Was die GLP (im Kanton Zürich) auszeichnet

Dank einer systematischen Auswertung von smartvote-Daten sieht man klarer, wo die Schwerpunkte der GLP-Kandidat:innen im Kanton Zürich und wer die Moderaten resp. die Partei-Flügel sind.

Multipel sind die Vorwürfe, man wisse nicht so recht, wo die noch junge Partei stehe, und für resp. gegen war sie sei. Smartvote gibt darauf eine rechte umfassende Antwort, was das Bild schärft.
109 Personen, die 2023 für die GLP ins Kantonsparlament gewählt werden wollen, haben den bekannten Fragebogen ausgefüllt und die Ergebnisse auf der Website des Tools freigestellt. Ich habe sie bei aller Vielfalt anhand zweier Kriterien typisiert: Von einer hohen Bedeutung eines Themenbereichs spreche ich bei Personen mit einem smartvote-Wert von 75/100. Tiefe Bedeutung resultiert, wer einen Score von unter 25/100 aufweist.


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Die Ergebnisse sind relevan.Zürich ist die stärkste Kantonalpartei der GLP. Und der Kanton wählt im Superwahljahr mit eidg. Wahlen. Trends in Zürich, finden sich häufig auch national.

Hauptergebnisse einzeln
Zuerst fällt auf, dass das Spektrum an klaren Positionen gross ist. So könnte Nina Patrizia Maute mit ihren smartvote-Profil problemlos für eine rotgrüne Partei kandidieren. Und Niklas Rapold fände sich mit seinem mitten in der FDP wieder. Die Breite ist grösser als bei den meisten Parteien. Begründen kann man es mit der Zentrumsposition der GLP.
Die erstmalige Auswertung zeigt allerdings ebenso deutlich, dass vorschnelle Generalisierungen nicht angebracht sind. Vier Schwerpunkte werden mehrheitlich geteilt:

Da ist zuerst die hohe Priorität für eine offene Aussenpolitik. 107 der 109 ausgewerteten Kandidat:innen haben hier einen Wert von 75/100 und mehr. Das macht sie zu einer klar positionierten Partei der Aussenpolitik.
Für 104 Bewerber:innen hat auch der ausgebaute Umweltschutz eine gleich hohe Bedeutung. Die GLP ist, wenig überraschend auch eine Partei des Umweltschutzes.
Drei Viertel sind der Meinung, die Schweiz brauche eine auch klar liberale Gesellschaftspolitik.
Gut die Hälfte ist zudem der Auffassung, eine restriktive Migrationspolitik, wie sie etwa die SVP fordert, sei deutlich abzulehnen.

Das macht klar, dass die GLP-Aktiven längst nicht mehr auf einen Programmpunkt reduziert werden können. Zwar ist die klare Betonung des Umweltschutzes für fast alleaktiven eines der Hauptmerkmale geblieben. Doch soll das europäisch oder global ausgerichtet, in einer liberalen Gesellschaft geschehen und ohne Exklusionen geschehen funktionieren.
Jenseits der Schwerpunkte gibt es bei den GLP-Kandidat:innen auch minderheitliche Akzentsetzungen: Ein Drittel findet, auch Sicherheitsvorstellungen, wie sie von rechts vorgebracht werden, seien nicht nötig. Ein knappes Fünftel ist zudem der Meinung, dass es einen Ausbau (nicht Umbau) des Sozialstaates brauche.



Vier verschiedene Akzentsetzungen: Chantal Galladé, Sanja Ameti, Nicolas Forster und Benno Scherrer
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Der Mainstream, die Moderaten und die Flügel
Der mainstream der GLP teilt heute die drei hohen Prioritäten offene Aussenpolitik, ausgebauter Umweltschutz und eine liberale Gesellschaftsordnung. Kombiniert wird diese mit der Ablehnung einer restriktiven Migrations- oder Sicherheitspolitik oder beidem.
Ein weiteres Fünftel ist ähnlich ausgerichtet, aber moderater. Es findet, einen Schwerpunkt bei einer liberalen Gesellschaft sei nicht prioritär, genau so wie die Frontstellungen gegen rechtskonservative Forderungen.
Eigentliche Flügel gibt, sie machen aber zusammen nur einen Fünftel aus: 17 befürworten einen ausgebauten Sozialstaat und einige von ihnen halten zudem eine restriktive Finanzpolitik für überflüssig. Sie bilden den linken Partei-Flügel. Der rechte Pol umfasst nur gerade vier Personen. Ausser der offenen Aussenpolitik betonen sie keine weiteren Positionen. Selten finden sie auch, Finanzpolitik wie sie etwa die FDP betreibt, sei genau das Richtige.

Wo die Parteiprominenz steht
Die Parteiprominenz ist findet sich weitgehend im Zentrum der Partei. Co-Präsident Nicolas Forster, Generalsekretärin Julie Cantalou und Operation Libero-Präsidentin Sanja Ameti setzen die gleichen Prioritäten wie die meisten. Chantal Galladé ist bunter und geht noch etwas weiter, indem sie auch einen ausgebauten Sozialstaat hoch rangiert. Das sieht der moderate Regierungsratskandidat Benno Scherrer diametral anders. Für ihn haben ausgebaute Sozialpolitik und auch liberale Gesellschaftspolitik keine hohe Bedeutung.

Gratwanderung mit eigenen Schwerpunkten
Vorwürfe von links und rechts an die Adresse der GLP treffen die Eigenheit der Partei heute nicht. Die grosse Mehrheit ihrer Kandidierenden im Kanton Zürich sind weder eindeutig links noch rechts. Die teilen breite akzeptierte Prioritäten zu Umweltfragen, aber auch zur Aussen- und Gesellschaftspolitik. Die machen Avancen an das linke Spektrum, aber auch an das liberale. Das zeichnet die Gratwanderung der Partei aus. Und das ist für die Ansprache von Wählenden ausserhalb der Stammwählerschaft wichtig.
Jenseits der Schwerpunkte und der Reizthemen gibt es auch eine breite Partei-Mitte, die gerade in Wirtschafts- und Finanzfragen im parlamentarischen Prozess verhandlungsbereit sein dürfte.

