Das Denken des Landes hat sich in Freiburg gegen jenes der Hauptstadt durchgesetzt

Freiburg hat gewählt: Der Staatsrat bleibt mehrheitlich bürgerlich; Nachfolger von Isabelle Chassot ist Jean-Pierre Siggen.

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Der Gewählte Jean-Pierre Siggen und sein nicht so geschlossener parteipolitischer Hintergrund (Quelle: La Liberté)

Knapper hätte das Resultat nicht ausfallen können: Der Kandidat der Bürgerlichen, Jean-Pierre Siggen, machte 31‘914 Stimmen; sein Herausforderer der Linken kam auf 31‘352. In Prozenten: der CVP-Bewerber kam auf 50,4 Anteile, der SP-Mann auf 49,6.

Nach Zählkreisen schien heute lange alles klar: Siggen gewann ausser dem Saane-Bezirk alle für sich. Am deutlichsten neigte der Glâne-Bezirk zu ihm (57.8%), gefolgt von Gruyère (55.8%), Sense (53.0%), Broye (53.7%) und See (53%). Auch die FreiburgerInnen im Ausland votierten zu 53,3 Prozent für den CVP-Mann. Anders entwickelten sich die Zahlen im Zählkreis Saane, der schliesslich mit 56,7 Prozent an Steiert ging. Ausschlaggebend war hier die Stadt Freiburg, welche zu 63,2 Prozent zum linken Bewerber hielt.

Einzig Bulle wählte von den Städten knapp mehrheitlich für Siggen (50.7%). Sonst tendierten sie resp. die grösseren Orte alle zu Steiert (Villars 56,8%; Marly 53,6%; Düdingen 52,8; Murten 50,6%). Das Gegenteil ergab sich auf dem Land; in Autafond im Saane-Bezirk wählten 31 den Bürgerlichen; 2 den Linken, der damit gerade auf 6,1 Prozent der Stimmen kam.

Erklären kann man Ergebnisse bei Majorzwahlen stets mit zwei vorrangigen Kräften: den Blöcken, den Personen. Die Blöcke hätten klar für Siggen gesprochen; das Ergebnis verweist auf einen erheblichen Personeneffekt zugunsten von Steiert. Denn gemessen an der Stimmkraft der bürgerlichen Parteien, die 71 der 110 Grossratssitze oder 65 Prozent der VolksvertreterInnen auf sich vereinen, ist fiel das Resultat der Ersatzwahl in den Staatsrat äusserst knapp aus.

Hauptgrund dürfte sein, dass die grosse bürgerliche Allianz, die im Kanton Freiburg traditioneller Weise die nur CVP und FDP umfasst, nur zögerlich zusammenfand. Erst die Aussicht, dass der Kanton mit dieser Ersatzwahl eine linke Mehrheit im Staatsrat bekommen könnte, führte die CVP, FDP und SVP kurzfristig und auf kantonale Wahlen beschränkt zusammen. Wie das Ergebnis zeigt, dürften die Stimmabgabe nicht lückenlos gewesen sein. Vertiefte Analysen nach Hochburgen werden zeigen, wie geschlossen die SVP, aber auch die FDP und CVP für den bisherigen Direktor des Arbeitgeberverbandes waren. Denn, so kann man jetzt schon vermuten, jeder 5. Freiburger, der/die bürgerlich wählen, stimmten heute für den linken Bewerber.

Immerhin, nach den Erfolgen bei den Ständeratswahlen gerade auch im Kanton Freiburg ist der linke Aufstieg ins Stocken geraten. Mit der heutigen Entscheidung bleibt die Freiburger Kantonsregierung mehrheitlich bürgerlich; die CVP behält ihre 3 Sitze, die SP 2, die FDP und die Grünen je ein Mandat. Pluralismus mit rechtem Schwerpunkt bleibt angesagt; für das Experiment der Co-Habitation, die auch anderen Kantone kennen, ist Freiburg nicht reif.

Stadt und Land ticken im Kanton Freiburg politisch ziemlich diametral anders. Diesmal hat sich das Denken des Landes durchgesetzt – wenn auch knapp!

Claude Longchamp