Von der Allianzbildung im neuen Parlament

Die neue Legislatur rückt näher, die Fraktionen bilden sich und die letzten Stichwahlen in den Ständerat finden demnächst statt. Ein guter Moment, über Allianzbildung im neuen Parlament nachzudenken.

Noch kennt man die definitive Zusammensetzung des Ständerats nicht. Unterstellt man aber, dass an diesem Wochenende Verena Diener und Felix Gutzwiller im Kanton Zürich, Bruno Frick in Schwyz, Markus Stadler in Uri sowie Toni Brunner oder Paul Rechsteiner in St. Gallen gewählt werden und sich in einer Woche Pirmin Bischof in Solothurn durchsetzt, wird die SVP unverändert die grösste Fraktion stellen, neu die SP folgen, dann die vergemeinschaftteten CVP/EVP kommen und die FDP die viertgrösste Gruppe im Bundeshaus sein. Dahinter reihen sich GPS, GLP und BDP ein. Keine eigene Fraktion bilden können die Lega und das MCR; das gilt auch für den Schaffhauser Ständerat Thomas Minder.

strw

Die von links geforderte Mitte-Fraktion aus CVP und kommt offenbar nicht zustande. Das liessen CVP und BDP gestern von sich hören. Damit tauschen die SP und die CVP ihre Positionen in der Fraktionsgrösse definitiv. Die CVP, aufgestockt durch CSP und EVP, rangiert indessen unverändert vor der FDP-Fraktion.

nationalrat

Was heisst das für die anstehenden Bundesratswahlen? – Relativ wenig, ist meine erste Antwort. Bezogen auf die Parteistärke ist die FDP vor der CVP, wenn man auf die Parlamentssitze abstellt, ist es umgekehrt. Ohne starke Zentrumsfraktion bleibt das numerische und politische Gewicht der neuen Mitte zurück. Die Arithmetik spricht für je 2 SVP- und SP-Regierungsitze, während es auf die verwendete Kennzahl ankommt, ob FDP, CVP auf zwei Sitze kommen. Rechnerisch nicht begründen lässt sich der BDP-Sitz, denn die GPS ist stärker. Eveline Widmer-Schlumpf wird man also nur aus der Konstellation heraus für den neuen Bundesrat empfehlen können: im Sinne des Status Quo, zur personellen Stabilisierung des Gremiums oder als Beitrag zur parteipolitischen Sicherhung der Ausstiegsmehrheit im Bundesrat.

Sachpolitisch sind im kommenden Parlament mehrere Zusammenschlüsse mehrheitsfähig. Reduziert man das auf zwei Parteien, erfüllen SVP und SP das Kriterium im Nationalrat, nicht aber im Ständerat. Politisch macht das aber am wenigsten Sinne, allenfalls als Blockiermehrheit in der grossen Kammer. Numerisch über keine Mehrheit verfügen SVP und FDP, die beide damit liebäugeln, im Bundesrat eine Mehrheit stellen zu können. Diese wäre aber in keiner der beiden Kammer abgestützt, sodass es einen weiteren Partner bräuchte.

Treten Links und Mitte geeint auf, verfügen sie sowohl im National- wie auch im Ständerat über eine Mehrheit. Einfach ist das indessen nicht, denn es braucht eine Koordination von GPS, SP, GLP, CVP/EVP und BDP. Das stärkt die Position der CVP. Denn kann auch nach rechts Mehrheiten beschaffen. Im Ständerat reicht es wohl ganz knapp mit FDP und BDP, im Nationalrat indessen nicht. Da braucht es entweder ein Zusammengehen mit der SVP, zumindest mit einer Minderheit deren Fraktion. Generell wird auch die FDP die Möglichkeit haben, eine Scharnierfunktion einzunehmen. Kooperiert sie mit den linken neuen Mitte-Parteien, reicht es ebenfalls für Mehrheiten in beiden Kammern, selbst wenn die CVP dagegen hält. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Allianz ist aber gering. Mehrheitsfähig ist schliesslich auch die bürgerliche Allianz, zusammengesetzt aus SVP, CVP/EVP und FDP. Da braucht es die BDP nicht.

Oder anders gesagt: Sichere Allianzen ergeben sich nur aus drei Fraktionen: Das ist der Fall, wenn sich SVP, FDP und CVP absprechen oder wenn dies zwischen SP, CVP und FDP der Fall ist. Denkbar sind aber Allianzen aus SP und CVP, erweitert durch die kleinen Fraktionen von GPS, GLP und BDP, und à la Limit funktioniert dies auch mit der FDP- statt der CVP-Fraktion.

Das ist nicht ganz anders als im alten Parlament, aber auch nicht mehr ganz gleich. Gestärkt wurde auf jeden die Mitte/Links-Variante in beiden Kammer, geschwächt die Allianzbildung der FDP nach links. Bei einer Fusion oder Fraktionsgemeinschaft von CVP und BDP würde alles klarer. Denn nur die neue Mitte hätte die Möglichkeit, sowohl nach rechts wie auch nach links Mehrheiten herzustellen. Die FDP wäre dieser Möglichkeit beraubt.

Claude Longchamp