So stimmen die Parteien im Nationalrat

Die Polarisierung im Nationalrat schwankt je nach Themengebiet zwischen hoch und sehr hoch. Die Ratings von Smartmonitor zeigen, dass die SVP und rotgrün die Pole bilden, und die Mitte der Brückenbauer ist. Doch haben FDP, GLP und EVP je eigene Positionen, die zur themenspezifischen Mehrheitsbildung beitragen.

Positionen der Parteien im Nationalrat je Themengebiet

O bedeutet immer, dass eine Partei für den rechten Pol stimmt, 100 für den linken.
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Das neue Datenmaterial
Smartmonitor erstellt seit einiger Zeit themenspezifische Ratings. Basis dafür sind die Namensabstimmungen im Nationalrat, aufgeteilt in acht Dimensionen, die man auch aus Smartvote kennt. Ausgewiesen werden alle Parteien mit mindestens drei VolksvertreterInnen, sprich die SVP, SP, FDP, Mitte, Grünen, GLP und EVP.
Ich habe die Daten von smartvote aufgearbeitet und neu dargestellt. Ziel ist es, das Profil der Parteien nach Themen zu sehen, so wie es sich im Nationalrat zeigt,
Was genau rechts resp. links ist, bleibt vorerst etwas offen. Klar ist nur, dass es einen rechten und einen linken Pol gibt.
Der «rechte» Pol bedeutet: kein ausgebauter Sozialstaat, kein ausgebauter Umweltschutz, keine liberale Gesellschaftsordnung, keine offene Aussenpolitik, liberale Wirtschaftsordnung, restriktive Finanzpolitik, restriktive Sicherheitspolitik und restriktive Migrationspolitik. Am «linken» Pol ist alles umgekehrt,

Die Positionen nach Politikbereichen
Ausser in Wirtschaftsfragen bildet die SVP stets den «rechten» Pol. Das ist nicht überraschend, zeigt aber, dass die Aggregation der Dimensionen plausibel ist. Bei der liberalen Wirtschaftsordnung wird die SVP durch die FDP abgelöst. Auch das macht Sinn.
Die FDP hat im Nationalrat ein Profil, das je nach Dimension verschieden ausfällt. Mit dem rechten Pol stimmt sie, wenn es nebst der Wirtschaft und den Sozialstaat geht. Links der Mitte positioniert ist ie in der Aussenpolitik, beschränkt auch in der Migrationspolitik. Alles andere ist entspricht wie erwartet Mitte-Rechts.
Noch einmal anders ist das Profil der Mitte-Partei. Sie stimmt durchwegs eingemittet. Zum linken Pol neigt sie in der Aussen- und beschränkt in der Migrationspolitik, zum rechten in der Sicherheitspolitik.
Die EVP, die hier separat ausgewiesen wird, stimmt beim ausgebauten Umweltschutz, der Wirtschafts- und Finanzpolitik im Nationalrat mit links. Mit rechts politisiert sie in der Sicherheits-, der Sozial- und Gesellschaftspolitik.
Auch die GLP hat ein eigenständiges Profil. Mit rechts steht sie in der bei der liberalen Wirtschaftsordnung und der restriktiven Sozialpolitik. Mit links ist sie dagegen in der Umwelt- und Aussenpolitik, tendenziell auch in Migrationsfragen. In der Aussenpolitik ist sie das Gegenstück zur SVP.
Rotgrün bildet ausser in der Aussenpolitik gemeinsam den Gegenpol zur SVP. Beide Parteien haben durchaus ein vergleichbares Profil. Nur in Finanzfragen sind die Grünen etwas weniger links, dafür in Wirtschaftsfragen.

Die Polarisierung schwankt zwischen hoch und sehr hoch
Die neue Auswertung zeigt darüber hinaus, dass die Migrations- und Sozialpolitik am polarisiertesten sind. Da sind die Unterschiede zwischen dem rechten und linken Pol besonders eklatant. Das Gegenteil findet sich in Gesellschaftsfragen, ebenso in der Aussenpolitik. Da liegen die entgegen gesetzten Position etwas weniger auseinander.
In Wirtschaftsfragen sind die Positionen der Parteien im Nationalrat beinahe bipolar, denn die GLP tendiert nach rechts, die EVP nach links. Ein Zentrum gibt es da nicht. Beim Ausbau des Umweltschutzes ist die Polarisierung zwischen den bürgerlichen und den übrigen Parteien weitgehend perfekt.
Weitgehend isoliert ist die SVP, wenn es um Fragen der aussenpolitischen Oeffnung. Sie hat hier alleine eine klar andere Position als alle anderen Parteien. Tendenziell gilt dies auch für die restriktiven Migrationspolitik.
Isoliert ist die Position von rotgrün bei Fragen des ausgebauten Sozialstaates geht. Verteilt sind die Positionen in Gesellschaftsfragen, tendenziell auch in Finanz- und Sicherheitsfragen.

Erste Bilanz
Einiges konnte man erahnen. Dank der neuen Uebersicht an Ratings hat man nun auch eine erste gesicherte Datengrundlage. Sie sollte für Einschätzungen der Polarisierung im Parlament vermehrt beigezogen werden.

Originaldatei hier.

GLP vor erneutem Wahlsieg im Kanton Zürich

Nun liegt auch die erste Umfrage zu den Kantonsratswahlen 2023 in Zürich vor. Sie sieht die GLP als Gewinnerin. Generell kann man von einem wieder stabilisierten Parteiensystem im Kanton Zürich sprechen.


