Welche Kantone stimmen am 8. Februar 2009 ähnlich wie die Schweiz?

Acht Mal stimmte die Schweiz in den letzten 36 Jahren über ihre Verhältnis zur EU ab. 2 Abstimmungen betrafen Modalitäten des EU-Beitritts, 6 waren Entscheidungen über die Zusammenarbeit. Eine Uebersicht, was man aus der Kantonsanalyse hierzu für Schlüsse mit Blick auf die kommende Volksabstimmung zur Personenfreizügigkeit ziehen kann.


1972: EWG-Freihandelsabkommen; 72,5 % Ja, 22 Stände dafür (alle Karten: www.swissvotes.ch)

Die 6 Volksabstimmungen, die in der Schweiz abgehalten wurden, und das Verhältnis zur EU unterhalb des Beitrittsniveaus regelten, zeigten sehr unterschiedliche Ergebnisse: Das Freihandelsabkommen von 1972 und das Paket Bilaterale 1 wurden klar (fast) flächendeckend angenommen; sie erhielten Zustimmungswert von rund 70 Prozent. Das Paket Bilaterale II, auch unter dem Titel Abkommen von Schengen und Dublin bekannt, die (erste) Osterweiterung der Personenfreizügigkeit und die Ostzusammenarbeit, über die 2005 resp. 2006 entschieden wurde, kamen ebenfalls alle durch, wenn auch mit Zustimmmungswerten von 53 bis 56 Prozent einiges knapper. Abgelehnt wurde der Beitritt zum EWR 1992, als sic 16 Kantone und 50,3 Prozent der Stimmenden dagegen aussprachen.


1992: EWR-Vertrag; 49,7 % Ja, 7 Stände dafür

6 Mal zugestimmt haben Bern, Solothurn, Luzern, Zürich und Zug. Der EWR bildet hier die einzige Ausnahme.

4 Mal eine EU-Kooperationsvorlage bewilligt, zwei Mal abgelehnt haben Aargau und Graubünden. Auch hier ist der EWR die eine Ausnahme, die Abkommen von Schengen und Dublin sind die andere.


2000: Bilaterale 1; 67,2 % Ja, 22 Stände dafür

6 Mal zugestimmt haben Bern, Solothurn, Luzern, Zürich und Zug. Der EWR bildet hier die einzige Ausnahme.

4 Mal eine EU-Kooperationsvorlage bewilligt, zwei Mal abgelehnt haben Aargau und Graubünden. Auch hier ist der EWR die eine Ausnahme, die Abkommen von Schengen und Dublin sind die andere.


2005: Bilaterale II (Abkommen von Schengen/Dublin); 54,6 % Ja, keine Ständemehr nötig

Je 3 Ja und 3 Nein setzte es in Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen, Thurgau und Schaffhausen ab. Verworfen wurden hier der EWR, das Schengen/Dublin-Paket und die Ostzusammenarbeit.

Mit 4 Nein sind die Ablehnungen in Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Glarus und Appenzell Innerrhoden in der Ueberzahl. Ja sagte man hier nur 1972 und 2000 beim Freihandel und dem ersten Paket zu den Bilateralen.


2005: Erweiterung Personenfreizügigkeit; 56,0 % Ja, keine Ständemehr nötig

Die konsequenteste Nein-Haltung in Fragen der Zusammenarbeit mit der EU findet man im Tessin. Nach der Befürwortung des Freihandelsabkommens mit der EWG 1972 setzte es in der Folge 5 Nein in Serie ab.

Wenn die hier vertretene Analyse stimmt, lohnt es sich am Abstimmungssonntag nicht, auf die Ergebnisse in Neuenburg oder Tessin zu schauen. Denn sie bildeten bisher die Extrempositionen ab, und das dürfte auch am 8. Februar 2009 so sein.


2006: Ostzusammenarbeit, 53,4 % Ja, kein Ständemehr nötig

Interessanter dürften Kantone wie Zürich, Zug, Aargau, Solothurn, Bern, Luzern und Graubünden. Denn sie bewegten sich bei den besprochenen Abstimmungen meist recht nahe am Schnittt der Schweiz. Die Ergebnisse in diesen Ständen eigenen sich damit viel eher für die hausgemachte Hochrechnung, die von einigen Teilresultaten auf das Ganze schliesst, wenn auch nicht mit absoluter Sicherheit.

Immerhin: Zug und Solothurn waren bisher zweimal die Trendkantone, Graubünden und Zürich je einmal. Einzig für 1972 versagt die hier gemachte Retrognose. Damals stimmte die Schweiz praktisch gleich wie Baselstadt.

Claude Longchamp

Personenfreizügigkeit: Börsianer haben sich entschieden

Die gestrigen Umfragewerte zur Personenfreizügigkeit aus der SRG-Erhebung hatten auf die Abstimmungsbörse, die von der Internet-Seite des Schweizer Fernsehens unterhalten wird, kaum mehr einen Einfluss. Die Börsianer scheinen entschieden zu sein. Sie rechnen mit 52,8 Prozent Zustimmung zur Vorlage.


