Ständeratswahlen 2011: eine erste Auslegeordnung

Gegen 100 Bewerbungen für die 45 Ständeratssitze, die am 23. Oktober 2011 zu vergeben sind, zeichnen sich bereits jetzt ab. Eine erste Auslegeordnung, über die Ausgangslagen in den Kantonen.

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Ivo Bischofberger, Innerrhödler Standesherr, ist der erste wiedergewählte Kantonsvertreter der CVP für die Legislatur 2011-2015

Am einfachsten ist alles in Appenzell-Innerrhoden. Das bestimmte die heutige Landsgemeinde den bisherigen Ständerat Ivo Bischofberger von der CVP zu seinem eigenen Nachfolger. Die SVP war zwar gegen ihn gewesen, hatte aber keinen eigenen Gegenkandidaten stellen können, sodass die parteipolitisch motivierte Aktion praktisch ohne Stimme verpuffte.

Alle anderen Kantone wählen ihre Standesvertretung im Herbst in einer Urnenwahl, die meisten nach dem Mehrheitswahlrecht, zwei nach den Proporzverfahren. In den Kantonen Jura und Neuenburg rechnet man deshalb mit viel mehr Bewerbungen als andernorts. Es sind auch Personalwechsel ohne Parteiaustausch denkbar.

Kantone mit zwei Rücktritten
Am offensten sind deshalb die Ständeratswahlen in Graubünden und Thurgau. Denn da treten je beide Bisherige zurück.

Die Bündner FDP und CVP haben vorgespurt und rechnen hier mit einem Doppelerfolg, welcher der SVP einen Sitz kosten dürfte. Denn mit Martin Schmid und Stephan Engler treten zwei (Ex-)Regierungsräte an, die in Majorzwahlen schon erfolgreich waren. Im Thurgau zeichnet sich mit Roland Eberle, dem ehemaligen SVP-Regierungsrat, ein vergleichbarer Vorgang ab, während um bisherigen CVP-Sitz mit Brigitte Häberli von der CVP und Edith Graf von der SP zwei Nationalrätinnen ihr Glück versuchen. Allenfalls gibt es hier auch eine FDP-Kandidatur.

Kantone mit einem Rücktritt
Je einen Rücktritt zu verzeichnen haben die Kantonen Uri, Solothurn, Schaffhausen, St. Gallen, Tessin, während im Aargau die SVP nicht mehr mit dem Bisherigen, sondern mit einem Neuen ins Rennen steigt.
Gefordert ist da vor allem die FDP, die gleich fünf Sitze mit neuen KandidatInnen zu verteidigen hat. In Luzern gibt es noch wenig Opposition gegen die liberale Nchfolgeregelung mit Nationalrat Georges Theiler, während in den übrigen Kantonen teilweise Grossaufgebote in die Lücke springen möchten,
In St. Gallen bewirbt sich Karin Keller von der FDP, muss sich aber gegen SVP-Parteipräsident Toni Brunner und SGB-Gewerkschaftchef Paul Rechsteiner durchsetzen; da ist nicht einmal die Wiederwahl der Bisherigen Eugen David von der CVP sicher.
In Solothurn startet Roberto Zanetti mit dem Bisherigen-Bonus, obwohl er erst vor kurzem die Nachfolge des verstorbenen Parteikollegen Ernst Leuenberger antrat; er sieht sich aber den Nationalräten Kurt Fluri (FDP), Pirmin Bischof (CVP) und Walter Wobmann (SVP) gegenüber.
In Schaffhausen kämpfen mindestens die FDP, SP und die kantonale Oekoliberale Partei mit je einem Kandidaten für die Nachfolge von Peter Briner, derweil der bisherige SVP, Hannes Germann ungefährdet erscheint.
Wenig strukturiert sind die Nachfolgediskussionen im Tessin, wo Dick Marty (FDP) zu ersetzen ist, resp. in Uri, wo es um die Nachfolge von CVP-Ständerat Hansheiri Inderkum geht.
Die Nicht-Nomination von Ständerat Maximilian Reimann durch seine SVP hat im Aargau einen eigentlichen Run auf beide Sitze ausgelöst. Es stellen sich die bisherige Christine Egerszegi von der FDP, neu die NationalrätInnen Pascale Bruderer (SP) und Geri Müller (GPS), sowie der kantonale Präsident der Gewerbeverbandes, Kurt Schmid von der CVP. Zudem stehen Bewerbungen von GLP und EVP an.

