Meine drei Bilder zu den Parlamentswahlen im Herbst

Jenseits von Zahlen über Parteistärken in Kanton, Umfragen und Wahlbörsen: Ich sehe drei Perspektiven, wie die Parlamentswahlen im Herbst ausgehen könnten.

Tagesschau vom 10.04.2011

Lange war es einfach, das Grundmuster Schweizer Parlamentswahlen vorherzusehen. Es dominierte die Polarisierung zwischen rechten und linken Parteien. 2007 stimmte das so nicht ganz: Es legten nur noch SVP und GP zu, während die SP verlor. Dafür gewan die CVP ein wenig, und mit der glp etablierte sich gar eine neue Partei in ihrem Umfeld.

Perspektive 1: Umgruppierung der Mitte

Das ist nach den Zürcher Wahlen die naheliegendste Perspektive: Die Polarisierung ist gestoppt; die Veränderungen finden im Zentrum statt. Rechte und linke Parteie wachsen nicht mehr, dafür haben neue Kräfte im Zentrum die grösste Chancen. Sie nehmen den traditionellen Parteien enttäuschte WählerInnen weg. Zu relevanten Effekten der Neumobilisierung kommt es nicht. Polarisierende Themen gibt es kaum, herausragende Kommunikatoren, die den Wahlkampf aufmischen würden, ebenfalls nicht. Es dominiert das Klein-Klein der Revialitäten an den Parteigrenzen. Die Medien verhalten sich insgesamt neutral; sie verstehen sich als Plattform für alle, vor allem für eingemittete Kräfte.

Perspektive 2: Verstärkung der Pole
Nationale Wahlen zeichnen sich, anders als kantonale durch Polarisierungen entlang von Streifragen ab. Sie lancieren den Wahlkampf, zwingen zu Stellungnahmen, die personalisiert kommuniziert werden. Medial kommt an, wer sich am klarsten positioniert und eine Alternative zum politischen Gegner formuliert. Stilmässig dominiert die Abgrenzung; es kommt zu verbreitetem negative campaigning. Das erschwert der Mitte das Leben, deren Parteien am äusseren Rand Wählende verlieren. Zudem nehmen in beschränktem Masse Neuwählende teil, welche ebenfalls die Pole verstärken. Diese müssen aber bei jeder Aktion damit rechnen, nicht nur sich zu mobilisieren, sondern auch die Gegenseite, sodass am Ende rechte und linke Parteien gewinnen, das Zentrum verliert.

Perspektive 3: Sieg der SVP

Das ist die einfachste Perspektive. Es gewinnt nur eine Partei, während sich die anderen halten oder verlieren. Hautpgrund: Nicht das Wechselwählen entscheidet, sondern die Mobilisierung ist massgeblich. Und auf die kann nur eine Partei relevant setzen; die SV. Denn nur sie hat sich jahrelang in der Mobilisierung geübt. Ihr geht es dabei gar nicht mehr um einen bestimmten politischen Gegner, sondern um die anderen, die das verhasste System repräsentieren. Vor Augen hat die Partei bisherige Nichtwählende auf der rechten Seite des Spektrums, Misstrauische, die eine Abkehr von der Konkordanz, eine Regierung unter Führung der SVP wollen. Die Partei setzt ganz auf eine erhöhte Beteiligung, die ihr nützt, wenn sie in ihrem Potenzial mehr wächst als in allen anderen. Die SVP setzt deshalb voll und ganz auf Identifikation mit Personen wie Christoph Blocher, und macht aus Ueli Maurer einen Bundesrat im Märtyrium.

Eine Prognose ist das nicht; jedoch zeichnen sich drei Szenarien ab, deren Eintretenswahrscheinlichkeit nun von Woche zu Woche analysiert werden kann. Die Implikationen auf die Parteistärken sind ja mitkommuniziert.

Claude Longchamp