Lobbyismus in der Analyse

Mit meinem neuen Forschungsseminar an der Universität St. Gallen will ich einen Beitrag leisten zur Analyse leisten, wie Lobbying in der Schweiz funktioniert.

Aktueller hätte ich das Thema meiner Lehrveranstaltung an der HSG nicht lancieren können. Anfangs Woche diskutierte der Ständerat den Zugang von Lobbyisten zu eidg. ParlamentarierInnen. Die vorgeschlagene restriktive Regelung lehnte er knapp ab. Gestern nun präsentierte ich meinen Plan zu „Lobbysismus in der Analyse“ den Studierenden im Master „International Affairs“.

Lobbying definiere ich als meist professionelle Form der Interessenvertretung gegenüber dem politischen System, namentlich im Zusammenhang mit allgemein verbindlichen Entscheidungen, der Planungs- und Vorbereitungsarbeiten hierzu, aber auch der Umsetzung. Hauptsächliche Adressaten des Lobbyings sind Exekutiven und Legislativen. Die Interessenvertretung kann durch direkte Einflussnahme erfolgen, aber auch durch indirekte, speziell durch die Mobilisierung der öffentlichen Meinung erfolgen.

Das Lobbying in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Geleistet wird es immer häufiger von professionell agierenden Firmen, seien es internationale Organisationen oder lokalen SpezialistInnen. In Anspruch genommen werden die neuen Dienstleistungen namentlich durch Verbände, den traditionellen Institutionen der Interessenvertretung, aber auch durch Firmen, die von staatlichen Regulierungen betroffen sind, bis hin zu sozialen Bewegungen. Selbst staatliche Organe beanspruchen Lobbying, um sich auf einer anderen staatlichen Ebene Gehör zu verschaffen.

Diese neuen Akteure zu erforschen, ist das Ziel des Seminars. Zunächst geht es um die Dienste, die sie anbieten. Von Interesse ist auch, über welches Wissen sie verfügen, und von wo sie dieses beziehen. Es geht aber auch um ihr Handeln und den Erfolgen, die sich darauf ergeben. Schliesslich beschäftigen wir uns auch mit der Frage, was Lobbying in der institutionellen Willensbildung verändert.

Teilnehmende am Forschungsseminar müssen einen Bachelorabschluss vorzugsweise in Politikwissenschaft oder Marketing haben. Der Kurs wird nach der Einführungen als Blockveranstaltung Ende Oktober 2012 durchgeführt. Bis dann müssen Interessierte die Literatur im Selbststudium aufarbeiten. Sie präsentieren in der Blockwoche ein Proposal für eine kleinere studentische Forschungsarbeit, und sie müssen diese bis Semesterende realisieren.

Wichtig ist mir, dass die bestehende Praxis im In- und Ausland berücksichtigt wird, da die theoretische Durchdringung des Themas durch die Wissenschaft eher gering ausfällt. Die Ergebnisse der Arbeiten müssen am Ende des Semester einem kleinen Team von WissenschafterInnen und PraktikerInnen präsentiert werden.

Höhepunkt der Blockveranstaltung wird der Besuch eines Top-Lobbyisten sein, der aus seinen Erfahrungen auf schweizerischer und europäischer Ebene berichten wird.

Claude Longchamp

Ausgewählte Literatur
R. Kleinfeld et al. (Hg.): Lobbying, Strukturen, Akteure, Strategien, Wiesbaden 2007.
R. Purtschert: Marketing für Verbände und weitere Nonprofit-Organisationen, Bern 2005, 2. Auflage.
Lobbying in der Schweiz. Partikulärinteressen unter der Bundeskuppel, hgg. von O. Bäaeriswyl, Villars-sur-Glane 2005.
B. Günthard-Maier: Politische Kommunikation. Mit Modellen, Methoden, Leitfäden und Fallbeispielen, Frauenfeld 2001.
Lobbying-Survey 2011, hgg. von BursonMarsteller&gfs.bern, Bern 2011
S. Dagger, M. Kambeck (Hg.): Politikberatung und Lobbying in Brüssel, Wiesbanden 2007
I. Michalowitz: Lobbying in der EU. 2007.
R. Buholzer: Legislatives Lobbying in der Europäischen Union. Ein Konzept für Interessengruppen, St. Galler Studien zur Politikwissenschaft, Bern, Stuttgart, Wien 1998.
H. Müller, B. Zaugg: Lobbying im Schweizer Tourismus, in: Jahrbuch der Schweiz. Tourismuswirtschaft 2004/2005, hgg. von T. Bieger et.al., St.Gallen 2005.
A. Fisher: Bookreview Lobbying, in: Swiss Political Science Review, Volume 17, Issue 1, pages 92–95, April 2011.