Rückblick auf den Politologie-Kongress 2009

Der Kongress der Schweizer Politologie ist vorbei. Er war gut organisiert. Doch er hat keine Wellen geworfen. Und er hat mich nur ausnahmsweise inspiriet. Ein Lob auf die Ausnahme!

Das bekannte Ritual
Für Daniele Caramani, dem Gastgeber in St. Gallen, war es wichtig, dass der Kongress gut durchgeführt wurde. Das war er auch. Für das, was bei den Sessions herauskomme, könne er keine Garantie geben, sagte er mir. Zu recht.

Denn eigentliche Durchbrüche der politikwissenschaftlichen Forschung in der Schweiz konnten kaum registriert werden. Das Medienecho war denn auch entsprechend. Vielleicht wurden auch nicht relevante Bemühungen hierzu präsentiert. Denn Kongresse sind auch Rituale. Und je ambitionierter Beitragende sind, eine neue Stelle an einer Uni zu erhalten, um so ritueller verhalten sie sich in der Regel. Das kennt man.


Aussichten aus St. Gallen, wo der Jahreskongress der Schweizer PolitologInnen stattfand.

Die unbekümmerte Ausnahme
Die grosse Ausnahme davon war Deniz Danaci. Der junge Politikwissenschafter aus Zürich hielt in seiner ganzen Unbekümmertheit das für mich anregendste Referat der Tagung. Der Mitarbeiter am IPW der Uni Zürich stützte sich auf seine Recherche für den NF, die den Titel trug: “Der Islam in der Schweiz. Eine empirische Analyse kantonaler Volksabstimmung über die Rechte religiöser Minderheiten”.

Hilfreich erscheinen mir die nachstehenden Thesen, die mir, auch ohne Tabellen zu studieren und Zusammenfassungen zu lesen, aus dem Vortrag geblieben sind:

. Erstens, Grundrechtskataloge in Verfassungen sind dazu da, Gleichheit unter den Menschen zu garantieren. Direkte Demokratie ist dagegen ein Verfahren für politische Entscheidungen, das unter Stimmberechtigten Mehrheiten beschafft, was zu Problemen mit dem Gleichheitsgedanken führen kann.

. Zweitens, Entscheidungen zu Rechten religiöser Minderheiten fallen nicht aufgrund juristisch-sachlicher Ueberlegungen, sondern aufgrund kulturell bestimmter In- und Outgroups in Eliten und Bevölkerung.

. Drittens, Elitekonflikte ist ein nötiger, aber nicht hinreichender Indikator, um den Ausgangs entsprechender Volksabstimmungen voraussagen zu können. Der Elite-Konflikt reflektiert sich in der Regel in den Zustimmungsraten; doch können sie auch ohne grössere Konflikte tief sein, wenn es sich um Outgroups handelt.

. Viertens, in den 15 kantonalen Volksabstimmungen zu den Rechten religiöser Minderheiten der letzten 50 Jahre gingen die Entscheidungen zu jüdischen Minderheiten in der Regel positiv aus. Kritischer waren sie gegenüber gegenüber neue Rechten von Freikirchen, und nicht selten resultierten negative Mehrheiten gegenüber Rechten isalmischer Minderheiten.

Die praktische Relevanz der Ausführungen von Danaci ergab sich für mich aus der anstehenden Volksabstimmung über die Minarett-Initiative. Die Forschungslücken dazu stehen im umgekehrt proportionalen Verhältnis zur politischen Bedeutung der Entscheidung.

Meine Bilanz
Das Referat von Danaci, so unvollendet seine Analyse aus der Diplomarbeit auch ist, hat mich aber wie kein anderes angeregt, auf einer geläuterten Basis selber als Forscher aktiv zu werden. Mehr kann man von einem Kongress nicht erwarten!

Danke, Deniz, und danke der Vereinigung, einem Newcomer der Politikwissenschaft in der Schweiz eine Plattform geboten zu haben!

Claude Longchamp