Abstimmungsbörse zur Personenfreizügigkeit auf “Wahlfieber“, Stand nach der letzten SRG-Befragung

Die gestrigen Werte aus der StimmbürgerInnen-Befragung lagen 2 Wochen vor der Abstimmung bei 50 Prozent bestimmt oder eher “Ja”, 43 Prozent bestimmt oder eher “Nein” und 7 Prozent Unentschiedenen. Anders als bei der Publikation der ersten SRG-Befragung hatte die neuerliche Veröffentlichung von Umfrage-Werten keinen Einfluss mehr auf die Einschätzungen der Börsianer, die unter “Wahlfieber” Aktien zum Abstimmungausgang handeln. Der Wert der Ja-Aktie lag heute morgen fast unverändert bei 52,75 Punkten, jener für die Nein-Aktie bei 47,25. Das spricht dafür, das man unter den HändlerInnen mit einer Zustimmung zur Personenfreizügigkeit rechnet, wenn auch einer recht knappen.

Das ist zwar keine Auskunft über die Stimmabsichten, aber ein Gradmesser für Erwartungshaltungen. Sie schwankten anfänglich stark, gingen mit der Veröffentlichung der ersten Umfrage nach oben, und stabiliserten sich danach schrittweise mit einem knappen, aber recht konstanten Vorsprung für das Ja.

Umfragen dürfen ab jetzt keine mehr publiziert werden, die Börsen-Spekulationen gehen aber bis zum Abstimmungssonntag weiter.

Mal sehen, was daraus wird!

Claude Longchamp

SozialeKontrolle2.0 bei Volksabstimmungen

Die Pioniere der politischen Abstinenzforschung in der Schweiz argumentierten mit der nachlassenden sozialen Kontrolle in der Massengesellschaft als Ursache für die sinkende Stimmbeteiligung. Jetzt setzen die jungen BefürworterInnen der Personenfreizügigkeit auf ein Video, welches die soziale Kontrolle inszeniert, falls man am 8. Februar 2009 nicht stimmen gehe.


Das Vorbild aus dem US-amerikanischen Wahlkampf

Der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf gab auch hier das Vorbild ab. Die Plattfrom www.youtube.com stellte clips ins web, wonach 1 Stimme die Wahl zwischen Barack Obama und John McCain entschieden habe, – zugunsten des Republikaners. Die Reaktionen im Clip waren harsch: Die Oeffentlichkeit empörte sich, und die Medien identifizierten den Uebeltäter. Denn es war ein Nicht-Wähler, der für Obama stimmen wollte, welcher der Wahl fern blieb. Wehe ihm, sagt seine Verwandschaft, wenn wir ihn kriegen. Doch das alles war nicht echt. Es war Realität 2.0, die Betroffenheit schaffen wollte und Teil der Kampagne für Obama war.

Man weiss es: Soweit wie im Jahr 2000, als der Sieg von Georges W. Bush über Al Gore nur durch Messers Scheide entschieden wurde, kam es 2008 nicht. Obama siegte mit 54:45 ungefähr mit dem Vorsprung, den man erwartet hatte. Die Beteiligung indessen erreichte mit 63 Prozent Beteiligung den höchsten Wert seit 1960.

Das scheint nun die Ja-Seite der Personenfreizügigkeit beflügelt zu haben. Seit heute morgen zirkuliert ein Clip, der nach ähnlichem Muster aufgebaut ist. Verbreitet wird er mit viralem Marketing. Man erhält es via email, und man wird gebeten, es auf dem gleichen Weg weiter zu leiten.


Die Nachahmung, nicht auf youtube erhältlich, da sie auf individualisierte Ansprache im Video setzt!

Wer sich den Streifen ansieht, wird gleich zu Beginn geschickt. Eine Sondersendung der Tagesschau, täuschend echt moderiert von Charles Clerc, berichtet über den Abstimmungssonntag. Die Personenfreizügigkeit sei mit einer Stimme abgelehnt worden, heisst es. Gezeigt wurd ein Transparent, auf dem der eigene Name als Schuldiger erscheint. Der Rest ist dann noch etwas Wiederholung der Botschaften für die Personenfreizügigkeit.

Es ist klar: Eine höhere Betroffenheit kann man nicht auslösen. Eine Person gibt den Ausschlag, und man ist sie gleich selber. Das sitzt. Und genau das lädt ein, den Joke weiter zu vertreiben, bei FreundInnen oder MitarbeiterInnen, die auch ausschlaggebend sein könnte.

Falls es so knapp wird, wie berichtet. Falls man Ja-Stimmen wollte und es doch unterlassen sollte. Und falls man sich von den Jungparteien auf der Ja-Seite ein schlechtes Gewissen einbildern lässt.

Denn die heutige Abstinenzforschung ist nämlich gar nicht mehr so sicher, ob soziale Kontrolle heute noch so entscheidend sei. Sie argumentiert vielmehr, dass okkasionelles Nicht-Stimmen mit Unschlüssigkeit zu tun habe, wennl keine Seite wirklich überzeugen konnte.