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Wie gestern berichtet hat das Forschungsinstitut gfs.bern für die NZZ Zürich die Wahlabsichten im Kanton Zürich erhoben. Die Umfrage selber basiert auf 2500 Personen aus dem Kanton Zürich, die zwischen dem 24. November und 8. Dezember online mitgemacht haben. Der Stichprobenfehler beträgt +/-1.9%Punkte

Gewinne und Verluste
Bei den Kantonsratswahlen vom 12. Februar 2023 dürfte die GLP am ehesten im Plus liegen. Diese gilt möglicherweise auch für die Mitte, die FDP und die AL.
Im Minus dürfte die SP sein, ebenso die SVP und die Grünen. Praktisch stabil könnten EDU und EVP abschneiden.
Die SVP bleibt die grösste Partei. Die Reihenfolge dahinter ändert mit SP, FDP, GLP und Grüne nicht. An die sechste Stelle schiebt sich in der Umfrage die Mitte, neu vor EVP und EDU. Hauptgrund ist aber die Fusion.


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Gestärktes Zentrum
Bildet man Lager, legt gemäss Umfrage das Zentrum (GLP, EVP) 1.2 Prozentpunkte zu. Rotgrün (SP, Grüne, AL) verliert gleich viel. Stabil sind die bürgerlichen Parteien (SVP, FDP, Mitte, EDU).
Die grüne Welle, die 2019 das Wahlergebnis prägt, verschwindet nicht, läuft aber aus. Damals gewannen GLPS und Grüne 10 Prozentpunkte hinzu. Diesmal ist es weniger als 1 Prozentpunkt. Konkret bedeutet dies, dass die Klimaallianz wohl mehrheitsfähig bleibt.
Nicht verschwunden ist auch die Polarisierung. Aber auch sie stagniert, denn sowohl SVP, SP wie Grüne verbessern sich nicht. Vielmehr geschieht das Entscheidende im Zentrum und nahe davon. Diese wird gemäss Umfrage gestärkt.
Das legt die folgenden Wechselbilanzen nahe: SP und Grüne verlieren an die GLP. Die FDP und Mitte wachsen zu Lasten der SVP.

Neue Stabilität
Selbstredend sind das alles Umfrage-Ergebnisse, die zudem in der Startphase des Wahlkampfes verhoben worden sind. Das kann sich im Detail noch ändern.
Es spricht – in Uebereinstimmung mit den beiden aktuellen nationalen Umfragen – für ein Parteiensystem, das auch im Kanton Zürich wieder stabiler wird. Stellt man auf die sechs grössten Parteien ab, liegt der Volatilitätsindex aktuell bei 5.4 Punkten. Bei den Wahlen 2019 im Kanton Zürich betrug er bei 19.2 Punkten. Das war fast viermal mehr.
Normalisierung mit einem weiteren Akzent bei der GLP ist denn auch das vorläufige Fazit lauten.

Claude Longchamp

Quelle: NZZ, 21. Dezember 2022

Regierungsratswahlen Kanton Zürich: Bisherige vorne, Neue teils mit Potenzial

Heute ist die erste Umfrage zu den Regierungsratswahlen 2023 im Kanton Zürich erschienen. Zusammengefasst folgen die Wahlabsichten der «Bisherigen»-Regel. Die Neuen haben teils Potenzial, weil noch zu wenig bekannt sind.

Publiziert hat die erste Umfrage die NZZ Zürich. Erstellt wurde sie vom Forschungsinstitut gfs.bern.


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Was die Wahlchancen betrifft
Sie zeigt: Wer schon im Regierungsrat ist, hat einen Vorteil. Bisherige können auf Bekanntheit und Leistungsausweise setzen. Selbst bei Skandalisierungen ist das ein recht sicheres Polster.
Danach ist die Stärke der Hausmacht entscheidend, sei es durch die eigene Partei oder das eigene Lager. Das bevorteilt vor allem die SVP-Regierungsrät:nnen.
Eine Ausnahme bildet Mario Fehr. Er vollendet bald seine dritte Amtsperiode, ist aus seiner Partei, der SP, ausgetreten und keineswegs amtsmüde. Er erzielt in der Umfrage das beste Ergebnis, genauso wie 2011 bei der Wahl.
Die Neuen liegen vorerst zurück. Ihr Rückstand beträgt 7 (Seiler), 8 (Grünenfelder) bis 15 (Scherrer) Prozentpunkte auf Silvia Steiner, der letztplazierten Bisherigen.

Wer wo Stimmen macht
Generell gilt, dass alle im Prinzip bei der eigenen Partei am häufigsten Stimmen bekommen. Es folgt jeweils das eigene Lager, allenfalls auch Parteien des Zentrums. Da machen die Bewerber:innen in der Regel die Mehrheit der Stimmen. Das ist beim gegenüberliegenden Lager nicht oder nur ausnahmsweise der Fall.
Der Parteilose Mario Fehr wird anteilsmässig am häufigsten von Mitte-Wählenden aufgeschrieben, ebenso von den bürgerlich Wählenden und jener der EVP, nicht aber vom rotgrünen Lager. Bei der SP kommt er auf 44 Prozent.

Was bei den Herausforderer:innen anders ist
Priska Seiler Graf findet im rotgrünen Lager eine mehrheitliche Unterstützung, wird aber im Zentrum und rechts davon nur minderheitlich getragen. Sie ist bekannt und polarisiert selbst im Zentrum. Das erschwert ein Wachstum im Wahlkampf.
Peter Grünenfelder hat bei der eigenen FDP (und etwas überraschend bei der EDU) eine Mehrheit, allerdings nirgends sonst. Verbessern könnte er sich am ehesten mit weiteren Stimmen aus der SVP.
Recht isoliert erscheint Benno Scherrer, der bei der GLP mehrheitlich gewählt würde, bei allen anderen Parteiwählenden aber nur minderheitlich. Das gilt sowohl nach links wie auch nach rechts.

Was sich bis am 12. Februar 2023 noch ändern kann
Namentlich Grünenfelder und Scherrer haben erhebliche Anteile, die wählen wollen, sie aber nicht kennen. Auch wenn der Vorsprung der Bisherigen gross ist, liegt noch etwas Bewegung drin.

