Der Plan B bei einem Nein zur Personenfreizügigkeit

Juristen, die für die SVP Gutachten machen, glauben nicht, dass bei einem Nein zur Personenfreizügigkeit am 8. Februar 2009 die Bilateralen I gekündigt werden müssen. Sie argumentieren, es könne zu einer zweiten Volksabstimmung am 27. September kommen, bei der man über Fortsetzung und Erweiterung der Personenfreizügigkeit getrennt abstimme. Die Fortsetzung der Personenfreizügigkeit werde dann sicher angenommen, was reiche, um die Bilateralen nicht zu gefährden. “Es gibt keinen Raum für Spekulationen und Spielen auf Zeit”, erklärt dazu der EU-Botschafter in der Schweiz, Michael Reiterer.

Die Position der SVP
Man weiss es: Die SVP lehnt die Vorlage zur Personenfreizügigkeit ab, obwohl es in der Partei Stimmen dafür und dagegen gibt. Am liebsten hätte man eine Vorlagenteilung gehabt, am zweitliebsten würden man diese noch bekommen. So könnte der Wirtschaftsflügel sein Ja zur bisherigen Personenfreizügigkeit durchsetzen, während die nationalkonservative Teil der Partei Nein zur Erweiterung sagen könnten.

Im Umfeld der SVP kursiert seit geraumer Zeit ein juristisches Gutachten, wie es bei einem Nein am 8. Februar 2009 weiter gehen könnte. Verfasst hat es der Jurist Manuel Brandenberg aus Zug, gleichzeitig Präsident der SVP der Stadt Zug. Darin wird bestritten, dass die Schweiz nach einer Ablehnung der Vorlage die Nicht-Weiterführung des Abkommens zur Personenfreizügigkeit und damit auch das Ende der Bilagteralen I mitteilen müsse. Denn es sei seinerzeit nur festgehalten worden, dass man über die Fortsetzung abstimmen müssen, nicht aber wann das zu erfolgen habe.

Die Szenarien
Der Parteigutachter schlägt vor, dass sich das Parlament auf einen Plan B, für den Fall einer Ablehnung der jetzigen Vorlage einstellt. Das Vorgehen wäre gerafft wie folgt:

. In der Märzsession 2009 fasst das Parlament zwei neue, getrennte Bundesbeschlüsse über die Weiterführung der Personenfreizügigkeit einerseits und die Ausdehnung auf Rumänien und Bulgarien anderseits.
. Die Referendumsfrist wird abgewartet.
. Allenfalls wird am 27. September 2009 erneut, nun aber getrennt abgestimmt wird.

Drei Szenarien sind möglich:

Erstens, sollte das Parlament bzw. das Volk sowohl der Weiterführung der Personenfreizügigkeit als auch der Ausdehnung auf Rumänien und Bulgarien zustimmen, muss die Schweiz gar nichts unternehmen. Die Bilateralen I laufen einfach weiter.

Zweitens, sollte das Parlament bzw. das Volk der Weiterführung zustimmen, die Ausdehnung auf Rumänien und Bulgarien jedoch ablehnen, kann die Schweiz der EU mitteilen, dass sie die Bilateralen I so, wie sie ursprünglich unterzeichnet wurden, weiterführen will, ohne die Anwendung der Verträge auf Rumänien und Bulgarien.

Drittens, sollte das Parlament bzw. das Volk sowohl die Weiterführung als auch die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit ablehnen, dann, aber erst dann, muss das Freizügigkeitsabkommen gekündigt werden, wonach auch die übrigen Bilateralen I dahin fielen.

Kommentar der EU
Solche Ueberlegungen werden auf EU-Seite nicht geteilt: Im Falle eines Neins zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien werde das erste Paket der Bilateralen hinfällig. Reiterer kann sich zwar nicht vorstellen, dass es zwischen der Schweiz und der EU angesichts der räumlichen Nähe keine bilateralen Beziehungen mehr gäbe. Aber die Schweiz könne nicht damit rechnen, bei Neuverhandlungen ein besseres Resultat zu erzielen.

Claude Longchamp

Roger de Weck: starke Demokratie vs. schwacher Rechtstaat (Bundesratswahlen 2008/15)

Die Reformdiskussion zur schweizerischen Demokratie geht weiter. Der führende Publizist Roger de Weck äussert sich in einem grossen “swissinfo”-Interview zu Stärken und Schwächen der politischen Kultur der Schweiz. Sein genereller Befund: “Wir haben in der Schweiz eine starke Demokratie, aber einen schwachen Rechtsstaat.”


Roger de Weck kritisiert den ungebrochenen Rechtspopulismus in der Schweiz

Ausgangspunkt der Analyse von Roger de Weck ist der Rechtspopulismus. Dieser funktioniere überall nach dem Grundmuster, nur ein starken Mann könne das Land vor dem Niedergang retten.