Claude Longchamp

Wenn “Blick”-Schlagzeilen Weiterbildungskurse bestimmen …

… dann muss man kräftig gegenhalten, um seine Lernziele dennoch durchzubringen.

Der verbockte Einstieg
Ich war letzte Woche am MAZ, um im “CAS Kommunikation” für Menschen, die in Organisationen mit Oeffentlichkeit zu tun haben, über Lobbying referierten. Wie immer in diesem Tageskurs wählte ich einen weichen Einstieg: 3 Minuten nachdenken, was man übers Lobbying weiss und was man davon hält.

Die Antworten waren nicht untypisch: “Interessenvertretung” ist die gängige Kurzformel für die neutrale Mehrheitsposition; eine positive Umschreibung (“Vertretung der Interessen von Tieren und Pflanzen”) kommt nur zögerlich, wie seit 2007 im Zusammenhang mit Al Gore’s Klimaoffensive. Zahlreiche Assoziationen sind negativ: Einflussnahme durch Einflüsterer, Manipulation durch Bestechung, Zerstörung der Demokratie durch Partikularinteressen sind nur einige solcher Meinungsäusserungen.

Schnell kommt diesmal auch die “Blick”-Reportage über das Lobbying unter der Bundeskuppel zur Sprache. Die Stimmung wird teilweise rasch aversiv. Ein Teilnehmer recherchiert gleich im Internet und zitiert, fast schon frohlockend, die “Blick”-Grafik. Die Zahl der Lobbyisten würde nicht zunehmen, meint er, wenn es sich nicht lohnen würde. Geld regiert die Welt, ist das Fazit!

Jetzt muss ich eingereifen. Wir würden über Geld in der Politik noch sprechen, nehme ich das Thema auf und füge bei: soweit möglich faktenbasiert. Die Behauptungen im “Blick” könnten aber nicht die Grundlage für einen Fortbildungskurs an einer Fachschule für Kommunikation sein, hole ich weiter aus. Entweder müsse man bereit sein, in einem Kurs etwas lernen zu wollen, ober man wolle auf dem Niveau von Schlagzeilen stehen, bleiben. Dann könne man den Kurs auch gleich lassen.

An den Lernzielen festgehalten

Das war auch gut so! Ich denke, ich habe meine Lernziele nach dem verbockten Einstieg mehrheitlich durchgebracht. Bezogen auf die Wissensinhalte waren das:

Erstens, Lobbying ist nicht Entscheidung durch LobbyistInnen anstelle von PolitikerInnen, sondern ebenso Beziehungspflege, Gedankeaustausch, Beschlussvorbereitung.
Zweitens, Lobbying vermittelt in erster Linie Information, in zweiter Kontakte, Legitimation, Unterstützung und Macht.
Drittens, Lobbying ist ein Prozess. Er findet nicht punktuell bei Schlussabstimmungen, sondern prozessorientiert gegenüber Regierungen, Parlamenten und Verwaltungen statt.
Viertens, mit gutem Lobbying versucht man voraussschauend politische Prozesse zu steuern, nicht Fehlentscheindungen mit harten Interventionen zu verhindern.
Fünftens, zentrale Arenen des Lobbyings sind die vorparlamentarische, parlamentarische und nachparlamentarische Phase einer Entscheidung. Von Vorteil ist es, alle zu begleiten.
Sechstens, Lobbying wird zunehmend professionell betrieben. Es braucht in- oder externe Stand-by-Organisationen, mit denen operativ gehandelt werden kann.
Siebtens, Lobbying ist auch Initiierung neuer Politiken oder Programme, die als Ganzes in politische Prozesse einfliessen sollen.
Achtens, Lobbying bedient sich heute sowohl der vertraulichen wie auch der öffentlichen Ansprache von EntscheidträgerInnen, ist damit direkt und indirekt adressiert.

Dem Schlussapplaus glaubte ich entnehmen zu dürfen, dass die anfängliche Fixierung aufgebrochen werden konnte. Immerhin, sage ich mir auf der Rückfahrt.

Claude Longchamp

Hochrechnung von Abstimmungen: Alles hängt von der richtigen Referenz ab!

Die schwierigste Frage bei der Hochrechnung von Abstimmungsergebnissen für die SRG SSR idée suisse lautet: Welche rasch verfügbare Teilinformation zu Abstimmungsresultaten kann man wie sicher verallgemeinern, um daraus eine national gültige Hochrechnung machen zu können.


Bei der Arbeit: Jonas Kocher, Stephan Tschöpe und Lukas Golder, drei Mitglieder des Hochrechnungsteams bei eidgenössischen Abstimmungen

Das Problem
Bei einer üblichen Stichprobe für in Bevölkerungsbefragungen steht das Vorgehen im Lehrbuch: Man muss die Grundsgesamtheit kennen, daraus eine Zufallsauswahl ziehen, und man kann dann die Ergebnisse aus deer Stichprobe mit der schliessenden Statistik verallgemeinern.

Bei Hochrechnung ist das nicht möglich. Um 1000 Gemeinderesultate sammeln zu können,braucht man mehr als die zugelassenen 2 Stunden. Und der theoretische Stichprobenfehler wäre mit +/- 3 Prozentpunkten grösser als die Vorgabe. Denn die Hochrechung muss auf +/-2 Prozentpunkte genau sein.

