Berner Ständeratswahlen: Niederönz ist überall

“Niederönz ist überall”, kann man nach den Berner Ständeratswahlen sagen. Denn in der Vorortsgemeinde von Herzogenbuchsee obsiegte Adrian Amstutz mit einer 1 Stimme über Ursula Wyss. Knapp war auch das Ergebnis auch im Kanton. Der neue Ständerat weiss 50,6 Prozent der Stimmenden hinter sich, der Unterlegenen fehlten 3600 Stimmen.

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Der neue Berner Ständerat, Adrian Amstutz, nimmt die Gratulation seiner Konkurrentin im zweiten Wahlgang, Ursula Wyss, entgegen.
Quelle: Bernerzeitung

Zunächst wird man festhalten können, dass die Wahlbeteiligung für Berner Wahlen hoch war: Beide Seiten haben auf Mobilisierung gesetzt, und es hat Wirkung gezeigt. Vor einem Jahr wurde der Regierungs- und Grossrat bei einem Teinahmewert von knapp 31 Prozent neu bestellt. Jetzt gingen 46 Prozent – die Hälfte mehr. Polarisierung, vermittelt durch anerkannte Persönlichkeiten, verstärkt durch zentralisierte Kommunikation bringen die Menschen zum Nachdenken und Handeln. Das lernte uns schon der Wahlkampf 2007, namentlich der der SVP. Und das wiederholte sich jetzt bei der Endausmarchung zu den Ersatzwahlen in den Ständerat im Kanton Bern exemplarisch.

Natürlich, vor drei Wochen war die Beteiligung mit gut 50 Prozent noch etwas höher. Doch damals unterstützen spannende nationale und kantonale Abstimmung die Teilnahme an den Entscheidungen. Wenn diesmal 5 Prozent weniger wählen gingen, heisst das wohl, dass ein Teil der Mitte, der sich weder für Amstutz noch für Wyss entscheiden wollte, zuhause blieb. Das macht vielleicht die Hälfte der politischen Mitte aus; mindestens die die Hälfte gab seine Stimme erneut ab. Wyss legte um 20000 Stimmen zu, Amstutz um 11000.

Zugelegt hat die Sozialdemokratin namentlich in den Zahlkreisen Bern-Mittelland, Biel/Bienne, Thun. Etwas aufgeholt hat sie aber auch im Berner Jura und im Seeland, während sie in Obersimmental-Saanen, Frutigen-Niedersimmental, Interlaken-Oberlhasli und dem Emmental praktisch chancenlos blieb. Diese Regionen bewegten sich eher Richtung Wahlsieger Amstutz.

Mit Adrian Amstutz hatte ein SVP-Ständeratskandidat der neuen Art Erfolg. Er politisiert auffällig, und weiss mit negative campaigning zu politisieren. Denn seine Botschaften gegen den EU-Beitritt und gegen die Abschaffung der Armee waren nicht nur SVP-Programm, sie zielten auch klar auf seine Konkurrentinnen. Das passt gut in die Strategie der Partei von Amstutz, welche 2011 ihre Untervertretung im Ständerat korrigieren möchte.

Mit dem knappen Ergebnis, aber auch mit seinem Profil in Bern wiederholte sich zudem das zwischenzeitlich gut bekannte Konfliktmuster im Kanton Bern: Die beiden Agglomeration Bern und Biel stimmen genauso wie der französischsprache Kantonsteil mehrheitlich links, der übrigen Kanton rechts. Die Spaltung geht durch kleinere Agglomerationen wie die von Thun oder Spiez, von Langenthal oder Burgdorf, wo das mehrheitlich Umland konservativ ist, die Zentren progressiv.

Dazu passt, dass Niederönz, die Agglomerationsgemeinde vor Herzogenbuchsee mit 50,1 Prozent für Adrian Amstutz wählte, und den konservativen Oberländer neben Werner Luginbühl von der BDP zum neuen Berner Ständerat empfahl.

Claude Longchamp