Was die Person, was die Partei ausmacht
Die Umfrage zeigt auch, dass im Kanton Zürich am häufigsten auf die Partei geachtet wird, dann auf die damit verbundenen Positionen der Bewerber:innen. Persönlichkeit, Vertrauen und Leistungsausweis folgt danach. Das hat nicht zuletzt mit der polarisierten Wählerschaft zu tun, die in erheblichem Masse weltanschaulich entscheidet.

Mein Berner Angebot als Stadtwanderer

“Bern erkunden”, ist das Motto meiner Stadtführungen. Sie wollen die Augen öffnen, für das was man gerne übersieht.


Nie mehr kopflos durch Bern gehen!
Skulptur: Luciano Andreani

Das Prinzip ist einfach: Jede Führung hat ein Thema, das an 6-10 Stationen in der Stadt durchdekliniert wird. Die ausgewählten Orte stehe stets für eine Geschichte. Zusammen ergeben die Geschichte wieder eine Geschichte, meist der zeitlichen Entwicklung des Themas folgt.
Grundsätzlich führe ich nur Wanderungen für Gruppen durch. 8-16 Personen sind ideal. Kontaktnahme wie Twitter DM am besten.
Gelegentlich gibt es auch offene Führungen, die ich hier ankündige.
2023 biete ich in Bern acht verschiedenen Wanderung an. Zwei davon sind ganz neu, sechs schon bekannter.

Lobbying-Wanderung: in den Vorhöfen der Macht
LobbyistInnen sind nicht mehr draussen, aber auch nicht ganz drinnen. Sie sind ein Bindeglied zwischen Zivilgesellschaft und Staat. Und sie werden immer mehr. Ich zeige, wie sie auf Parlament, Regierung und Verwaltung Einfluss nehmen, wie sie sich in ausserparlamentarischen Kommissionen einnisten, Clubs für informelle Treffen gründen und für die Grünen genauso wie für Economiesuisse arbeiten und ich stelle die Frage, ob so auch in der Schweiz in den USA der 1970er Jahre diagnostizierte Power Elite entsteht.
Zeitbedarf: 2 Stunden
Start: Hotel Bellevue
Ende: Geheimplatz
Charakter: Aktualität

neu!
Konkordanzdemokratie: War das politische System der Schweiz so anders funktioniert

Diese Stadtwanderung richtet sich insbesondere an Interessierte aus dem Ausland, die keine Erfahrungen haben mit einer Konkordanzdemokratie. Erklärt werden der Begriff, woran man die schweizerische Form der Demokratie wie Kollegialregierung, Volksabstimmungen, Föderalismus, Frauenvertretung in Regierungen und fehlendes Staatspräsidium erkennt. Konkordanzdemokratie werden gewürdigt, aber auch kritisiert, dass sie nur unvollständig funktionieren, vielsprachigen Ländern wie der Schweiz aber besonders dienlich sind.
Zeitbedarf 1,5 Stunden
Start: Politforum Bern
Ende: Reitschule
Charakter: Zeitgeschichte, Aktualität
Beginn: März 2023

Ochsentour: Unser Verfassungsvater Ochsenbein
Er war Regierungspräsident von Bern. Er war Präsident der Verfassungskommission der Tagsatzung. Er war 1848 erster Bern Bundesrat. Und er war sechs Jahre danach erster abgewählter Bundesrat. Ueli Ochsenbein ist heute kaum mehr ein Begriff, obwohl er der Verfassungsvater des Bundesstaats war. Ich hole ihn mit seiner Geschichte in die Gegenwart zurück, zeige, wo unser Grundgesetz beriet, wo er sich für das Bundesstaatsmodell lobbyierte, wo gewählt wurde und wo er regierte. Die Wanderung ist mehr als nur eine Biografie. Sie zeigt die Stunde Null des Bundesstaats.
Zeitbedarf 1,5 Stunden
Start: Heiliggeistkirche
Ende: Erlacherhof
Charakter: Geschichte, mit Ausflügen im die Aktualität

Demokratie-Wanderung: Aristokratien demokratisieren
Bern war im 18. Jahrhundert eine Patrizierstadt, paternalistisch regiert, wenn man gehorchte mit dem Schwert bestraft, wenn man protestierte. Dem setzten die revolutionäre Franzosen und die Demokratie ein jähes Ende. Zur schrittweisen Demokratisierung trugen in der Folge liberale, demokratische und sozialen Bewegungen bei. Ihre neue Rolle fand Bern als Bundesstadt, dem unbestrittenen Politzentrum der Schweiz mit Regierungsviertel und Bundesplatz als Schaubühne für allerlei Opposition im Land.
Zeitbedarf: 1,75 Stunden
Start: Kreuzgassbrunnen /Altstadt
Ende: Bundesplatz
Charakter: Geschichte, mit Ausflüge in die Aktualität

Jugend&Politik-Wanderung: Jugendstile über die Zeit
1513 stürmten die Jungs aus Köniz die Stadt Bern. Die Klimastreikbewegung ist dagegen vergleichsweise harmlos gewesen. Ich zeige, wo das Jugendparlament im Ancien Regime, die Restaurants der Studentverbindungen, die Debattier-Keller der Non-KonformistInnen und die Buchhandlungen der 68er waren. Klar gemacht wird, wie Jugend als soziologische Phänomen mit dem Jugendstil Ende des 19. Jahrhunderts entsteht und seit dem 20. Jahrhundert (auch von mir) wissenschaftlich untersucht wird.
Zeitbedarf_ 2 Stunden
Start: Zytglogge Turm
Ende: Generationenhaus
Charakter: Geschichte, mit Ausflügen in die Aktualität

neu!
Beizen-Tour: Weinkeller, Restaurants und Kulturzentren

Gaststätten gibt es seit dem Mittelalter in Bern. Doch lassen sich drei Phasen unterscheiden: die Gasthäuser, vor 1800, die Restaurants und Hotels danach bis 1990 und die zahlreichen Neuerungsversuche, insbesondere in Verbindung mit Kultur, seither. Diese Stadtwanderung ist ganz speziell. Wir kehren dreimal ein, je einmal in einem typischen Beispiel für die drei Phasen, trinken und essen etwas ausgewähltes und enden mit einem Abendbier. Die genaue Auswahl an Oertlichkeiten wird mit Interessierten festgelegt. Strikte nur für Gruppen.
Zeitbedarf: 4 Stunden abends
Start: Mitten in der Altstadt
Ende: vorzugsweise Progr
Charakter: Geschichte und Aktualität
Beginn: März 2023