Deshalb bedient man sich einer anderen Methode. Die massgebliche Frage hierfür lautet: Welche Volksentscheidung, die früher stattgefunden hat, könnte als Muster für den kommenden Entscheidungsfall dienen.

Die Lösung
Bei Wahlen ist das einfach: Man nimmt die jüngste zurückliegende Wahl. Man wählt die Gemeinde(n) aus, die damals gleich wie der Kanton und/oder die Schweiz wählten. Dann beschafft man sich die neuen Wahlergebnisse aus dieser/n Gemeinde(n) und berechnet die Differenz. Schliesslich extrapoliert man diese auf die kantonale resp. nationale Ebene, womit sich im Vergleich aus dem alten Wahlergebnis das neue ergibt.

Bei Abstimmungen kann man nur die Anforderung belassen, es müsse sich um einen Vergleichsfall handeln, der möglichst geringe Zeit zurückliege. Schwieriger ist es indessen je nachdem, einen Antwort zu geben, was die Vergleichsabstimmung war. Es braucht eine verwandte Entscheidung im Thema, aber auch im Konfliktprofil und damit im räumilchen Zustimmungsmuster. Das hat seinen theoretischen Hintergrund.

Praktisch lösen kann man das auf verschiedene Arten und Weisen:

Mit Intuition,
mit Erfahrung,
oder mit Mapping-Methoden.

Die Perfektionierung
Die erste Möglichkeit funktioniert immer dann, wenn ein eindeutig vergleichbarer Fall vorliegt. Dann kann eigentlich jede und jeder sagen, was der Vergleichsfall ist und damit arbeiten. Wenn das nicht möglich ist, hilft die Erfahrung, die man als langjährige(r) ForscherIn einbringen kann weiter, kompliziertere Fälle richtig einzuschätzen. Man kann sich aber auch täuschen. Zuverlässig sind nur Mapping-Methoden, die Aehnlichkeiten von Abstimmungsprofilen miteinander vergleichen und visuell darstellen.

Ganz einfach gesagt: Man erstellt eine Landkarte auf der alle Abstimmungen enthalten sind, und zwar so nahe oder so fern voneinander, wie das Profil gleich oder anders war. Die Lösung isrt also eine Superlandkarte der Abstimmungskarten.Der neue Fall kann dann auf dieser Uebersicht plaziert werden, wenn man Parolen hat, und die ersten Umfrageergebnisse vor der Abstimmung eine Profileinschätzung zulassen.

Bis 1998 wandten wir nur die beiden ersten Lösungen an. Seither verfügen wir meist für die Vorlagen, die wir hochrechnen, auch über Vorumfragen der SRG. Diese werden seit 1998 in das Mapping eingearbeitet. Sie haben eine klare Verbesserung der Hochrechnungsgenauigkeit gebracht. Grössere Abweichungen konnten ganz vermieden werden. Im Schnitt bleibt eine Abweichung von 1 Prozentpunkt.

Die Referenz für den 8. Februar 2009
Diesmal war der Entscheid, was die Referenz zur Personenfreizügigkeit 2009 ist, fast so einfach wie bei Wahlen. Es ist die Entscheidung über die Personenfreizügigkeit 2005 und die damals brauchbaren Vergleichsabstimmungen hierzu.

Das sagen nicht nur Intuition und Erfahrung. Das bestätigte auch die erste der zwei SRG-Befragungen, die ein naheliegende Konfliktmuster wie vor 4 Jahren aufzeigte.

Und noch etwas: Mit der Referenzabstimmung bestimmt man nicht den Ausgang der Entscheidung, die man hochrechnen will. Das Ergebnis muss nicht gleich sein. Die Referenz wird nur gebraucht, um die das Konfliktmuster zu bestimmen, und mit dem die in jedem Kanton typische(n) Gemeinden, mit deren Abstimmungsergebnisse am 8. Februar 2009 gerechnet wird.

Davon später mehr.

Claude Longchamp

Die Vorbereitung der Hochrechnung zur Personenfreizügigkeit beginnt

Keine drei Wochen geht es mehr bis zur Volksabstimmung vom 8. Februar 2009. Zeit mit den Vorbereitungen der Hochrechung zur Personenfreizügigkeit zu beginnen. Und erstmals einen Einblick zu gewähren in die Arbeit des Teams, das es an Abstimmungssonntagen weiss, bevor man es weiss.

Hochrechnungen basieren darauf, dass man aus Teilresultaten auf das gesamte Ergebnis schliesst. Das ist ganz einfach. Weniger einfach ist aber die Frage, welche Teilresultate geeignet sind.

Die erste Annahme, die wir für Hochrechnungen hatten, war: Es gibt eine oder einige zuverlässige Gemeinden, die immer so stimmen, wie die Schweiz. Schön wärs, sage ich heute, nachdem ich seit dem 6. Dezember 1992 alle eidgenössischen Volksabstimmungen hochgerechnet habe, denn es gibt die schweizerische Mustergemeinde nicht. Es gibt maximal pro Themen- oder Konfliktbereich wiederkehrende Gemeinden, die im Landesmittel stimmen. Doch selbst das gibt keine hinreichend genaue Hochrechnung.

