Antwort an den Wahlkampfblog: Das Profil der Wahlgründe – je Partei ausgebreitet

Die mediale Logik zu den Wahlen hat diese Woche vollends umgeschlagen: Es geht nur noch ums Spekulieren. Das verkennt den Wert der Wahlforschung, auf den man wieder zurückgreifen wird, wenn die Wahlergebnisse verbindlich vorliegend. Denn dann geht es wieder um die Frage nach den Wahlgründen.

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Im letzten Wahlbarometer haben wir ein Profil der Parteien entwickelt, das aufzeigt, was nachweislich gewirkt hat – jedenfalls bis zum letzten Umfrage:

SVP-Wahl:
Wer die SVP wählt, macht es wegen ihrem Programm: Die Positionen in Finanz- und Migrationsfragen sind relevant. Oder anders gesagt: Themen-WählerInnen schätzen die SVP wegen ihrer restriktiven Einwanderungs- und Finanzpolitik. Die Entscheidungen sind damit nicht, wie in der Öffentlichkeit häufig angenommen, einzig eine Folge der Ausländerthemen. Sie haben auch mit dem skpetischen Staats- und Steuerverständnis der Wählenden zu tun. Der Wahlkampf kommt als Zweites hinzu. Von aussen oft kritisiert, entfaltet er nach innen die erwarteten Wirkungen. Das dritte Element, das zur Wahl der SVP führt, sind die anstehenden Bundesratswahlen. SVP-Wählende wünschen sich auf alle Fälle einen zweiten (oder dritten) Bun­desrat, sei es in einer rein bürgerlichen Regierung oder via Neubelegung der Konkordanz der grossen Parteiem. Abgerundet wird das Bild durch die klare Rechtspositionierung, die Identifizierung mit dem Parteipräsidenten oder das Misstrauen in die Institutionen. Im Vergleich zu 2007 mobilisiert dies ähnlich, wenn auch eindeutig weniger fixiert auf die Personenidentifikation, die damals via Bundesrat Blocher alles überschattete.

SP-Wahl: Nichts fürchten relevante Teile der SP-Wählerschaft so, wie einen Bundesrat, aus dem sie ausgeschlossen wären. Das ist seit dem Rücktritt von Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey der wichtigste Grund, SP zu wählen. Es folgt das Programm, mit den Positionen in Fragen der öffentlichen Finanzen, der Migrationspolitik, der Umweltpolitik und der sozialen Sicherheit. Der Vorteil, der zu Beginn der Diskussion über den starken Franken und den Auswirkungen auf die Arbeitsplätze gegenüber der SP entstand, ist dagegen weitgehend verschwunden. Als nächstes folgt der eigene Wahlkampf, der eine positive Identifikation erlaubt, ergänzt durch die Positionierung der Parteien auf der Links/Rechts-Achse, der Hoffnung auf eigene Gewinne bei den Wahlen, der Identifikation mit dem Präsidenten, der Betonung solidarischer Werte und dem Einsatz für eine offene Schweiz. Dieser Mix geht etwa gleich gut auf wie jener 2007, der indessen viel stärker durch einen Anti-Blocher-Effekt geprägt war.

FDP-Wahl: Wahlberechtigte, welche die FDP wählen wollen, sind vom freisinnigen Programm überzeugt. Identifikationspunkte ergeben sich, ohne wirkliche Zuspitzung, bei Themen wie Arbeitsplätze und Wirtschaft, Umwelt, Migration, Sozialversicherungen und Gesundheitswesen. Es folgt der Wahlkampf, der den ParteigängerInnen gefällt. Mobilisiert wird die FDP-Wählerschaft, wenn sie an den eigenen Aufschwung glaubt resp. Gewinne der SVP befürchtet. Einen rein bürgerlichen Bundesrat unter Führung der SVP will man nicht, ebenso wenig wie einen ohne SVP oder unter Verlagerung eines eigenen Sitzes zur GPS. Werte wie Eigenverantwortung, Wirtschaftsorientierung und Rechtspositionierung kommen gegen den Schluss der Wirkungsfaktoren, knapp von der Identifikation mit dem eigenen Präsidenten. Damit kann man sich als liberale Partei bei Wahlen weder in der Mitte hal­ten, noch die Stammwählerschaft ernsthaft mobilisieren.

CVP-Wahl: Die Wahlwilligen der CVP identifizieren sich in erster Linie mit dem eigenen Wahlkampf. Thematisch finden sie die CVP-Familien-, -Umwelt- und -Gesundheitspolitik gut. Anders noch als vor einem Monat bietet die CVP-Wirtschaftspolitik jedoch keine wahlrelevante Identifikation mehr. Es folgt die mobilisierende Hoffnung auf eigene Gewinne, gepaart mit der Erwartung, FDP und Grüne würden einbrechen. Beim Bundesrat befördert der Kampf für den Status Quo die Wahlbereitschaft, genauso wie die Ablehnung eines Bundesrates mit Beteiligung der GPS. Der Parteipräsident als Wahlgrund folgt auch hier am Schluss. Mit diesem Profil kann man nicht zulegen, sich allenfalls aber schadlos halten.

GPS-Wahl:
Die Wahl der GPS kann man so erklären, dass der eigene Wahl­kampf gefällt, die Umweltpolitik wichtig ist, die Hoffnung auf einen eigenen Bundesrat wirkt, die Grünen dabei klar links positioniert bleiben müssen. Die Erwartung eigener Gewinne mobilisiert, verbunden mit der Erwartung, die SP verliere. Wertemässig schafft die Ökologie Verbindungen zur GPS, ganz anders als der Parteipräsident. Damit kann man sich halten, muss keine Einbrüche befürchten, kann aber auch nicht mit wirklichen Gewinnen rechnen.

GLP-Wahl:
“Kein rein bürgerlicher Bundesrat!” denken sich die GLP-Wähle­rInnen. Der Wahlkampf der neuen Partei gefällt, genauso wie die Fokussierung des Parteiprogramms auf die Umweltfrage. Weitere verallgemeinerbare Gründe die GLP zu wählen, lassen sich nicht benennen. Immerhin, das reicht, um zu gewinnen!

BDP-Wahl:
Schliesslich die BDP, wo sich alles um den Bundesrat dreht. Die Angst vor einem bürgerlichen Bundesrat unter Führung der SVP bewegt am meisten, gefolgt von allen anderen Varianten ohne Eveline Widmer-Schlumpf. Darüber hinaus schafft der eigene Wahlkampf positive Identifikation. Die Hoffnung, die polarisierenden Parteien würden geschwächt, beflügelt den Mix, die BDP zu wählen – die voraussichtlich zweite Wahlsiegerin.

Claude Longchamp