Klimawanderung: von der Eiszeit zur Heisszeit
Wie der Aaregletscher den Raum formte, die ersten Siedler, den Wald rodeten, der Adel Städte gründete, die Pest alles Schöne vermasselte, die kleine Eiszeit Bauernregeln und Kornhäuser entstehen liess und wie die Industrialisierung Wohlstand und Umweltbelastungen brachte. Damit kippt die alte Formel, war gleich gut, denn jetzt wird die Hitze zu Belastung.
Zeitbedarf: 2 Stunden
Start: Rosengarten
Ende: Bahnhofplatz
Charakter: Geschichte und Aktualität

Fassaden lesen: Burger, Barock und Bourbonen
Der Berner Barock ist eigen: von der Reformation geprägt, ist er ganz in Sandstein gehauen. So bestimmt er vor allem das Altstadtbild. Im Zentrum der Wanderung stehen die Fassaden der Gebäude, wo es darum geht, was man sieht und was verdeckt wird. Der riesige Einfluss von Louis XIV., der Streit der Franzosen- und der Niederländerpartei in der Burgerschaft kommen genauso zur Sprache wie typische Rundfenster, Dachgiebel. Es mischen sich Architektur- und Sittengeschichte des 17. und 18. Jahrhundert. Garantiert lehrreich und schockierend zugleich.
Zeitbedarf: 1.75 Stunden
Start: Münterplatz
Ende: Hotel de Musique
Charakter: Geschichte

Claude Longchamp
aka Stadtwanderer

Bücherliste 2022: 12 Empfehlungen zum Lesen und Schenken

Das ist meine Bücherliste 2022. Rechtzeitig vor Weihnachten fertig geworden. Durchaus als Hinweise für Geschenke zu verstehen. Wie in früheren Jahren habe ich Bücher ausgewählt, die ich gelesen und teils auch besprochen habe. Alle beschäftigen sich mit der Schweiz, von der Gegenwart bis zur tiefen Vergangenheit. Es sind Sach- und Fachbücher, teils aus der Politikwissenschaft, teils aus der Soziologie. Geschichte fehlt auch nicht. 12 haben meine finale Empfehlung.

Natalie Zeindler: Bodenständig und beharrlich. Jacqueline Badrans Weg ins Bundeshaus. Xanthippe, 2022
Badran äussert sich über einschneidende Erlebnisse, ihre politische Motivation und persönliche Mission, über ihr Engagement für die Lex Koller und eine ausgeglichene Wirtschaft sowie über die Klimabewegung, die sie bereits in jungen Jahren erlebt und motiviert hat, unseren Planeten zu schützen.
https://www.xanthippe.ch/buch-details/bodenst%C3%A4ndig-und-beharrlich.html

Silja Häusermann et al. : Wählerschaft und Perspektiven der Sozialdemokratie in der Schweiz. NZZ Libro, 2022
Bedrängt von strukturellem Wandel und neuen parteipolitischen Rivalen ringen sozialdemokratische Parteien in ganz Europa im 21. Jahrhundert um ein zukunftsfähiges Profil, das ihren historischen Anliegen des sozialen Ausgleichs und der Inklusion zu politischer Wirkung verhelfen kann. Auch in der Schweiz wird um die Ausrichtung der SP Schweiz gerungen und debattiert.
https://www.nzz-libro.ch/waehlerschaft-und-perspektiven-der-sozialdemokratie-in-der-schweiz-978-3-907291-79-5

Peter Buomberger, Daniel Piazza: Wer finanziert die Schweizer Politik. Auf dem Weg zu mehr Transparenz und Demokratie. NZZ Libro, 2022
Die Stärke des Buchs liegt in der Präsentation des Zahlenmaterials, das bisher gut gehütet wurde. Verglichen mit bisher publizierten Schätzungen aus Wissenschaft und Medien, ist das ein Meilenstein.
https://www.nzz-libro.ch/wer-finanziert-die-schweizer-politik-978-3-907291-69-6

Hans-Peter Schaub, Marc Bühlmann (Hg.): Direkte Demokratie in der Schweiz. Neu Erkenntnisse aus der Abstimmungsforschung. Seismo Verlag, 2022
Inner- wie ausserhalb der Schweiz werden die Chancen und Risiken von direktdemokratischer Beteiligung mittels Volksabstimmungen sowohl in der Forschung als auch in Politik und Öffentlichkeit immer wieder lebhaft diskutiert. Der Sammelband liefert neue Erkenntnisse zur Funktionsweise der direkten Demokratie, indem er die einzigartige Fülle an praktischen Erfahrungen und Daten aus den über 170 Jahren Abstimmungsgeschichte der Schweiz nutzt.
https://www.seismoverlag.ch/de/daten/direkte-demokratie-in-der-schweiz/

Francesca Falk (Hg.): Der Schwarzenbacheffekt. Wenn Abstimmungen Menschen traumatisieren und politisieren. Limmatverlag 2022
In diesem Buch sprechen Zeitzeug:innen der Schwarzenbach-Initiative über ihr Leben im Provisorium. Sie erzählen von prekären Wohnverhältnissen, zurückgelassenen Kindern, Diskriminierung und Ausgrenzung, aber auch von Freundschaft und Widerstand. Viele von ihnen wurden durch die Initiative politisiert und zu einem Engagement bewegt, das bis heute das gesellschaftliche Leben in der Schweiz prägt.
https://www.limmatverlag.ch/programm/titel/912-der-schwarzenbacheffekt.html