Die zweite Annahme ist schon besser: Es gibt Kantone, die in einem Themenbereich oder Konfliktmuster genau gleich wie die Schweiz stimmen oder in einem wiederkehrenden Verhältnis zum nationalen Mittel abweichen. Damit kann man erfahrungsgemäss schon besser arbeiten. Den es ist zwar schon deutlich präziser, aber nicht besonders schnell. Verbessert werden kann es, wenn man bei den schnellsten Kantonen weiss, wie viel sie in der Regel vom nationalen Mittel abweichen. Und nur mit ihnen rechnet.

Die dritte Annahme ist die beste: Es gibt in jedem Kanton Gemeinden, die in einem Themenbereich oder Konflitkmuster gleich wie der Kanton stimmen und schnell sind. Sie können stellvertretend für das Kantonsergebnis verwendet werden, bis dieses vorliegt, und diese lässt, effektiv oder mit Stellvertretern Rückschlüsse auf das gesamtschweizerischen Resultat zu.

Letzteres, und nur letzteres, nennen wir Hochrechnung.
Das Mittlere entspricht der Trendrechnung.
Das Erste heisst bei uns high-speed.

Die high-speed-Rechnung wird nie veröffentlicht. Sie dient dem Hochrechnungsteam nur als erster Gradmesseer, um sich auf möglicher Ergebnisse einzustellen. Die Ergebnisse der Trendrechnung werden über die Sender der SRG kommuniziert, jedoch nur in qualitativer Hinsicht. Der maximale Schätzfehler beträgt hier noch 5 Prozent. Deshalb geben wir keine Zahlen heraus, aber Einschätzungen zur Mehrheit. Die Hochrechnung selber ist das Herzstück. Sie muss an Abstimmungssonntage spätestens um 14 Uhr kommuniziert werden, und sie muss bis auf 2 Prozentpunkte mit dem Abstimmungsergebnis übereinstimmen.

Was sie auch tut: Die mittlere Abweichung der Hochrechnung vom Endergebnis beträgt genau 1 Prozent. Im Einzelfall sind wir schon mal genauer; es kommt aber auch vor, dass wir 2 Prozent abweichen.

So einfach ist das. Wenn man weiss, was der Themenbereich resp. das Konfliktmuster beträgt. Das nämlich ist der Trick. Doch davon später …

Claude Longchamp

youtube statt Aepfel

Meinungsbildung ist das Eine, Mobilisierung das Andere. Denn nur eine abgegebene Stimme kann eine gute Stimme sein. Diesmal verteilen die BefürworterInnen der Personenfreizügigkeit keine Aepfel an Stadtmenschen, um zu gewinnen. Sie setzen dem Zeitgeist folgend auf youtube, um mit Ironie die Bankgesellen von ihrem Bildschirm an die Urne zu bewegen.

Das sagt sich die Schweizerische Bankiervereinigung. Sie liess einen Clip produzieren und ins Netz stellen, der sich wie auch andere Aktiviten von Bankersvote ganz besonders an die Banker richtet. Leider sei ihm beim Ausfüllen des Stimmzettels die Tinte ausgegangen, und seine Kollegen hätten momentan auch nichts Flüssiges, lamentiert ein Bankangestellter auf der Züricher Bahnhofstrasse. Der Clip kontert die Ausrede: Man müsse schon bessere Gründe haben, um sich an der Volksabstimmung vom 8. Februar 2009 nicht zu beteiligen.

Das Video auf www.youtube.com nimmt einen in Umfragen gut bekannten Sachverhalt auf. Mehr Menschen, die befragt wurden, habe in der Sache eine Meinung, als effektiv Stimmen gehen. Trotz erleichterter Stimmabgabe via Post. Sie sollen mobilisiert werden!

Produziert wurde das Video von der Agentur von Campaigner Peter Metzinger. Schon 2005 erhielt er von der befürwortenden Seite der Personenfreizügigkeit den Auftrag, etwas zur Ausschöpfung der Stimmberechtigten zu unternehmen. Damals stimmten wir in dieser Sache im September ab; die Aepfel an den Bäumen standen in voller Blüte und wurden Zentnerweise unter die urbanen Leute verteilt, um sinnlich für die Personenfreizügigkeit zu werben. Diesmal ist es deutlich kälter in der Schweiz, die am 8. Februar 2009 über das gleiche Thema entscheidet. Das dürfte die Kampagnenaktionisten dazu geführt haben, via Internet zu mobilisieren.

Claude Longchamp

LobbyistInnen in der Lobby massgeblich?

Die Ringier-Presse hat es übers Wochenende aufgebracht: Es gibt einen Missstand mit dem Lobbying in der Lobby des eidgenössischen Parlamentes. Die Analyse, die präsentiert wird, greift allerdings viel zu kurz, um dem Phänomen Lobbying gegenüber dem eidgenössischen Parlament gerecht zu werden.


