2 Nein, 1 Ja – die erste Prognose für den 9. Februar 2014

Nein zu den Volksinitiativen “gegen Masseneinwanderung” resp. “Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache”, Ja zur Fabi-Vorlage zur Finanzierung des öffentlichen Verkehrs – das ist die erste Prognose zu den Volksabstimmungen vom 9. Februar 2014 des Blogs “50plus1”.

Wir kennen sie, die Parolenspiegel vor Volksabstimmungen. Zeitungen und politische Websites veröffentlichen sie regelmässig, um die BürgerInnen zu informieren, wer für resp. gegen eine Vorlage ist.
Einer der genauer als der Durchschnitt hinsieht, ist Oliver Strijbis, promovierter Politologe an der Universität Hamburg. Den Spezialisten für vergleichende Politikwissenschaft interessiert nicht eine Volksabstimmung, sondern möglichst viele. Mit Akribie hat er studiert, was passiert, wenn die SVP dafür, die SP dagegen sind und das Zentrum sich zwischen den Polen positioniert – und daraus ein einfaches Prognose-Tool erstellt.
Mit Blick auf den 9. Februar 2014 hat er die Parteien, die sich schon festgelegt haben, ausgewertet. Zudem hat er die ausstehenden Stimmempfehlungen aufgrund erwartbarer Parolen ergänzt. So kommt zu folgendem Schluss: Mit den kommenden Volksentscheidungen stützen die BürgerInnen die Positionen der Behörden gleich dreimal, ist seine Prognose, denn sie sagen Ja zur Fabi-Vorlage bzw. Nein zu den Volksinitiativen gegen freie Einwanderung und gegen die Abtreibungsfinanzierung.
Der Politologe geht noch weiter: Bei der Fabi-Abstimmung rechnet er mit einer Zustimmung von 63 Prozent; bei der Zuwanderungsinitiative mit einem Nein-Anteil von 60 Prozent, bei der Abtreibungsfrage gar von 66 Prozent.

Drei Mal klare Sache also? – So interessant die Vorhersagen aus Hamburg sind; so haben sie auch Schwächen: Die erste betrifft die Vergangenheitsorientierung der Prognosen, denn sie basieren auf dem Prinzip, dass das Gleiche geschieht, was bisher geschah. Das ist zwar kein schlechter Grundsatz, denn im Normalfall trifft er zu; doch bleibt der Mangel, dass er gerade in ausserordentlichen Lagen Tücken aufweist – und sie unterschätzt. Die zweite Schwäche zielt auf die Präsentation. Strijbis publiziert seine Prognosen auf seinem Blog “50plus1”, was alleine noch kein Handicap ist. Doch bleibt er ganz anders als in Fachartikeln äusserst sparsam, was Informationen zur verwendeten Methode betrifft.
Im konkreten Fall erwähnt der Prognostiker nur, dass er auf drei Sachverhalte abstellt: auf die Parolen als Ganzes, auf die Geschlossenheit der Mitte und auf den Themenbereich.
Das erste Kriterium ist eindeutig; es bedarf keiner weiteren Erörterung. Das zweite ist schon anfälliger, denn wie bestimmt man die Geschlossenheit der Mitte? Diffus bleibt auch das dritte Charakteristikum, den Politikbereich betreffend.
Wenn man das alles nicht weiss, bleibt die Prognose zwar heiss, aber schwer vage. Hilfreich wäre wenigstens zu wissen, welche Vorhersagen bei früheren Volksabstimmungen resultierten, und wie gut sie mit dem Abstimmungsergebnis übereinstimmten. Doch auch hier mangelt es an Informationen. Da hilft auch der Nachsatz nicht weiter, die Chance sei 1:19, dass die Einwanderungsinitiative angenommen werde.

So bleiben die folgenden Feststellungen: Am wenigsten überrascht die Prognose zur Abstreibungsinitiative; etwas unsicherer erscheint der Volksentscheid zur Fabi-Abstimmung, vor allem wenn man sich an die die Dynamik der Meinungsbildung bei der Vignetten-Entscheidung erinnert. Im Widerspruch zum vorherrschenden Medienklima vor allem in der deutschsprachigen Schweiz steht die recht klare Aussage in Sachen SVP-Initiative gegen die Personenfreizügigkeit.
Vielleicht hat die hier vorgestellte Methode aber genau hier ihren Vorteil: Denn der Hamburger Politikwissenschafter machte seine Analyse weitestgehend unbeeinflusst von der konkreten öffentlichen Meinung in der Schweiz. Denn sie ist nicht nur ein Rätselraten über den Bevölkerungsmeinungen; sie ist immer auch gefärbt die das erhoffte Abstimmungsergebnis. Dem hält der Politologe entgegen, dass er nur die Fakten ordnet.

Selber beobachte ich neben den Schlagzeilen der so oft dramatisierenden Sonntagspresse wie das allgemeine Klima ist, ebenso wie Strijbis, wie sich die Parteieliten im Parlament und an den Delegiertenversammlungen verhalten haben, wie sich der Abstimmungskampf entwickelt, und wie die Erfahrungen der Menschen mit den Abstimmungsthemen in ihrem heutigen Alltag sind.
Jedes dieser Kriterien gibt einen einzelnen Hinweis, wie sich die Ausgangslage entwickelt; die Gesamtheit der Indikationen erlaubt es, eine konsolidierte Einschätzung der Ausgangslage und der Meinungsbildung zu Volksentscheidungen vorzunehmen – nicht zuletzt ergänzt durch Voranalysen auf Befragungsbasis

Mehr nächstes Jahr, aber schon bald …

Claude Longchamp