Luzi Bernet: Das Schweiz-Dilemma. 30 Jahre Europapolitik. Hier & Jetzt, 2022
Der Autor legt keine trockene Abhandlung zur Zeitgeschichte vor, sondern eine profunde, leicht lesbare Entwicklungsgeschichte der Irrungen und Wirrungen der Schweizer Europapolitik der letzten drei Jahrzehnte. Hin- und hergerissen steckt das Land seit Jahren im Dilemma zwischen Annäherung und Blockade. Am Ende plädiert Luzi Bernet für einen entspannteren Europadiskurs.
https://www.hierundjetzt.ch/de/catalogue/das-schweiz-dilemma_2200005/

Religionstrends in der Schweiz: Religion, Spiritualität und Säkularität im gesellschaftlichen Wandel. Jörg Stolz et al. Springer, 2022
Diese Publikation beschreibt gegenwärtige Entwicklungen in der Religionslandschaft der Schweiz. Die hier versammelten Beiträge basieren auf der Auswertung aktueller statistischer Daten und bearbeiten Fragestellungen aus der Religions- und Kirchensoziologie sowie aus der Politikwissenschaft.
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-36568-4

Regula Bochsler: Nylon und Napalm. Die Geschäfte der Emser Werke und ihres Gründers Werner Oswald. Hier & Jetzt, 2022
Dank hartnäckiger Recherchen kann die Autorin zeigen, wie Firmengründer Werner Oswald mit Hilfe von Industriespionage und ehemaligen Nazis in Ems eine Kunstfaserproduktion aufbaute, eine Flab-Rakete, Minen und Zünder sowie eine Napalm-Variante entwickelte, die in mehreren Bürgerkriegen eingesetzt wurde.
https://www.hierundjetzt.ch/fr/catalogue/nylon-und-napalm_2200022

Nicolas von Passavant: Hemmungen und Dynamit. Ueber das Politische bei Mani Matter. Zytglogge, 2022
Erstmals werden hier die politischen Schriften Matters eingehend besprochen: darunter drei theoretische Artikel, die – lange vergriffen – im Anhang mit abgedruckt sind. Vor dem Hintergrund der dortigen Überlegungen erläutert der Autor politische Bezüge in den Liedern und beleuchtet deren Konzept: Mani Matter verstand seine Chansons als «Modelle für politische Sachverhalte».
https://www.zytglogge.ch/nicolas-von-passavant-hemmungen-und-dynamit-978-3-7296-5100-5

Urs Altermatt : Der lange Weg zum historischen Kompromiss. Der schweizerische Bundesrat 1874–1900. Referendumsstürme, Ministeranarchie, Unglücksfälle, NZZ Libro, 2022
Die Bundesverfassung von 1874 beendete die Periode der repräsentativen Demokratie und bildete mit der Einführung direktdemokratischer Instrumente wie dem Referendum eine Zäsur in der Schweizer Geschichte. Die Bundesräte konzentrierten ihre Arbeitskraft immer stärker auf ihr eigenes Departement. Darunter litt das Kollegialitätsprinzip. Doch der Reformversuch mit einem eigenen Aussenministerium scheiterte nach dem Probeversuch an der Eifersucht im Kollegium.
https://www.nzz-libro.ch/urs-altermatt-der-lange-weg-zum-historischen-kompromiss-978-3-907291-49-8

Thomas Schuler: Napoleon und die Schweiz. NZZ Libro, 2022
Der Autor eröffnet einen neuen Blick auf Napoleon, indem er sich auf Archiv- und Literaturrecherchen und auf Besuche an einschlägigen Schauplätzen stützt.So verknüpft Schuler die spannende Schilderung der Ereignisse zwischen 1789 und 1815 mit unserer Gegenwart und macht deutlich, wie bedeutend Napoleon für die Schweiz war und wie viel aus dieser Zeit bis heute wirksam ist.
https://www.nzz-libro.ch/thomas-schuler-napoleon-und-die-schweiz-978-3-907291-85-6

François Walter, Marco Zanoli: Historischer Atlas der Schweiz. Hier & Jetzt, 2022
Marco Zanoli begann vor Jahren, Artikel zur Schweizer Geschichte zu verfassen und diese mit Karten zu illustrieren. Zu diesen Karten verfasste der Westschweizer Historiker François Walter einschlägige Einführungen, und das daraus entstandene Werk erschien im Oktober 2020 auf Französisch. Nun liegt das Standardwerk leicht überarbeitet und mit einem halben Dutzend weiterer Karten ergänzt auf Deutsch vor.
https://www.hierundjetzt.ch/de/catalogue/historischer-atlas-der-schweiz_2100021/

Claude Longchamp

Der Bundesrat der Klein- und Mittelstädte

Es wird Zeit, etwas Ordnung in die Debatte über die räumliche Vertretung im Bundesrat zu bringen. Der neue Bundesrat ist “nicht vom Land”. Er kommt aus Klein- und Mittelstädten.


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Die erste Grafik, die auch ich hier verbreitet habe, erregte viel Aufmerksamkeit. Sie stiftete aber auch Verwirrung. Denn sie mixte Geber/Nehmerkantone einerseits und Wohnorte der Bundesrät:innen anderseits.
Das sind, wie zurecht moniert wurde, zwei Ebenen.

Was das BfS sagt
Hier geht es nur noch um die Wohnorte der Mitglieder des Bundesrats ab 2023. Das BfS hat 2012 alle Gemeinden neu eingeteilt. Unterschieden werden in erster Linie Agglomerationen und Landgemeinden. Erstere werden in Kerngemeinden (Haupt- und Nebenkerne) und Agglomerationsgürtel differenziert. Zudem gibt es Kerngemeinden ohne Agglomerationen.

Die sieben Wohnorte
Nun wohnen die fraglichen Personen in
Wil (Karin Keller-Sutter)
Brig-Glis (Viola Amherd)
Uetendorf (Albert Rösti)
Belfaux (Alain Berset)
Montagniola, eigentlich Colina d’Oro (Iganzio Cassis)
Les Breuleux (Elisabeth Baume-Schneider)
Bursins (Guy Parmelin)
(sortiert nach Einwohnerzahl).
Anders als vielfach angenommen, ist allerdings nicht die Zahl der Einwohner:innen entscheidend. Vielmehr führt ein komplexes Bündel von Indikatoren wird Arbeitsplätze und Pendler:innen-Bewegung zur gültigen Einteilung.

