Bundesbernsehen

“Treffpunkt Bundesplatz”, die grosse Plattform der SRG zu den Parlamentswahlen im Herbst 2011, gehört der Vergangenheit an. Ein guter Moment, um eine Bilanz zu ziehen.

Der Start war verhalten. Denn vor 10 Tagen war schlechtes Wetter – ein Killer für jede Freiluftveranstaltung, wie das beim Treffpunkt Bundesplatz der Fall war. Die SP, die sich an diesem Tag präsentierte, stand förmlich im Regen. Doch dann taute Politbern auf und erstrahlte in der herbstlichen Sonne, welche die Vorstellung der anderen 9 anderen grösseren und kleineren Parteien überstrahlte. Erst am letzten Tag zogen vorübergehend dunkle Wolken auf, wenigstens im übertragenen Sinne, denn die FDP beschwerte sich lauthals, im Parteienporträt schlecht weggekommen gewesen zu sein, sodass ein veränderter Film ausgestrahlt werden musste.

Im Zentrum der regulären Politikvermittlung kurz vor den Wahlen standen PräsidentInnen-Frühstücks im Radio, PolitikerInnen-Diskussionen im Fernsehen und Reden von Hoffnungsträger der Parteien auf dem Bundesplatz. aufgenommen wurde alles in den improvisierten Medienräumen der SRG SSR, zu sehen und zu hören war es jedoch im ganzen Land. 2 bis 3 Kantone waren zudem je einen mit Regierungsdelegationen, Folklore und Souvenirständen zu Gast. Spontan zur Musik aus der Bündner Herrschaft stiess Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, um sie im Bad der Menschenmenge zu stärken, bevor in weniger als 3 Monaten über ihre politische Zukunft entscheiden wird.

Vom Fernsehen ins Bild gerückt wurden resp. durch das Radio zum Wort gekommen kam in den 10 Tages des Treffpunktes Bundesplatz eine grosse Zahl an Prominenz wie alt-Bundesrat Adolph Ogi, der frühere Staatssekretär Franz von Däniken, die Diplomatin Gret Haller und der Auslandjournalist Haig Simonian. Das gilt auch für zahlreiche ExpertInnen der Analyse von Finanzmärkten, der Lehre in Schweizer Geschichte oder der Lehre in politischer Kommunikation. Ja, zahlreiche Politikwissenschafter gaben sich in diesen 10 Tagen die Hand. Ich selber war ich in den vier Wahlarenen zu Migrationsfragen, zur Gesundheitspolitik, zum Ausstieg aus der Kernenergie und zu Ursachen und Folgen des starken Frankens.

Der Rahmen für alle diese Auftritte war würdig. Im südlichen Hintergrund das Bundeshaus, in dem die ParlamentarierInnen zum letzten Mal in der bestehenden Formation tagten, um rechtzeitig vor den Wahlen den Ausstieg aus der Atomenergie zu besiegeln, die integrierte Versorgungskette im Gesundheitswesen einzuführen und das Namensrecht für Verheiratete neu zu regelen. Auf der östlichen Seite stand die Schweizerische Nationalbank fest in der Brandung der Euro-Krise, welche die Schweiz reich und bedroht zugleich macht, ohne dass man das viel beschäftigten Präsidium viel gesehen hätte, während im Westen die 26 Brunnen, je einen Stand im Bundesstaat repräsentierend, die permanente Erneuerung der Kraft im Bundesstaat durch Wahlen darstellten. Im Norden schliesslich ging es fast nahtlos auf den Bärenplatz über, der an Zeiten erinnert, als die Eidgenossenschaft ihre Autonomie im Kaiserreich erlangte, in die italienischen Kriege aller Herren Länder verwickelt war, rasches Geld machte, was dann zur Reformation, der moralisch-sittlichen Gegenbewegung, führte.

Die Reaktionen, die ich hatte auf die ganze Veransaltung hatte, waren überwiegend positiv. Politik machte für einmal Freude. Angesprochen wurde man an jeder Ecke, und gegrüsst wurden man quer durch alle Reihen. Nicht immer sprach man von den Wahlen, aber immer öfter. Von Hoffnungen war die Rede, die politischen Konfrontation möge endlichen ihren Tiefpunkt durchschritten haben, sodass der Gedankenaustausch unter BürgerInnen und mit PolitikerInnen wieder mehr Beachtung geschenkt werden. Vor allem ältere Leute auf dem Platz schätzen es, dass ein Gemeinschaftsgefühl aufkam. Männer und Frauen jeden Alters spielten mit PolitikerInnen Schach oder klopften mit Mediengrössen einen Jass, und jüngere BürgerInnen genossen es, rasch auf ein Bier oder Cüpli vorbeikommen zu können, um einen Hauch von der anstehenden Entscheidung mitzubekommen.

Ich weiss, auf meinen Reisen durch die Schweiz in diesen Tagen bin ich auch negativen Stimmen begegnet. Die sagten, es sei zu viel, worüber man informiert werde. Es werde auch zu viel Propaganda gemacht. Das erzeuge Zwietracht unter (N)Eidgenossen. Davon zeugten die geteilten Reaktionen in der Presse. Ein ehemaliger Chefredaktor des Schweizer Fernsehens, jetzt bei der Konkurrenz tätig, sprach von einer penetranten PR-Offensive der SRG, welche die Politik in Sachen Online-Werbegelder auf ihre Sache ziehen wollen. Andere JournalistInnen wiederum lobten die Dichte an Informationen, die an interessierte Publikum gezielt vermittelt wurden. Meinerseits bekam ich erstmals einen Eindruck von der viel gepriesenen Konvergenz zwischen Senderarten, Landesteilen und neuen Medien. Vorbildlich empfand ich auf jeden Fall die schnelle und informativen Zusammenfassungen der Kernaussagen auf dem Bundesplatz auf Internet. So war man überall dabei, ohne dass man immer vor Ort sein musste!

Noch besser gefallen hat mir, dass Bern, ganz anders als vor vier Jahren nicht durch Politkrawall zwischen SVP und Schwarzem Block auffiel, sondern als Polit-Schweiz in Erscheinung trat. Wie selten bekam man das Gefühl zu spüren, was man mit Politzentrum meinen könnte. So bleiben mir zwei Hoffnungen auszusprechen: Dass die Wahlen mit einem Beteiligungserfolg ausgehen, und dass die SRG auch in Zukunft in die Hauptstadt investiert.

Deshalb: Auf Wiedersehen, Bundesbernsehen!

Claude Longchamp