Diese Rolle nehme in der Schweiz seit Jahren Christoph Blocher ein; es sei davon auszugehen, dass das anhalten werde, etwa wenn Blocher Präsident der Zürcher SVP werde. Unabhängig davon finanziere Blocher politische Kampagnen mit schätzungsweise 10 bis 12 Millionen Schweizer Franken im Jahr. Diese würden durch boulevardisierte Medien verstärkt, die Konfliktdiskussionen solchen über Lösungen vorziehen und Emotionen über Sachfragen stellen würden.

Weil die Schweiz keine Nation ist, sei der Bezug zum Volk für den hiesigen Rechtspopulismus konstitutiv. Das zeige sich im rechten Selbstverständnis von direkten Demokratie. Initiativen aus diesem Lager seien teilweise menschenrechtswidrig; mit Kampagnen appeliere man an rassistische Gefühle.

Roger de Weck spricht aufgrund dieser Analyse einer Modernisierung der Insitutionen das Wort, die auf die folgenden Punkte ziele müsse:

. Gleichwertigkeit von Rechtsstaat und Demokratie
. Verbesserter Schutz der Grundrechte
. Neudefinition der Konkordanz als minimale Uebereinstimmung in solch generellen Fragen
. Verteilung von Regierungssitzen unter Parteien, die entsprechende Uebereinstimmung gefunden haben
. Transparenz in der Kampagnenfinanzierung, insbesondere vor Volksabstimmungen

Die Analyse und Folgerungen von de Weck stehen in einem gewissen Gegensatz zu den Reformvorschlägen, die Andreas Auer diese Woche mit der Volks- statt Parlamentswahl des Bundesrates lanciert hat. Nicht mehr unmittelbare Demokratie brauche die Schweiz, empfiehlt der führende Schweizer Publizist, sondern mehr Schutz der Grundrechte aller, auch der Nicht-SchweizerInnen. Entsprechend kritisiert de Weck, die schwache Ausprägung des rechtstaatlichen Denken bei stark vorhandenem Demokratie-Bewusstsein.

“Unsere Gründerväter haben bewusst nicht alles und jedes dem Volk überlassen. Wenn eine absolute Volksherrschaft, ein demokratischer Absolutismus herrschen würde, würden die Minderheiten überfahren. Unser politisches System wollte das verhindern. Die Populisten, die sich auf die schweizerischen Werte berufen, ignorieren diese wertvolle Schweizer Tradition.”

Claude Longchamp

Der Herbst der jetzigen Bundesratswahlen (Bundesratswahlen 2008/12)

Einen Tag vor der spannenden, aber auch unklaren Ersatzwahl für Bundesrat Samuel Schmid meldet sich der neue Zürcher Staatsrechtler Andreas Auer zu Wort. Im Tages-Anzeiger von heute kritisiert er das Regierungssystem, das unverändert die Züge von 1848 trage und nicht mehr zur heutigen Zeit passe. Er spricht sich für die Volkswahl der Regierung aus.

Andreas Auer, seit 2008 Professor für Staatsrecht an der Uni Zürich
Andreas Auer, seit 2008 Professor für Staatsrecht an der Uni Zürich

Die Wirren um die Nachfolge von Samuel Schmid gefallen dem Staatsrechtler nicht. Zwar nennt er die Uneinigkeit der Parteien nur vorsichtig als Grund, und auch die Medialisierung der Nomination wird eher zurückhaltend erwähnt. Doch sieht Auer in der Oeffnung der Bundesratswahlen über den Raum des Bundesversammlung hinaus ein Ungleichgewicht aufkommen: Das Volk, in der direkten Demokratie gewöhnt, alles zu entscheiden, wird in der zentralen Personenfrage auf Zuschauen zurückgebunden.

Andreas Auer spricht sich klar für die Volkswahl eines institutionell erneuerten Bundesrates aus. Hier seine zentralen Forderungen:

. Die Bundesregierung setzt sich inskünftig auf BundesrätInnen und MinisterInnen zusammen.
. Die Bundesräte werden vom Volk gewählt. Sie müssen die Landesteile repräsentieren nicht die Kantone. Der Bundesrat leitet die Geschäfte politisch.
. Das Parlament bestimmt die Minister, welche die Departemente führen.
. Die Zahl der Departement wird erhöht, um einen Grössenausgleich zu schaffen.
. Die Amtszeit wird generell beschränkt.

Auer stellt sich die Frage, warum die Volkswahl von Regierungen in den Kantonen klappen, beim Bund aber versagen sollen. Die Berechenbarkeit von Bundesratswahlen – bisher das wichtigste Argument für den Status Quo – entfalle nämlich zusehends. Und in den Kantonen werde mit ausgleichendem Wahlrecht und Wahlabsprachen unter den Parteien sehr wohl Rücksicht auf eine ausgewogenen partei- und regionalpolitische Zusammensetzung genommen.

Der Staatsrechtler attestiert, die voraussichtlichen Wahlkampfausgaben seien die Schwäche des Vorschlags. Sie müssten geregelt werden. Die Schwäche des heutige Systems sei, dass man, um der Ohnmacht der BürgerInnen Ausdruck zu verleihen, der Wahl der Regierung in Medien immer deutlicher mit obskuren Machenschaften in Verbindung bringe.