Wer vom Land ist – und wer nicht
Gemäss der Liste ist nur Les Breuleux eine Landgemeinde. “Vom Land” ist also einzig Baume-Schneider.
Alle anderen Wohnorte sind Agglomerationsgemeinden. Uetendorf ist eine mehrfach orientierte Gemeinde, aber hauptsächlich nach Thun ausgerichtet. Ich zähle sie vereinfachend zu den Agglomerationsgürtelgemeinden. Auch Bursins ist eine solche, nahe Nyon und damit sogar der Agglomeration Genf. Die beiden SVP-Bundesräte Parmelin und Rösti sind als Agglo-Vertreter.
Die anderen 4 Mitglieder des Bundesrats wohnen in Kerngemeinden. Bei Wil und Brig-Glis ist das evident. Doch auch Belfaux und Colina d’Oro sind so mit der Stadt Fribourg resp. Lugano verbunden, dass sie bei den Bundesstatistiker:innen als Kerngemeinden durchgehen. Keller-Sutter und Amherd sind aus kleinen Agglomerations-Kerngemeinden, Berset und Cassis aus mittelgroßen.

Bilanz
Damit sieht die Bilanz zur Stadt/Land-Herkunft deutlich anders aus:
Vier Bundesrät:innen kommen aus einer Agglomerationskerngemeinde (vereinfacht Stadt und nahe Vororte),
zwei aus einer Agglomerationsgürtelgemeinde
und eine Person ist aus einer Landgemeinde.
Der neue Bundesrat ist also ein Gremium, dass die für die Schweiz so typischen kleineren Kerngemeinden von Agglomerationen repräsentiert. Vereinfachend könnte man auch vom Bundesrat der Klein- und Mittelstädte sprechen. Die Charakterisierung als Bundesrat vom Land ist irreführend.
Mit der jüngsten Wahl geändert hat sich der Abgang einer grossen Kerngemeinde. Denn Sommaruga wohnt in Bern und verkörpert(e) damit das “grossstädtische” Element im schweizerischen Sinne.

Internationales Demokratie-Rating, auch zur Schweiz

Gestern erschien der neueste Demokratiebericht der IDEA, einer international tätigen Demokratie-Förderungsagentur mit Sitz in Schweden. Auch die Schweizer gehört ihr an. Was geht daraus hervor?


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Schweiz vergleichsweise gut unterwegs
Der generelle Tenor des Reports bleibt wie seit rund 15 Jahren skeptisch, denn der Haupttrend von Demokratien zu Autokratien bleibt unübersehbar. Und die stehen insbesondere der Meinungs- und Medienfreiheiten kritisch gegenüber.
Bezogen auf die Schweiz fällt der Befund positiver aus. Unser Land gilt unverändert gefestigte Demokratie. Ihre letzte grosse Hürde nahm sie vor 50 Jahren mit der Einführung des Frauenstimmrechts.
Fortschritte hat die Schweiz jüngst bei der Transparenz der Parteienfinanzierung gemacht.

Stärken und Schwächen
Verglichen mit der Welt sprechen gemäß IDEA unverändert eine regelmässig korrekt gewählte Regierung, unabhängige Gerichte und ein weitgehend inklusives Wahlrecht für unsere Demokratiequalität.
Schlecht schneidet die Schweiz bei der Wahl- und Stimmbeteiligung ab. Die ist global gesehen klar unterdurchschnittlich.
Nur wenig über dem Mittel ist die Schweiz darüber hinaus bei der Religions- und der Niederlassungsfreiheit. Da wirken sich Restriktionen namentlich für andere Kulturen und Menschen aus dem Ausland negativ aus.
Am weitesten über dem weltweiten Schnitt befindet sich die Schweiz aufgrund der direkten Demokratie. Global ist sie nur beschränkt entwickelt, bei uns aber eine tragende Säule der Demokratie.

Selbst- und Fremdbilder
Nicht alle Bewertung des Demokratieberichts decken sich mit dem innenpolitisch vorherrschenden Diskurs. Das gilt insbesondere für die Regierungsbildung. Traditionellerweise wird sie durch die Regeln der Konkordanz-Demokratie bestimmt.
Die wiederum sieht sich neuen Formen der Polarisierung, aber auch der Fragmentierung des hergebrachten Parteiensystems gegenüber. Beides führt zu Vorstellungen, eine demokratische Regierung müsse auf eine neue Art und Weise gebildet, allenfalls auch geführt werden.
Aus ausländische Sicht wirkt das eher wie Luxusproblem. Denn die Schweizer Regierung wird parlamentarisch gestützt, kann sich auf ein breites Vertrauen stützen, ist weitgehend stabil und produziert einen vergleichsweise gute Leistungen. Das bleibt der Grundtenor, nicht nur dieses jüngsten Demokratie-Berichts.

Claude Longchamp

IDEA-Demokratie-Rating, auch zur Schweizer Demokratie

Gestern erschien der neueste Demokratiebericht der IDEA, einer international tätigen Demokratie-Förderungsagentur mit Sitz in Schweden. Auch die Schweizer gehört ihr an. Was geht daraus hervor?

Vergleichsweise gut unterwegs

Der generelle Tenor des vergleichenden Reports bleibt wie seit rund 15 Jahren skeptisch, denn der Haupttrend von Demokratien zu Autokratien bleibt unübersehbar. Und die stehen insbesondere der Meinungs- und Medienfreiheiten kritisch gegenüber.
Bezogen auf die Schweiz fällt der Befund positiver aus. Unser Land gilt unverändert gefestigte Demokratie. Ihre letzte grosse Hürde nahm sie vor 50 Jahren mit der Einführung des Frauenstimmrechts.
Fortschritte hat die Schweiz jüngst bei der Transparenz der Parteienfinanzierung gemacht. Kritischer wird dafür der Blick auf die Medienfreiheit.

