Partij voor de Vrijheid als Partei neuen Typs

Die hier bereits einmal aufgeworfene Frage, ob mit islamfeindlichen Positionen eine neue Konfliktlinie in den europäischen Parteiensystemen entsteht, war Gegenstand einer Diskussion in meiner heutigen Vorlesung zur Wahlforschung. In den gegebenen Antworten überwog die Skepsis, wenn auch die niederländische PVV als Partei neuen Typs verstanden werden kann.

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Positionierung der PVV 2010 gemäss dem niederländischen Politikwissenschafter André Krouwel, für den die PVV 2010 konservativ ist. Der jüngste Berichte zu den Entwicklungen des niederländischen Parteiensystems bezeichnet die PVV etwas komplexer als neue radikale Rechte mit einer nationaldemokratischen Ideologie, aber ohne rechtsextreme Wurzeln.

Es war eine Woche, in der sich Vieles um Geert Wilders drehte: Zuerst sprach er vor Getreuen in Berlin. Dann gaben die niederländischen Konservativen grünes Licht für eine Minderheitsregierung mit den Rechtsliberalen, die sich nur mit Duldung Wilders Partei für die Freiheit an der Macht halten kann. Schliesslich musste sich Wilders wegen mutmasslicher Hetze gegen den Islam vor Gericht verantworten, ohne dass schon ein Urteil gefällt worden wäre.

Um sinnvollerweise von einer (neuen) Konfliktlinie im Parteiensystem eines Landes sprechen zu können, definierte der Florenzer Politikwissenschafter Stefano Bartolini drei Kriterien:

. Es braucht eine tiefgreifende Spaltung in der Gesellschaft.
. Auf dieser aufbauend müssen neue kollektive Identitäten entstehen.
. Diese müssen durch neue parteiähnliche Organisationen verfestigt werden.

Erstes ist gegenwärtig offensichtlich vielerorts vorhanden. Namentlich die Globalisierung hat soziologisch bestimmbare Gewinner und Verlierer hervorgebracht, die seit einiger Zeit gesellschaftliche Spannungen hervorbringen. Zu den zentralen Punkten des BürgerInnen-Alltag gehört insbesondere die Migration und die Durchmischung von Kulturen. Dazu gehört an verschiedenen Orten eine Anwachsen der Islamfeindlichkeit. Ob daraus auch verbreitet neue kollektive Identitäten entstehen, kann indessen beizweifelt werden. Damit verringert sich die Chance, dass politische Organisationen diese zur Basis einer Partei machen könnten.

Es ist aber auch möglich, die PVV ganz anders, nämlich als eine Partei neuen Typs zu analysieren. Sie hat nun ein Mitglied, ihren Gründer Geert Wilders. Alle anderen Aktivisten sind Supporter. Deshalb versucht man auch, die Partei im Sinne des politischen Entrepreneurships zu interpretieren. Sie begann als parlamentarische Gruppe, die rechtskonservativ politisierte, wird unverändert als rechtspopulistisch, positionsmässig neuerdings aber als konservativ eingestuft. Sie konzentriert sich auf die Islamfrage, hat hierzu eine offene Basis, lebt von der Behandlung in den Medien und hat kaum Parteistrukturen, die einen demokratischen Willensbildungsprozess strukturieren würden, entwickelt. Eine Herleitung aufgrund sozialstruktureller Bedingungen versagt damit weitgehend.

So kann man auch folgende Hypothese wagen: Die PVV nimmt gerade deshalb erfolgreich an Wahlen teil, weil sie konsequent auf die Kommunikation eines Themas mittels eines Kommunikators setzt, der sich wie ein Politunternehmer verhält. Das ist für die Politik in der Mediengesellschaft wohl typisch.

Claude Longchamp