Ziggy Zaugg’s Dekonstruktion

Mit schrägem Witz und schwarzem Humor ist Dr. Marcel Zaugg zum ersten Helden des angelaufenen Abstimmungskampfes zum Nichtraucherschutz avanciert. Das könnte sich ändern, denn seine Kampagne hat auch Schwächen!


Dr. Marcel Zaugg, der vermeintliche Kampagnenleiter gegen Volksinitiative der Lungenliga, heute auf der Redaktion des “Sonntagsblick”

Am 23. September 2012 stimmt die Schweiz über den „Schutz vor Passivrauchen“ ab. Das Volksbegehren hierzu verlangt eine schweizweit einheitliche Regelung des Rauchverbots, welche die bestehende Gesetzgebung manchenorts verschärfen würde. Erwartbar war, dass es zu einer Frontstellung zwischen Gesundheitsorganisationen und Tabakindustrie je mit ihren Supportern kommt.

Nicht erwartet wurde dagegen Dr. Marcel Zaugg. „Be free!“ ist seine offen vorgetragene Aufforderung, Rauchen sei der Lebensstil der Genussmenschen, seine frohe Botschaft. Alles andere hätten Gesundheitstalibans rund um die Lügenliga erfunden, rüppelt er gegen die Lungenliga und ihre Verbündeten. Damit spricht Zaugg jedem Raucher aus dem Herzen, aber auch ihren Propagandisten, die sich über die schleichende, aber anhaltende Vermehrung von public health Kampagnen ärgern, mit denen der Staat die Freiheit des Einzelnen systematisch einschränke.

Indes, der Vorzeigeraucher ist gar kein Paffer, gar kein Lobbyist und auch gar kein Kampfhund, wie es manchem erscheinen mag. Denn Marcel Zaugg ist, wie ein erster Blick hinter die Kulisse zeigt, Schauspieler! Ein erfundener Lobbyistendarsteller! Eine Persiflage auf den politischen Gegner.

Zauggs Bühne sind die neuen sozialen Medien: das Internet, die Blogs, Facebook und Twitter sind die Bretter, auf denen er tanzt. Sein Mittel ist die Direktheit in eigener Sache, die Uebertreibung, die Karikatur, das Stereotyp, wenn es um die der andern geht. Souffleur in diesem Spätsommertheater ist die Agentur Feinheit von Daniel Graf.

Gelungen ist der Eintritt in die politisch-mediale Arena: Im Nu ist Ziggy Zaugg zur Kultfigur des laufenden Abstimmungskampfes geworden. Verschiedene Fernsehstationen haben ihn interviewt, selbst die Tagesschau hat ihn kurz gezeigt, und morgen porträtiert ihn der Sonntagsblick. Kein Neu-Politiker hätte das in 10 Tagen geschafft!

Erste Zielgruppe der Spezialkampagne, mit der die Lungenliga Kampagne führt, sind die JournalistInnen. Schräg, witzig und unerwartet wirkt gerade im Boulevardjournalismus immer gut. Paradoxe Intervention könnte man das auch nennen, denn es folgt dem postmodernen Aufklärungsmotto: Politik ist von A bis Z inszeniert, sodass die Dekonstruktion der falschen Welten die wahre Informationsarbeit ist! Basis hierfür ist, dass viele JournalistInnen nicht mehr an die politischen Akteure glauben, über die sie berichten, sodass sie Freude haben, wenn sich jemand einen unterhaltsamen Spass draus macht. Es kommt hinzu, dass zwischenzeitlich ein relevanter Teil der heutigen Abstimmungskampagnen virtuell stattfindet, mit denen die Grenzen zwischen Gesehenem, Gehörtem und Geprüftem immer mehr verschwindet.

Zweite Zielgruppe der Kampagne ist die Gegnerschaft. Sie soll personalisiert angesprochen und eingeschüchtert werden, denn es droht ein jeder ihrer Schachzüge bis am 23. September 2012 transparent gemacht und damit durchschaubar zu werden. Wenn PR Berater das untereinander wissen, mag das noch knapp angehen; wenn aber die breite Oeffentlichkeit via Medien mitschaut, ist das problematisch. Genau damit spielt Zaugg: den Widersacher durch tägliche Irritation zu lähmen.

Ob die Stimmenden eine sinnvolle Zielgruppe solcher Kampagnen sind, kann man bezweifeln. „Don’t think of an Elephant“ predigt der amerikanische Kommunikationsguru George Lakoff seit langem, um zu sagen: Bediene dich nie der Bilder des Gegners, wenn Du sie bekämpfen willst. Denn selbst wenn Du Dich von ihnen distanzierst, mobilisierst Du ihre emotionale Wirkung. Das ignorieren zwar Komiker mit Erfolg, weshalb viele über sie lachen können. Doch ist politische Kommunikation etwas anderes, womit manchem, der sie falsch betreibt, das Lachen vergeht. Denn was hier als Fantasie erdacht wurde, wird mit solchen Kampagnen zur Realität, der Ulk mutiert Stück für Stück zur Wahrheit, bis das Spiel zur ernsten Sache wird!

Momentan bringt Ziggy Zaugg den Abstimmungskampf in Fahrt. Mit dem überraschenden Auftritt hat die Lungenliga in der fast schon verloren geglaubten Sache das Gesetz des (medialen) Handelns an sich reissen können. Der Knalleffekt dürfte sich aber rasch abnützen. Denn die Kampagne hat Schwöchen: Zum Beispiel sind die Inhalte der Lungenliga noch kaum platziert worden. Man kann sogar skeptisch sein, dass die arg stilisierte Figur dazu noch fähig sein wird. Doch jeder zynische Medienaufritt wird am Schluss der Ja-Kampagne aufgerechnet, was ihr Plätze kostet, die sie während der Ueberzeugungsphase noch brauchen wird. Das wird man spätestens dann merken, wenn es nicht mehr darum geht, Aufmerksamkeit zu erzeugen, sondern die Meinungsbildung zu steuern.

Vielleicht läuft die neue Art von Politikkampagnen auch an einer anderen Schwäche auf, bricht sie doch mit dem tiefsitzenden Tabu, die PR in Kampagnen nicht mit PR in Kampagnen anzugreifen. Denn Ziggy Zauggs Dekonstruktion ruft seinerseits nach Dekonstruktion, was die Spirale der Transparenz zwar weiter befördern, gleichzeitig aber auch die Delegitimation der PR weiter steigern dürfte. Das kann nicht im Sinn der professionelle Oeffentlichkeitsarbeit auf Dauer sein.

Claude Longchamp