Stöckli ins Stöckli: Bern entsendet eine Mitte/Links-Allianz in den Ständerat

Das Endergebnis der Berner Ständeratswahlen ist klar: Werner Luginbühl wird mit einem Glanzergebnis als Berner Ständerat bestätigt. Drei Viertel aller gültigen Stimmen entfielen auf ihn. Neu ins Stöckli zieht Hans Stöckli ein. Er erreicht rund 60 Prozent der Stimmen. Damit liegt er klar vor Adrian Amstutz, der bei rund 52 Prozent Stimmenanteil kommt.

Die Spannung vor der Stichwahl zur Berner Ständeratswahl war gross. Allgemein rechnete man damit, dass Werner Luginbühl, bisheriger Standesherr der BDP, als Kandidat der Mitte gewählt würde. Offen war indes, ob der Bisherige Adrian Amstutz von der SVP oder Hans Stöckli, neu der SP-Kandidat, an zweiter Stelle stehen würde.

Im ersten Wahlgang lag Adrian Amstutz noch an der Spitze, knapp von Werner Luginbühl und einiges vor Hans Stöckli. Im zweiten war alles anders, der der Zwei- und Drittplatzierte zogen am Vizepräsidenten der SVP, der erst vor einem halb Jahr Ständerat wurde, vorbei.

Tabelle: Stimmenanteil der zentralen Kandidaten im ersten und zweiten Wahlgang (Hochrechnung) nach Gemeindetypen
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Lesebeispiel: In SVP Hochburgen machten Amstutz im 1. Wahlgang rund 79 Prozent der Stimmen, im zweiten zirka 85; das entspricht einem Wachstum von 6 Prozentpunkten.

Die Wahlbeteiligung war zwar nicht mehr ganz so hoch wie im ersten Wahlgang. Mit 45 Prozent bleibt aber nur ein Schluss: Das Rennen um die Berner Ständeratswahlen hat breit mobilisiert. Mit Beteiligungsunterschieden lassen sich die Unterschiede im Wahlresultat nicht erklären.

Der Vergleich von der ersten zur zweiten Runde zeigt, was an Stimmen geblieben ist und was sich verändert hat. Am wenigsten Unterschiede gibt es bei Adrian Amstutz. Er hatte im ersten Wahlgang seinen Plafond bereits weitgehend erreicht gehabt, derweil die beiden anderen Kandidaten das Rennen machten, weil sich ihre WählerInnen vor allem in den agglomerierten Gebieten die Stimmen gegenseitig gaben. Werner Luginbühl legte am meisten zu, weil er von links und auch von rechts etwas mehr holte als im ersten Wahlgang. Dabei ist der Zuwachs links klar wichtiger als rechts. Stöckli wurde zweiter, weil er von der bürgerlichen Mitte klar häufiger bevorzugt wurde als Amstutz. Der bleibt zwar der Favorit der Landbevölkerung, vor allem wo die SVP unverändert unangefochten das Sagen hat. Doch erscheinen seine SVP und auch er als Person immer mehr isoliert, sodass es bei Majorzwahlen nicht mehr für Erfolge reicht.

Damit wird der Kanton Bern im Ständerat von einer Allianz aus Mitte/Links vertreten, die bei allen Unterschieden im Standort auch Gemeinsamkeiten hat. Die viel beschworene ungeteilte Standesstimme hätte es bei einem Duo Luginbühl/Amstutz weder in der Personenfreizügigkeitsfrage gegeben noch beim Atomausstieg. Ersteres ist schon länger ein Zankapfel zwischen den Nationalkonservativen nach Zürcher Art und der gemässigten bürgerliche Mitte. Zweiteres ist im Wahljahr dazu gekommen, vor allem durch den Schwenker der BDP in Sachen Kernenergie nach den Unfall im japanischen Fukushima.

Für die SVP ist es eine herbe Niederlage. Im Frühling eroberte sie bei der Ersatzwahl für Simonetta Sommaruga, die in den Bundesrat gewählt wurde, den Sitz zurück, den sie an die 2008 durch den Wechsel von Werner Luginbühl ohne Abwahl an die BDP verloren hatte. Einige Kommentatoren dachten damals, das sei der Startschuss für die Hardliner der SVP im Ständerat. Auf die Nominationen in der SVP für die Ständeratswahlen wirkte sich dies verherrend. Fraktionspräsident Caspar Baader wurde klar nicht gewählt, auch die denkbaren Bundesratsanwärter wie Guy Parmelin und Jean-Francois Rime scheiterten in der Volkswahl. Der heutige Tag lehrt uns, dass die Wahl vom 6. März eher die Ausnahme als die Regel war. Bei Majorzwahlen bleibt entscheidend, wie die Allianzen spielen. Das war diesmal zwischen rotgrün auf der einen und dem Zentrum, in dem im Kanton Bern neuerdings die BDP das Sagen hat, klarer der Fall. Vom bürgerlichen Schulterschluss, der jahrlang den Ausgang der Ständeratswahlen bestimmt hat, war in Bern kaum mehr etwas zu merken.

Mit der heute gefällten Entscheidung steht Bern nicht alleine. Im Ständerat der kommenden Legislatur hat die CVP nicht nur mit der FDP eine mehrheitsfähige Allianzmöglichkeit. So wie es jetzt aussieht besteht diese neu auch mit der SP.

Claude Longchamp