Uebersicht über die identifizierten Lobbyisten unter den MitarbeiterInnen des eidgenössischen Parlaments vor und nach 2007 gemäss Sonntagsblick

Jede(r) ParlamentarierIn in der Schweiz hat die Möglichkeit, zwei Vertrauten direkten Zugang zum Parlament zu verschaffen. Vorgesehen war dies ursprünglich, engen MitarbeiterInnen einen reibungslosen Kontakt mit ihren National- oder StänderätInnen zu gewähren. Nun hat nur eine Minderheit der ParlamentarierInnen direkte Mitarbeitende zur Seite. Andere ziehen hierfür Familienmitglieder zu Rate, und Dritte schliesslich bevorzugen es, sich drekt mit InteressenverteterInnen kurz zu schliessen. Entsprechend bunt zusammengesetzt ist die Liste der Personen mit einem privilegierten Zugang zum Parlament.
Die Liste erscheint übrigens nicht zu ersten Mal, wenn auch jetzt aufdatiert mit den Mutationen seit der letzten Parlamentswahl. Das macht sie als Dokument nützlich.

Der Stand des Lobbyings, der damit präsentiert wird, ist allerdings wenig nützlich. Er reduziert das Phänomen “Lobbying” in der journalistisch üblichen Weise auf die Interaktion von ParlamentarierInnen und Interessengruppen in der Lobby des Parlaments. Das Motto dahinter ist: “Je näher die Lobbyisten am Ort der Entscheidung sind, desto einflussreicher sind sie.”

Untersuchungen des Lobbyings legen nahe, dass das höchstens in Ausnahmefällen zutrifft. Nämlich dann, wenn die Mehrheiten im Parlament nicht klar sind, sich erst während Beratungen oder Schlussabstimmungen ergeben. Zwar hatten wir in jüngster Zeit einige solche Entscheidungen, doch ist das kein Indiz für den Einfluss des Lobbyings.

Erfolgreiche Einflussnahme auf parlamentarische Entscheidungen setzt nämlich nicht auf den Moment der Abstimmung unter der Bundeskuppel beschränken. Wirksames Lobbying ist permanent und prozessbegleitend. Entsprechend unterscheidet man alleine schon auf der Ebene des Parlaments mindestens zwischen Lobbying als

. aufbauende Beziehungspflege
. Gedankenaustausch mit VertrerInnen Politik
. Begleitung der Kommissionarbeit mit Entscheidungshilfen und
. Begleitung der Kammernarbeit bei Entscheidungen.

Auch die präsentierten Zahlen zur Zunahme der Lobbyisten sind nicht sehr aussagekräftig. Relevant ist letzlich vor allem das Statement von Freddy Müller, dem Präsidenten der Lobbyisten-Vereinigung in der Schweiz, das er dem Sonntagsblick gab. Er spricht von rund 250 professionellen Lobbyisten, die sowohl gegenüber dem exekutiven und legislativen Entscheidungssystem Einfluss nehmen, wobei sich aktuell eine Verlagerung weg von Regierung und Verwaltung hin zu Stände- und Nationalrat abzeichnet. Dort ist der strategische Wert der ParlamentarierInnen am grössten, die in einem Politikbereich mehrheitsbildend sein können. Sie finden sich häufig im Zentrum, am stärksten in der CVP-Fraktion. Das haben die Interessengruppen schon längst bemerkt, weshalb die Zahl der Lobbyisten im Vorfeld dieser Fraktion seit Herbst 2007 auch stark gestiegen ist.

Claude Longchamp

weiterführende Literatur:
Othmar Baeriswyl: Lobbying in der Schweiz, Villards-sur-Glane 2005
Robert Purtschert: Marketing für Verbände und weitere Non-Profitorganisationen, Haupt-Verlag 2005, 2. Auflage

Wie soll man ein allfälliges Nein zur Personenfreizügigkeit interpretieren?

Den Volkswillen bei Abstimmungen zu interpretieren, ist heikel. Politisch wie wissenschaftlich. Denn Entscheidung ist Entscheidung. Doch es ist sinnvoll, diese zu analysieren. Im Normalfall, wie auch im möglichen Spezialfall. Deshalb ist es Zeit, sich ein paar zusätzliche Gedanken zu machen, wie ein allfälliges Nein zur Personenfreizügigkeit untersucht werden müsste.


Wie kann man interessenbasierte Interpretationen eines allfälligen Neins zum 8. Fabruar 2009 verhindern?- Eine Herausforderung für die angewandte Politikwissenschaft, halte ich fest, mit der Absicht, sich ihr zu stellen

Die aktuelle Situation
Man erinnert sich: Kaum im Amt als Bundesrat, erklärte Christoph Blocher, es sei nicht die Aufgabe des Bundesrates, den Volkswillen zu interpretieren. Er solle sich an die Entscheidungen des Souveräns halten, und er solle danach handeln. Heute ist alles ganz anders: Schon vor der Volksabstimmung über die Personenfreizügigkeit ist ein Interpretationsstreit entbrannt, wie man ein allfälliges Nein interpretieren solle. Speziell die SVP-Exponnenten sind bemüht, ihre Sicht der Dinge durchzubringen, wonach ein Nein am 8. Februar 2009 nur ein Nein zur Erweiterung der Personenfreizügigkeit sei, nicht aber zu dieser als solcher und damit auch kein Verstoss gegen die Bilaterale I.