Stärken und Schwächen der Schweizer Demokratie

Verglichen mit der Welt sprechen gemäß IDEA unverändert eine regelmässig korrekt gewählte Regierung, unabhängige Gerichte und ein weitgehend inklusives Wahlrecht für unsere Demokratiequalität.
Schlecht schneidet die Schweiz bei der Wahl- und Stimmbeteiligung ab. Die ist global gesehen klar unterdurchschnittlich.
Nur wenig über dem Mittel ist die Schweiz darüber hinaus bei der Religions- und der Niederlassungsfreiheit. Da wirken sich Restriktionen namentlich für andere Kulturen und Menschen aus dem Ausland negativ aus.
Am weitesten über dem weltweiten Schnitt befindet sich die Schweiz aufgrund der direkten Demokratie. Global ist sie nur beschränkt entwickelt, bei uns aber eine tragende Säule der Demokratie.
Selbst- und Fremdverständnisse der Demokratie
Nicht alle Bewertung des Demokratieberichts decken sich mit dem innenpolitisch vorherrschenden Diskurs. Das gilt insbesondere für die Regierungsbildung. Traditionellerweise wird sie durch die Regeln der

Konkordanz-Demokratie bestimmt

Die wiederum sieht sich neuen Formen der Polarisierung, aber auch der Fragmentierung des hergebrachten Parteiensystems gegenüber. Beides führt zu Vorstellungen, eine demokratische Regierung müsse auf eine neue Art und Weise gebildet, allenfalls auch geführt werden.
Aus ausländische Sicht wirkt das eher wie Luxusproblem. Denn die Schweizer Regierung wird parlamentarisch gestützt, kann sich auf ein breites Vertrauen stützen, ist weitgehend stabil und produziert einen vergleichsweise gute Leistungen. Das bleibt der Grundtenor, nicht nur dieses jüngsten Demokratie-Berichts.

Thuner Wahlen mit interessanten neuen Trends

Trotz dem Griff der Grünen auf das Thuner Stadtpräsidium sind die bürgerlich-konservativen Kräfte dominant. Rotgrün verliert im Parlament, vor allem wegen den Jungparteien. Nicht bestätigen kann sich die fusionierte Mitte. Letztlich gewann keine Partei, denn klarer Wahlsieger sind die Parteilosen. Was heisst das für die nationale Ebene?

SVP bestimmte Stadtexekutive
Thun hat gewählt. Die konservative SVP wurde gestärkt. Sie stellt trotz einem Angriff von grüner Seite unverändert den Stadtpräsident. Und sie hat neu alleine die Mehrheit im Gemeinderat (Exekutive). Der setzt sich erstmals aus einer Mehrheit Frauen zusammen.


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Neue Parteistärken
Parteistärken kann man nur mit der Sitz- und Stimmverteilung im Stadtrat (Legislative) analysieren. Zuverlässigste Hinweise liefern die Stimmenanteile, denn sie werden nicht durch das Wahlrecht und allfällige Fraktionswechsel zwischen zwei Wahlen verzerrt.
Grosse Gewinnerin ist die Liste der “Parteilosen”, die erstmals antraten. Sie erhielt auf Anhieb 7.2 Prozent der Stimmen und machten damit neu 3 der 40 Sitze im Stadtparlament.
Das wirkte sich auf die meisten Parteien aus. Grüne, SP und Mitte verloren je ein Mandat. Der Rest hielt sich.
Die GLP und die EDU machten zwar Stimmengewinne, aber sehr bescheidene. Von der SVP über die GPS, FDP und EVP setzte es kleine Stimmenverluste ab. Grösser waren sie bei der SP und der Mitte, die erstmals aus BDP und CVP fusioniert antrat.
Neu ist die Reihenfolge der Parteien: Die Grünen haben die SozialdemokratInnen knapp überholt und sind nun zweitstärkste Thuner Partei. Und die GLP zog sowohl an FDP und Mitte (resp. BDP) vorbei.
Das alles geschah bei einer bescheidenen Stimmbeteiligung.

Neue und bekannte Phänomene
Lokale Wahlen sind nur bedingt aussagekräftig für nationale Trends. Denn die Personen spielen auf Gemeinde- und Stadtebene eine stärkere Rolle. Im Nationalen sind sie zwar auch wichtig, aber da entscheidet das medialisierte Spitzenpersonal. Das erklärt den unmittelbaren Erfolg der Parteilosen, die es so wie in Thun gesamtschweizerisch nicht gibt.
Dennoch ist mit rund seinen gut 42000 EinwohnerInnen nicht ganz unerheblich. Neu ist, dass die Grünen etwas verloren haben. Das hat man so nicht erwartet.
Weniger neu ist, dass sich SP und Mitte nicht halten konnten. Das war auch bei den letzten kantonalen Wahl so.
Bei der neuen Mitte ist das Ergebnis besonders enttäuschend, denn die Fusionspartei ist schwächer, als es Thuner BDP vor vier Jahren alleine.
Was bleibt? Keine Partei an einem weltanschaulichen Pol wächst mehr: nicht die SVP, noch die SP und auch nicht mehr die Grünen.

Keine Effekte mehr der Klimawahl
Die Wahlen in Thun sind aus einem weiteren Grund von Belang. Sie waren 2018 die letzten städtischen Wahlen, bevor die Diskussionen um das Klimawahljahr begannen. Seither zeigt sich häufig ein Linksrutsch resp. ziemlich regelmässig die grüne Welle. Davon blieb in Thun nichts mehr übrig.
SP und Grüne verloren zusammen fast 3 Prozentpunkte, und GPS und GLP legten gemeinsam gerade 0.2 Prozentpunkte zu.
In diesem Kontext interessant: Sowohl die Verluste der Grünen wie auch der SP gehen auf einen Rückgang bei ihren jeweiligen Jungparteien zurück.
Das alles passt nicht mehr zu lange vorherrschenden Leseweise bei Wahlen nach 2019.

Claude Longchamp