USWahl12: Fifty-fifty, mit leichtem Plus für …

“Tie” nennen die Amerikaner eine unentschiedene Wahl. Das legt ein Rundgang durch die diversen Prognosen eine Woche vor der Präsidenten-Wahl für die anstehende Entscheidung nahe. Einzelne Instrumente geben ein Plus für … Obama oder Romney!


Unklar, welche Nase vorne ist: Elektorenstimmen knapp für Obama, Volksmehrheit knapp für Romney, so die Bilanz eine Woche vor der Wahl

3 Wochen vor den US-Präsidentschaftswahlen 2012 machte die Fachzeitschrift „PS“ (Political Science&Politics) tabula rasa. Präsentiert wurden 13 Wahlprognosen, alle 299 bis 57 Tage vor der Wahl erstellt. Ihre Gemeinsamkeit: einfache Erklärungen der Wahl mit Faktoren wie Wirtschaftslage oder Popularität des Präsidenten. Ihr Unterschied: 6 geben Obama als Sieger, 5 Romney; bei zweien ist der Abstand für eine eindeutige Aussage zu gering. Das bekanntere Instrument mit den Halbe-Halbe-Ergebnisse ist „The Time for Change“-Modell, entwickelt von Alan Abramovitz. Demnach wird Demokrat Obama mit 50,6 Prozent gewinnen, weil es keine genügende Wendestimmung zugunsten des Republikaners Romney gäbe.

Nicht zuletzt die unerwarteten Ergebnisse der Parteitage und TV-Debatten haben gezeigt, die Zukunft nicht alleine in Kenntnis der vergangenen Mechanismen vorhersagen zu wollen, ist riskant. Denn das ist die Schwäche aller noch so elaborierten Modellrechnungen. Die Uebersicht PollyVote versucht das zu umgehen: Nebst den genannten 13 Modellrechnungen (und einigen weiteren) integriert der Superaggregator auch aktuelle Umfragen, Wahlbörsen und anonymisierte Expertenschätzungen. Ergebnis eine Woche vor der Wahl: Obama gewinnt ganz knapp mit 50,9 zu 49,1. Für den Präsidenten sah es auch schon besser aus: 52,4 zu 47,6 war sein Wert nach den Parteitagen und vor den TV-Auftritten. Das Mittel der von PollyVote berücksichtigen Umfragen resp. der ökononischen Modellrechnungen geben je ein perfektes Patt; die miteinbezogenen Experten und die Wahlbörsen tendieren mit 51:49 minimal zugunsten des Demokraten. Prognosen aufgrund von Personeneigenschaften schliesslich favorisieren Obama mit 52,5 zu 47,5.

Doch auch diese Rechnungen haben einen Nachteil: Sie sagen nur das nationale Wahlergebnis der beiden Bewerber voraus. Entschieden wird aber in den Bundesstaaten, denn diese bestimmen Staat für Staat das Wahlgremium, das Ende Januar 2013 den neuen Präsidenten wählen wird.

Zwei Tools, die Bestandteil von PollyVote, die es medial zu grösster Beliebtheit geschafft haben, sind da besser unterwegs: FiveThrityEight, das Prognoseinstrument der New York Times, und RealClearPolitics, die Internet-Uebersicht. “538” setzt auf Obama, und zwar bei den Elektorenstimmen (297:241) wie auch bei der Volkswahl (50:49). RCP gibt Romney bei den Stimmen der Wählenden einen Vorsprung (48:47), während Obamas Widerwahl aufgrund der Elektoren (290:248) möglich erscheint. Das spricht am meisten für den Amtsinhaber, denn keines der Tools zur Zusammensetzung des Electoral College sieht Romney als neuen Präsidenten.

Bei den bedeutungsvollen Bundesstaaten konzentriert sich die Aufmerksamkeit in der Schlussphase ganz auf Ohio. Denn hier wurde noch nie ein Republikaner Präsident ohne die Stimmen dieses Gliedstaates gewonnen zu haben. Am Freitag verkündete CNN einen Vier-Punkte Vorsprung für Obama. Die Forscher von American Research Group und Purple Strategies zeigten am gleichen Tage einen Zwei-Punkte Vorsprung für den Präsidenten auf, während die Universität von Cincinnati in ihrem Ohio-Poll vom Samstag von einem “unentschieden” sprach. Und bis ich diesen Artikel verfasst hatte, vermeldete der FOX-Forscher Scott Rasmussen via Twitter, Romney führe nun im wichtigsten Schlachtfeld-Staat mit zwei Punkten Vorsprung … wenigstens bis Sturms “Sandy” Sand in die Wahlkampfmaschienen wirbelt!

Claude Longchamp