Das neue Abstimmungsmonitoring der fög


Darauf hat man eigentlich schon lange gewartet: dass jemand mit Verstand die Trends in der Medienberichterstattung zu Volksabstimmungen eingeht. Die forschungsstelle für Oeffentlichkeit und Gesellschaft der Uni Zürich leistet mit ihrem Abstimmungsmonitor genau das zu den Entscheidungen vom 3. März 2013.

Umfrage vor Volksabstimmungen kennt man. Werbeanalysen von Inseraten oder Plakaten werden zwar meist nicht veröffentlicht, sind aber immer häufiger zu haben.

Das Einfachste, um Entwicklungen der Meinungsbildung verfolgen zu können, sind jedoch Medienberichte. Und ausgerechnet das fehlt(e) in der Schweiz, wenigstens vor den Abstimmung, fast gänzlich.

Im Wochenrhythmus analysiert nun die fög zwei Trends der Meinungsbildung zum Verfasssungsartikel zur Familienpolitik, die Entscheidung über die Abzocker-Initiative und diejenige zum Raumplanungsgesetz:

erstens, die Ressonanz der Vorlagen, und
zweitens, die Richtung der Berichterstattung.

Hauptergebnis 1: Die Medienaufmerksamkeit folgt der Gewichtung durch Behörden nicht. Diese erwähnen Verfassungsänderungen stets vor solchen bei Gesetzen. Und sie rangieren die Projekte der Behörden vor denen des Volkes. Die Medien verfolgen ihre eigene Logik: Entscheidend ist die Brisanz der anstehenden Entscheidungen. Und die liegt eindeutig bei der Abzocker-Initiative, derweil der Familienartikel, bei den Behörden die Nummer 1, in den Medien die Nummer 3 sind.

Hauptergebnis 2: Das Raumplanungsgesetz wird, wenn es bewertet wird, mehrheitlich positiv beurteilt; beim Familienartikel, so über ihn berichtet wird, ist das in der überwiegenden Zahl negativ. Die Bewertung der Abzocker-Initiative ist, übers Ganze gesehen, neutral.

Das Trend-Barometer erhellt mehr als das, denn mit etwas Glück hätte man es auch erraten können. Es zeigt im Wochenrhythmus auf, was sich ändert, und es benennt die relevanten Ereignisse. Das zeigt zweierlei auf:

. die frühe Hierarchisierung von Vorlagen durch Medien, die einer eigenen Logik folgt, und
. die Bevorzugung von Dramatisierungsstrategien, die auf personelle Zweikämpfe angelegt sind.

Nur so ist der phänomenale Frühstart der Initianten in Sachen Abzocke zu erklären, der eine Intensität der Medienberichterstattung auslöste, welche höher ist als bei bisher exemplarisch untersuchten Konfliktthemen. Im Trend erkennt man aber auch, dass die Vorteile von Initianten schnell schwinden, wenn sich die Hoffnung auf den medialen showdown nicht mehr halten lassen. Dann setzt der lange vermutete und hier belegte Mechanismus ein, wonach die Einwände gegen eine Initiative mit dem Fortschreiten einer Kampagne an Gewicht gewinnen.

Sicher kann man diskutieren, ob das hier gezeichnete Medienbild vollständig ist. Denn es fehlt die Ebene der Leserbriefe in der zitierten Auswertung. Gerade bei latent populistischen Kampagnen ist das eine Lücke, deren Behebung dazu führen würde, dass man Ansätze der doppelten Meinungsbildung zwischen medialen und populären Diskursen erkennen könnte.

Das Beschriebene hat trotz des Einwandes Vorteile. Es kontrolliert subjektive Eindrücke, die nicht immer falsch, aber immer selektiv sind, und bei denen man nie weiss, wie weit Hoffnungen und Aengste zum Ausgang das Entscheidende sind. Die Objektivierung der Information ist deshalb auf jeden Fall von Vorteil.

Zu hoffen ist, dass das neue Vorhaben von fög nicht nur aus aktuellem Anlass erfolgte, sondern auch mit einer kontinuierlichen Absicht. Wünschenswert wäre es auch, wenn die Trends, die aus den Beiträge im Blick, in Le Matin, Le Temps, der Neue Zürcher Zeitung, des Tages-Anzeigers und 20 Minuten ermittelt werden medienspezifisch aufgeschlüsselt zu erhalten, sodass man auch Eigenheiten nach Redaktionen und Regionen ersichtlich würden.

Claude Longchamp