Die Nationalisierung von Ständeratswahlkämpfen

Schweizer Wahlen finden in den Kantonen statt. Das war mal. Denn nach den Wahlen in die grosse Kammer werden jetzt auch jene in die kleine nationalisiert.

svp_BM_Bayern_NAEF_1119433pToni Brunner verordnet der SVP einen koordinierten Auftritt bei den Ständeratswahlen 2011

Lange war das der common sense unter den Parteistrategen in der Schweiz: Nationale Wahlen sind die hohe Zeit der Kantonalparteien. Sie nominieren die KandidatInnen für den National- und den Ständerat. Sie bereiten die Kampagnen vor. Und sie betreuen die KandidatInnen während des Wahlkampfes. Gesamtschweizerischen Parteisekretariate bildeten weit entfernt vom Ort des Geschehens eine Art Dach, das man kam wahrnahm, allenfalls technische Hilfe leistete.

Wahlforscher wie der Genfer Pascal Sciarini sprechen schon länger von der Nationalisierung der Parteien und der Wahlkämpfe, insbesondere jene für die Volkskammer. Die Parteien, die Logos, die Plakate, die Inserate wurde in einem ersten Schritt vereinheitlicht. In einem zweiten fliessen immer mehr gemeinsam bestimmte Themen und Positionen von Carouge bis Rorschach in die Parteikampagnen ein.

Darin führend ist einmal mehr die SVP. Der Namen ist zur Marke mit Image geworden, der einem unverfälscht Personen als Stellvertreter und Werte als Weltanschauung vermittelt. Vom Wallis bis nach Schaffhausen. Getrieben wird das von der Zentrale aus – im Parteipräsidium und Generalsekretariat, die auf die Einheitlichkeit achten und Abweichungen kaum tolerieren.

Was politisch für Irritationen sorgen kann, hat für die Kommunikation Vorteile. Man kann so im besten Fall nationale Themen lancieren, im schlechteren Fall mindestens solche für die ganze deutschsprachige Schweiz. Man kann sie einheitlich kommunizieren, ihnen die erwünschte Dramaturgie geben, während die Kantone für die Umsetzung im Lokalen zuständig sind. Die Nationalratswahlen 2007 waren typisch hierfür; die Harmos-Abstimmungen ab 2008 ebenfalls.

Nun sind die Ständeratswahlen an der Reihe. Wiederum geht die Initiative von der SVP aus, wie diese Woche sichtbar wurde. Via Tages-Anzeiger lancierte Toni Brunner seine Idee, den Ständerat als Bastion des bürgerlichen Zentrums anzugreifen. Damit attackiert die schweizerische SVP nicht nur die weit übervertretene CVP an; sie zielt auch auf das letzte Refugium der traditionell-föderalistischen Parteistrukturen in der Schweiz.

Sicher, die Reaktionen diese Woche waren gemischt. In St. Gallen erhofft man sich mit der Rückendeckung aus Bern mit neuen Ressourcen für den Wahlkampf im Herbst und ist man zuversichtlich. In Baselstadt winkte der Kantonalpräsident schon einen Tag nach der Lancierung der Idee via Basler Zeitung andertags ab; eine Kandidatur der SVP bei den Ständeratswahlen sei aussichtslos. Christoph Blocher wiederum dementierte nicht, nach 1987 ein zweites Mal für den Ständerat im Kanton Zürich kandideren zu wollen, während Fraktionschef Caspar Baader als denkbares Gegenstück im Baselbiet auffällig nicht sagt.

Doch das sind nicht mehr als unterschiedliche Symptome in einem generellen, zeittypischen Wandels: Immer mehr stehen Personen für Parteien. Bei den nationalen ParteipräsidentInnen ist das selbstredend; wegen ihrer klarer Aufgabe sind sie aber nur beschränkt als Stimmfänger tauglich. So braucht es immer mehr Medienstars wie BundesrätInnen, die diesen Part mitübernehmen. Und es sind immer mehr StänderätInnen gefragt, die sich in nationale Parteikampagnen einspannen lassen. Denn die Erfahrung zeigt: Ständeratswahlen können zu einem substanziellen Teil der Gesamtmobilisierung einer Partei werden – für die Medienkampagnen wie für die WählerInnen-Kampagnen. Auch wenn eine Kandidat oder eine Kandidatin nicht direkt gewählt wird; der Partei kann er oder sie dienen und ihrer koordinierten Profilierung ebenso.

Die SVP geht auch hier voran und fordert damit vor allem die stark kantonal ausgerichtete CVP heraus. Selbst wenn es diesmal nicht zu einem flächendeckenden Erfolg kommen dürfte – der Trend zur Nationalisierung von Ständeratswahlen im Sinne der Parteiwahlen ist lanciert.

Claude Longchamp