Zu den Positionen der Gegnerschaft
Die gestrige “Arena“-Sendung zur Volksabstimmung 2009 zeigte, dass die Sache komplizierter ist, denn auf Seiten der Opponenten wurden alle Positionen vertreten: “Nein” heisse Nein zur Erweiterung, meinte etwa Lukas Reimann von der SVP; “Nein” heisse Nein zur Personenfreizügigkeit an sich, konterte Ruedi Spiess von den Schweizer Demokraten. Ein “Nein” am 8. Februar 2008 wäre ein Nein zur gesamten Vorlage, über die abgestimmt würde, erwiderte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, was der Bundesrat bis Ende Mai 2009 der EU mitteilen müsste, womit die Bilaterale Verträge, die seit 2002 in Kraft seien, nach 6 Monaten automatisch auslaufen würden.

Politisch kann diese Diskussion nur entschieden werden, wenn alle Akteure, die an der Entscheidung beteiligt sind, mitsprechen können: der Bundesrat und das Parlament, die Stimmberechtigten und die Europäische Union.

Die Möglichkeiten der angewandten Politikwissenschaft
Die angewandte Politikwissenschaft kann der Politik in einem Punkt Hilfen anbieten: Sie kann die stark interessen-geleiteten Interpretationen der Akteure auf schweizerischer und europäischer Ebene, die sich auch in der Deutung des Volkswillens äussern, mit vertiefenden Untersuchungen spiegeln, kritisieren und einer vernünftigen Interpretation zuführen.

Statt normative Abstimmungsanalysen zu machen, empfiehlt es sich solche empirisch zu leisten. Ganz einfach gesagt: Die Stimmenden selber sollen sagen können, was sie mit ihren Entscheidungen beabsichtigten.

Gegenwärtig wird unter den Analytikern, die so oder so die Volksabstimmung zur Personenfreizügigkeit untersuchen werden, überlegt, wie angesichts der üblichen, aber unübersehbaren Diskussion zur Interpretation eines Neins am 8. Februar 2009 die VOX-Nachbefragung erweitert werden könnte. Klar herausgearbeitet werden müsste in der Nachanalyse der Volksentscheidung, die diesmal das Institut für Politikwissenschaft an der Universität Bern leistet, …

… wie man im Lager den Nein-Stimmenden seine Ablehnung verstanden hat
… wie man zu einer weiteren Volksabstimmung in der Sache steht,
… wie man bei einer Trennung der Entscheidungen über Fortsetzung und Erweiterung(en) stimmen würde.

Das Ganze macht nur dann Sinn, wenn die Konsequenzen unterschiedlicher Entscheidungen nicht gleich wären, wie ein allfälliges Nein am 8. Februar 2009. Um keinen schweizerischen Bias zu haben, müsste auch erörtert werden, ob man zu Konzessionen in anderen Dossiers wie der Banken-, Steuer-, Landwirtschafts- oder Forschungspolitik bereit wäre, um Verhandlungen zu einer modifizierten Personenfreizügigkeit zu erreichen. Und: Ob bei einem Nein die Bilateralen zu Ende sind, und was danach kommen soll, – Alleingang oder EU-Beitritt?

Besser wissensbasierte Interpretionen als interessenbasierte Annahmen
Ich denke, es ist sinnvoll, diese Fragen zu klären. Das ist keine Aussage zum Ausgang der Volksabstimmung vom 8. Februar. Aber es ist eine rechtzeitige Auslegeordnung für den Fall B, denn die Nachanalyse startet so oder so am Montag nach der Volksabstimmung. Und sie soll, wie immer, zu einer wissens-, interessenbasierten Interpretation des Volkswillens führen.

Claude Longchamp

«Jede Partei fährt immer mehr ihre eigene Schiene»

Der Artikel auf www.zoonpoliticon.ch brachte es in Rollen: Die beklagte Kampagnevielfalt bei der Volksabstimmung zur Personenfreizügigkeit verstärkt zwar die Imagewerbung für Akteure, aber nicht die Sachwerbung für das Anliegen. Die SDA hat das Sujet am Donnerstag aufgenommen, und folgendes Interview daraus gemacht.


SDA: 49 Prozent der Bevölkerung haben bei der letzten Umfrage Ja zur Personenfreizügigkeit gesagt, nur 40 Prozent waren dagegen. Sie gehen zudem davon aus, dass die Einstellungen relativ stabil sind. Ist das Rennen gelaufen?
Claude Longchamp: Im Normalfall: ja. Doch wir haben spezielle Zeiten. Wer hätte einen Tag vor dem 60-Milliarden-Rettungspaket an die UBS so etwas für möglich gehalten? Wegen der angespannten Wirtschaftslage bin ich vorsichtig in der Interpretation. Ein aussergewöhnliches Ereignis könnte das Resultat durchaus noch kippen.

