Von den Schwierigkeiten bei kantonalen Wahlen Erstanalysen zu machen

(zoon politicon) Die kantonalen Wahlen von gestern in St. Gallen und Schwyz wurde mit Spannung erwartet. Erstmals seit den eidgenössischen Wahlen traten wieder Parteiformationen und ihre KandidatInnen an.

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Die SVP und ihr Kandidat in St. Gallen: offensichtliche Wahlsieger des gestrigen Tages, dessen Analyse noch nicht gemacht ist (Quelle: Keystone).

Das Ergebnis ist vordergründig klar: In beiden Kantonsparlamenten von diesem Wochenende ist die SVP die stärkste Kraft. Sie hat in beiden Fällen die CVP überrundet. In beiden Kantonen gilt ab sofort: SVP vor CVP vor FDP vor SP.

Die Praktiker-Methode
Doch nun beginnen die Schwierigkeiten mit Erstanalysen: Was vergleicht man womit, um zu Trendaussagen zu kommen und auch Gewinner und Verlierer zu kennen?

Die Praktiker-Methode greift, wie bei der Bestimmung der Fraktionsstärken, auf Sitze zurück, benennt so, wer zugelegt und wer verloren hat. Wer mit dieser Faustregel arbeitet, geht häufig noch weiter: Die Sitzgewinne einer Partei werden mit den Sitzverlusten einer anderen Partei direkt verrechnet, und schon hat man auch eine WählerInnen-Analyse.


Zweifel an Schnellstschüssen

Es gibt vier gute Gründe, die Gültigkeit dieses Vorgehens zu bezweifeln:

1. Zuerst wäre dieses Verfahren nur dann sinnvoll, wenn die Sitzzahlen und das Wahlsystem identisch bleiben würden. Nur schon das ist durch die Verkleinerungen verschiedener Parlamente schwierig geworden. Zudem sind in jüngster Zeit verschiedentlich Wahlverfahren verändert worden.

2. Sitzzahlen und Parteistärken müssen nicht identisch sein. Sitzzahlen bilden nur jene Stimmen ab, die zu einer Partei geführt haben. Parteistärken lassen sich effektiv nur anhand der abgegebenen Stimmen bestimmen. Publizierte Anteile für Parteien basieren mitunter nur auf den Sitzverteilungen.

3. Gewinne- und Verluste von Parteien sind letztlich die Folge der Mobilisierung des Elektorates. Ohne Angaben zur Wahlbeteiligung kann diese aber nicht bestimmt werden. Denn ohne diese Erweiterung werden Gewinne und Verluste einer Partei, die allein durch Beteiligungsänderungen entstehen, nicht erfasst.

4. Annahmen zur WählerInnen-Wanderung sind mit grösster Vorsitz zu geniessen. Reine Schätzungen aufgrund des common senses können sich irren. Häufig sind kompelexe Wählerwanderungsmodelle adäquater als einfache. Ohne spezifische statistische Analysen geht da gar nichts.

Meine Schlussfolgerung
Ich ziehe daraus eine wichtige Schlussfolgerung: In der Regel bewegt man sich bei Erstanalysen ohne spezifische Daten und Analysen unter dem Anspruchsniveau, das hier formuliert worden ist. Das hat mir dem Zeitdruck der Medien, mit der Information der Statistischen Aemter und mit den Auswertungen der AnalystIn zu tun.

Wünschenswert ist, dass solche Uebungen inskünftig mit AnalystInnen und mit statistischen Aemtern vorbesprochen werden; es sind mit beschränktem Aufwand klare Verbesserungen der Aussagemöglichkeiten machbar.

Ich schreibe das nicht, um Gewinner oder Verlierer der aktuellen Wahl in einanderes Licht zur rücken. Schreibe es aber, damit man über die vorherrschende Praxis der Resultatevermittlung und ihrer Analyse überdenkt!

Claude Longchamp

PS:
Beispiel einer nachträglichen Beschreibung des Wahlergebnisses aufgrund von gesicherten Daten im Kanton Schwyz
Beispiel einer nachträglichen Analyse des Wahlergebnisses aufgrund der Wählerstromanalyse für den Kanton Schwyz