Kantone mit umstrittenen Wahlen auch ohne Rücktritt
Grossaufgebote zeichnen sich auch in Zürich, Bern und der Waadt ab, obwohl es hier keine Rücktritte gibt. Felix Gutzwiller (FDP) und Verena Diener (GLP) werden in Zürich von alt Bundesrat Christoph Blocher (SVP) und wohl auch von einem SP-Schwergewicht gefordert werden. Eher als Parteikandidaturen sind die Nominationen von (Blogger) Balthasar Glättli (GPS) und Urs Hany (CVP) zu beurteilen.
Berns Bisherige sind Werner Luginbühl (BDP) und Adrian Amstutz, obwohl der erste von beiden für eine andere Partei gewählt wurde, und der zweite sein Amt noch gar nicht angetreten hat. Das macht alles etwas unsicher. Gefordert werden sie aller Voraussicht nach von SP, FDP, GPS, EVP und EDU. Im Gespräch sind die NationalrätInnen Evi Alemann (SP), Hans Stöckli (SP), Christian Wasserfallen (FDP) und Alec von Grafenried (GPS), letzter gilt als Herausforderer gesetzt.
In der Waadt dürfte es zu einem Angriff von rechts auf die rotgrüne Standesvertretung kommen. Géraldine Savary (SP) und Luc Recordon (GPS) treten mit dem Vorsprung der Bisherigen an, während Nationalrätin Isabelle Moret (FDP), die Nationalräte Guy Parmelin und Jean-Claude Mermoud (beide SVP) und ex-Postchef Claude Béglé (CVP) die Neuen sind.

Kantone ohne Rücktritt, mit beschränkt umstrittenen Wahlen
Beschränkt kontrovers sind, mindestens bis jetzt, die übrigen Ständeratswahlen im Wallis und Freiburg. Im Wallis bewerben sich die beiden Bisherigen CVP-Ständeräte, René Imoberdorf und Jean-René Fournier, erneut, müssen sich aber gegen Nationalratspräsident Jean-René Germanier (FDP) und Nationalrat Stéphane Rossini (SP) bewähren. Spekuliert wird hier auch, dass auch SVP-Nationalrat Oskar Freysinger ins Rennen steigt. Im Kanton Freiburg schliesslich fordert SVP-Nationalrat Jean-François Rime die bisherigen Urs Schwaller (CVP) und Alain Berset (SP) heraus.
Nicht ohne Ueberraschungspotenzial präsentiert sich die Ausgangslage in Basellandschaft. Claude Janiak (SP) ist der Favorit, muss aber SVP -Fraktionschef Caspar Baader erst noch schlagen. Möglich ist hier eine Kandidatur der früheren CVP-Regierungsrätin Elisabeth Schneider.
Bereits verpatzt haben die bürgerlichen Parteien den Kampagnestart, um die Sozialdemokratin Anita Fetz zu bezwingen. Nationalrat Stephan Frehner von der SVP, als Einheitskandidat präsentiert, sieht sich durch Daniel Stolz von der FDP herausgefordert und es mangelt ihm an Support aus den CVP-Reihen.
Noch kaum ein Thema waren die Ständeratswahlen insbesondere in Genf, das durch einen rotgrüne Deputation in Bern vertreten ist.

Zwischenbilanz
Bisher bekannt sind rund 70 valable Kandidaturen, ergänzt durch zirka 30 von eindeutigen AussenseiterInnen. Erwartet wird, dass die Zahl bis Ende der Meldezeit, die kantonal unterschiedlich ist, nochmals aussteigt. 2007 bewarben sich 130 Personen für einen Ständeratssitz – dem bisherigen Rekord.
Viel die Rede war in den Vorbereitungen der Ständeratswahlen von der SVP. Effektiv bleibt die Zahl Bewerbungen aber bisher zurück. Am meisten KandidatInnen stellt gegenwärtig die CVP mit 19, gefolgt von der FDP mit 16 PolitikerInnen. Sie haben auch am meisten zu verteidigen. Vor allem bei der CVP hat man den Eindruck, man versuche die lokalen Wahlkämpfe mit Bewerbungen darüber hinaus anzukurbeln.
Ueberschätzt wird damit die Bedeutung des SVP-Angriffs auf den Ständerat. Nebst dem Powertrio mit Brunner, Blocher und Baader nimmt sich die Phalanx der Herausforderer bisher recht dünn aus. Wichtiger als diese Entwicklung scheint mir der Trend zu sein, statt auf Regierungsmitglieder auf bewährte NationalrätInnen zu setzen. Auch das politisiert die Ständeratswahlen, und zwar ziemlich parteiübergreifend.
Nach den Berner Ersatzwahlen im Frühjahr 2011 erwartet man die Ständeratswahlen mit erhöhter Spannung. Die Ausmarchung zwischen SP, SVP und FDP zeigt, dass nur die besten Bewerbungen gut genug waren, das mediale Interesse überdurchschnittlich, die Kontroverse beträchtlich und die Mobilisierung überdurchschnittlich war. Schliesslich resultierte auch ein knappes Resultat.
Für Spannung ist gesorgt.

Claude Longchamp