. Im ersten wäre der Kanton Tessin mit seinem Mannenteam nicht mehr allein, was nicht ganz auszuschliessen ist.

Claude Longchamp