Zum Beispiel?
Wenn etwa eine Grossfirma Ende Monat Tausende von Mitarbeitern entlässt.

Aber würde dies automatisch das Nein-Lager stärken? Die Befürworter argumentieren ja, dass angesichts der Krise die Beziehungen zur EU umso wichtiger und darum ein Ja so wichtig sei.

Unsere Analyse zeigt tatsächlich, dass wirtschaftliche Argumente für beide Lager wichtig sind. Trotzdem scheint mir bei einem grösseren Einbruch die Angst vor der Arbeitslosigkeit grösser zu sein als vor möglichen Schwierigkeiten mit der EU.

Hat die Wirtschaftsseite also ein Glaubwürdigkeitsproblem?
Ja, denn die milliardenschwere Hilfe an die UBS gepaart mit hohen Boni hat das Volk nicht goutiert. Es ist denn auch kein Zufall, dass in der aktuellen Kampagne nicht Top-Manager wie Marcel Ospel oder Daniel Vasella die Ja-Kampagne führen, sondern Patrons wie Johann Schneider-Ammann oder Otto Ineichen. Bei der Abstimmung zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Osteuropa im Jahr 2005 war das noch anders.

Sehen sie andere Unterschiede der Befürworter-Kampagne?

Nur wenige. Das Plakatsujet des Apfelbaums ist dasselbe, auch die Argumente sind ähnlich.

Der Apfelbaum stösst nicht überall auf Gegenliebe. Ineichen und Schneider-Ammann kritisierten das Plakat als zu emotionslos und abstrakt. Sie werben nun mit dem SVP-Raben, um deren Argumente zu kontern.
Diese Kritik verstehe ich nicht. Das Sujet des Apfelbaums hat eine klare Aussage und einen grossen Wiedererkennungseffekt. Die Kampagne war 2005 erfolgreich. Zudem ist es grundsätzlich falsch, den Gegner zu kopieren. Wer Erfolg will, muss sich vom Gegner abgrenzen. Für eine Erweiterung der Kampagne mag das gehen, doch grundsätzlich gilt: Es muss eine eigene Symbolik her.

Wie schätzen Sie die Raben-Kampagne der SVP ein?
Die Aussage ist missverständlich. SVP-Präsident Toni Brunner redete von einer diebischen Elster, doch wo ist der weisse Bereich auf dem Bauch? Die Verbindung zwischen Kriminalität und dem Tier funktioniert nicht. Die Junge SVP zeigt kommunikativ klarer, was sie sagen will. Sie zeigt einen ausländischen Einbrecher, der mit seiner Beute aus dem Haus steigt. Hier ist die Botschaft klar.

Die Raben-Kampagne hat immerhin für Wirbel gesorgt. Reicht dies nicht? Nein, bei dieser Vorlage nicht. Für noch unbekannte Themen ist Aufmerksamkeit das A und das O. Als man zum Beispiel vor 15 Jahren auf AIDS aufmerksam machen wollte, war es erst mal wichtig, dass man darüber redet. Alles andere war sekundär. Bei der Personenfreizügigkeit ist das anders: Das Thema ist bekannt. Hier müssen sachliche Argumente ins Zentrum, wenn man die Abstimmung gewinnen will.

Wieso wirbt die SVP trotzdem mit dem Raben und dem Kriminalitätsargument?

Einerseits aus argumentativer Not, andererseits weil sie Imagewerbung betreibt. Sie will sich für rechte Kreise empfehlen. Mit der Imagewerbung ist sie nicht alleine. Werbung im Sinne der Partei anstatt zum Wohle der Vorlage nimmt in der Schweiz generell zu. Schauen sie sich zum Beispiel die FDP-Plakate an!

Die FDP wirbt mit einem Güterzug auf dem Weg in die EU, dessen Schiene allerdings von Christoph Blocher und Toni Brunner sabotiert wird.
Ein absolutes Novum in der Schweiz! Das erste Mal macht eine Partei in der Schweiz in einer offiziellen Kampagne Werbung mit einer anderen Partei. Es geht der FDP dabei weniger darum, der Vorlage zum Durchbruch zu verhelfen, sondern ihr Image zu verbessern. Sie will damit sagen: Die Politik der SVP ist nicht gut für die Schweiz. Die inhaltliche Aussage dieses Plakats ist schwach.

Auffällig ist im gegenwärtigen Abstimmungskampf die Vielzahl der Komitees und Plakate. Hängt dies ebenfalls mit der Eigenprofilierung zusammen?
Absolut. Jede Partei fährt immer mehr ihre eigene Schiene. Dies muss nicht zwingend schlecht sein. Sie hilft bei der Mobilisierung gegen innen. CVP-Sympathisanten lassen sich logischerweise am besten mit einer CVP-Kampagne ansprechen. Die Gefahr besteht allerdings darin, dass man sich verzettelt und die Hauptkampagne in den Hintergrund rückt. Bei der aktuellen Vorlage ist man am Rand dazu. Früher hiess es: Getrennt marschieren, vereint schlagen. Heute dagegen zunehmend: Getrennt marschieren und getrennt schlagen.