Project syndicate: Quelle der Weltanalyse

2008 hat unter anderem gezeigt, wie interdependent die Welt von heute ist. Genau das stellt die Frage, ob auch unsere Bewusstsein mit dieser Vernetzung mithält. Eine interessante Möglichkeit, das zu versuchen, ist die Auseinandersetzung mit dem “project syndicate”.

Die Finanzkrise in den Vereinigten Staaten, aber auch die US-amerikanischen Wahlen haben das Weltbewusstsein befördert. Globale Rezession, multipolare Weltordnung sind zu neuen Schlagworten geworden, welche die weltweite Diskussion über Wirtschaft, Politik und Gesellschaft neu lanciert haben.

Wer die Debatten verfolgen will, die in den Zentren der Wissenschaft und der Publizistik rund um den Erdball geführt werden, dem sei das “project syndicate” empfohlen. Das Prager Netzwerk, das seit 1995 besteht und sich gegenwärtig an 400 Zeitungen in 150 Staaten, die gemeinsame eine Auflage von 50 Millionen Ausgaben haben, wendet, veröffentlicht seine Analysen und Kommentare seit längerem auch auf Internet. Zu Wort kommen Fachleute und Nobelpreisträger, Staatsmänner und Aktivistinnen, aber auch Philosophen und Geschäftsleute mit internationaler Ausrichtung. Finanziert wird sie von Georges Soros’ “Open Society Foundation” und zahlreichen weitere Stiftungen namentlich aus Europa.

Die Internet-Publikation wird wöchentlich (The World in Words) aufdatiert. Rund 20 führende DenkerInnen, unter ihnen Chris Patten (vormals EU Kommissar), Joshka Fischer (vormals deutscher Aussenminister), Joseph Stiglitz (Nobelpreisträger für Oekonomie), Joseph Nye (US-Politologe) oder Naomi Wolf (feministische Aktivistin) kommen mit einer monatlichen Rubrik zu Wort. Uebergeordnete Themen sind der Klimawandel, Wirtschaftswachstum und politische Ordnung, die Menschenrechte und der Islam und die Welt der Islam. Der medinzinische und der technologische Fortschritt werden mit seinen Auswirkungen auf Gesellschaft und Mensch separat thematisiert.

Für mich besonders interessant ist schliesslich die Rubrik “Worldly Philosophers“, die in Kooperation mit dem Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen betrieben wird, und sich fächerübergreifend, grossen Themen der sozialwissenschaftlichen Analyse widmet.

In der Schweiz sind der L’Agefi, Le Temps und der Tagesanzeiger Mitglieder des Projekts. Dennoch ist es hierzulande zuunrecht unbekannt geblieben. Die Internetausgabe könnte da Abhilfe schaffen, denn man kann die updates bequem via RSS abonnieren. Zu den grossen Vorteilen dieser Publikation zählt, dass die Beiträge meist gleichzeitig auf Englisch, Arabisch, Chinesisch, Tschechisch, Französisch, Deutsch, Spanisch und Russisch erscheinen.

Die Beiträge sind meist persönlich gehaltene Analyse und Kommentare. Sie verbergen ihre Standpunkte kaum. Als Ganzen lässt die Plattform keine eindeutige politische Ausrichtung erkennen, sie ist pluralistisch ausgerichtet. Wer mit seiner Allgemeinbildung zur Welt mit eben deren Entwicklung mithalten will, sei die Lektüre wärmstens an Herz gelegt!

Claude Longchamp