Das neue Telefonbuch der Schweizer Volksabstimmungen

Obwohl das Buch finanziell von Swisslos unterstützt wurde, hat es die Absicht, das Gegenteil einer Lotterie zu befördern: Denn das neue “Handbuch der eidgenössischen Volksabstimmungen 1848-2007” ist die bisher kompletteste, systematische Uebersicht über Volksabstimmungen im Musterland der direkten Demokratie und dürfte innert Kürze bei allen SpezialistInnen zum unentbehrlichsten Nachschlagewerk avancieren.

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Seit einiger Zeit hat man mit Swissvotes online eine ausgesprochen nützliche Datenquelle über Schweizer Volksabstimmungen zur Verfügung. Nun haben Wolf Linder, Christian Bolliger und Yvan Rielle, unterstützt von Roswitha Dubach, Manuel Graf und Brigitte Menzi weiter recherchiert und das erste Handbuch zu den Schweizer Volksabstimmung herausgegeben, das schon aufgrund der Informationsmenge beeindruckt.

Denn jede der 529 Volksabstimmungen, die in der Schweiz auf Bundesebene zwischen dem 6. Juni 1848 über die Bundesverfassung und dem 17. Juni 2007 über die 5. IV-Revision stattgefunden haben, wurde von den ForscherInnen nach einem einheitlichen Raster dokumentiert. So findet man zwischen zwei Buchdeckeln, die gut 750 Seiten umrahmen, je ein Kurzporträt der Volksentscheidungen, welche

. die Vorgeschichte
. den Gegenstand
. den Abstimmungskampf und
. das Ergebnis behandeln.

Zudem werden in einer Info die wichtigsten Kennziffern mitgeliefert, die einen Anschluss an die bisherige, amtliche Abstimmungsstatitik liefern. Ferner werden alle verwendeten Materialien vom Bundesblatt über Zeitungen und bisheriger wissenschaftlicher Literatur rubriziert.

Als Erstes kann man für die erstaunliche Fleissarbeit nur danken. Denn jede(r), der oder die sich fast täglich mit Abstimmungen beschäftigt und sich aus aktuellen Anlässen Fragen stellt wie das bei vergleichbaren Themen, Ausgangslagen, Abstimmungskämpfen früher einmal war, kennt das Problem: Die eigene Erinnerung bleibt auch beim besten Willen selektiv, die Rückschauen der Engagierten und Betroffenen sind bisweilen einseitig, und die Wissenschaft hat sich bisher mehr unter einzelnen Fragestellungen, kaum jedoch unter einer systematischen Gesamtsicht mit vergangenen Volksabstimmungen beschäftigt.

Als Zweites kann man auch ein wenig Stolz sein: Zwar sind seit 1980 die Dokumentationen, Datenbanken und Uebersicht über Schweizer Volksabstimmungen besser geworden, doch der Zeitraum, der damit bestrichen wird, bleibt noch lang eng – vor allem angesichts des weltweit einmaligen Reichtums an Abstimmungsentscheidungen, – themen und -konstellationen, den man in der Schweiz ausschöpfen kann. Und genau diese Möglichkeiten sind uns nun, nach Swissvotes, sogar in einer verbesserten Form eröffnet worden.

Klar ist eines: So wenig man Telefonbücher von A-Z liesst, weil sie spannend wären, so unverzichtbar sind sie – in der papierernen oder elektronischen Form, wenn man umfassend miteinander kommunizieren will. Und genau das dürfte auch mit diesem Buch geschehen, wenn man in Geschichts-, Politik- und Staatswissenschaften, aber auch in Redaktionsräumen, Amtsstuben oder Studienarbeitsplätze ab heute über Volksabstimmungen in der Schweiz sprechen will. Nur besteht es nicht nur aus Zahlen, sondern aus dem Geschehenen.

Claude Longchamp