Das sei der Demokratie nicht würdig.

Claude Longchamp

Gekonnte Analyse aus der Distanz (Bundesratswahlen 2008/10)

Gestern hielt Adrian Vatter an der Uni Zürich seine Antrittsvorlesung als ordentlicher Professor für schweizerische Politik. Sie trug den Titel “Die schweizerische Konsensdemokratie im Umbruch – Auf dem Weg zur Mehrheitsdemokratie?” und nahm indirekt zum den anstehenden Bundesratswahlen Stellung.

Am 10. Dezember wählt die Bundesversammlung den Nachfolger von Samuel Schmid als Bundesrat. Ueli Maurer ist in der Pole-Position; und mit ihm würde die SVP nach kürzerer Zeit wieder in den Bundesrat eintreten. Die Episode der Opposition zum Bundesrat wäre damit vorbei.


Charakteristik der schweizerischen Demokratie nach Vatter: Machtteilung durch ausgebauten Föderalismus, entwickelte direkte Demokratie und Bi-Kameralismus lassen insgesamt eine Mehrparteienregierung als sinnvoll erscheinen.

Die neue Analyse der schweizerischen Demokratie
Würde die Schweiz damit zum Muster für Konsensdemokratie zurückkehren? “Nein”, sagt Adi Vatter, denn sie hat sich von diesem Demokratie-Typ schon länger wegentwickelt. Auch ohne das Jahr 2008 verweisen die Indikatoren zur Bestimmung von Einheits- und Mehrheitsdemokratien auf eine Normalisierung des früheren Spezialfalles hin.

Nach diesem Einspruch wurde gestern eine neue vergleichende und schweizspezifische Analyse, die darauf ausgrichtet ist, eine neues Verständnis von Demokratie-Typen zu finden. Arend Lijpharts Klassierung bildet dabei den Ausgangspunkt, ohne bei ihr stehen zu bleiben, denn nach Vatter gilt es diese weiterzuführen und zu erweitern. Es müssen heute drei Fragen gleichzeitig geklärt werden:

. Erstens, wie viel Konsens bestimmt die Entscheidfindung?
. Zweitens, wie stark ist der Regionalismus im politischen System verankert?
. Drittens, wie stark ist die direkte Demokratie im Gefüge der Institutionen berücksichtigt?

Vatters Antworten für die Schweiz lauten: Die Entscheidfindung wird zunehmend durch Parteienpolitik gekennzeichnet. Das spricht gegen Konsens. Das föderalistische und direktdemokratische Fundament der Schweiz legt indessen unverändert nahe, nach dem Konkordanz-Mustern zu kooperieren.

Die naheliegenden Folgerungen
Vatter sieht die Schweiz von heute als Verhandlungsdemokratie auf Konkordanzbasis. Bis zum Uebergang zur Mehrheitsdemokratie nach britischen Muster fehlt jedoch noch viel. Ohne Reduktion der kantonalen Mitsprache und der ausgebauten Volksrechte wird das auch kaum gehen. Mehrparteienregierungen erscheinen deshalb als treffende Antwort auf die heutigen Voraussetzungen zu sein. Das lässt sich nach der Antrittsvorlesung klar, wenn auch nicht genauer festhalten.

Mit Blick auf den übernächsten Mittwoch ergibt dies die nachstehende Empfehlung: Die grossen Parteien sollen im Bundesrat vertreten sein. Es ist jedoch nicht mehr mit Konsens-Politik zu rechnen, sondern mit ausgehandelten und wechselnden Mehrheiten zwischen den Parteiinteressen, die sich von Fall zu Fall ergeben.

Wer an diesem Abend dabei war, bekam eine gekonnte Analyse der schweizerischen Gegenwart geliefert, theoretisch innovativ, empirisch gut unterlegt und nicht ohne Folgerungen für die Praxis. Anregend war sie, weil sie mit kühler Distanz erfolgte. Doch auch wer gestern nicht dabei war, kann dieser Tage mitverfolgen, ob sich die Politik in ihrer gegenwärtigen Aufgeregtheit an Schlüsse eines führenden Politikwissenschafters an den Schweizer Universitäten hält. Bald wissen wir mehr!

Claude Longchamp

Die Machtfrage in der SVP (Bundesratswahlen 2008/7)

Mit dem Fraktionsentscheid vom Donnerstag über die Kandidatur für die Nachfolge von Samuel Schmid als Bundesrat wird die Machtfrage in der SVP gestellt. Ein eigentlicher Richtungsentscheid bahnt sich via Personen- und Verfahrensfragen an.

christoph blocher und sein publikum, die basis des svp erfolges
christoph blocher und sein publikum, die basis des svp erfolges

Sozialwissenschaftliche Machtdefinitionen
Max Weber, der grosse deutsche Soziologe zu Beginn des 20. Jahrhunderts, definierte Macht als “jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht.“ Damit gab er der Durchsetzungsmacht eine gültige Umschreibung, ohne sich um die Frage zu kümmern, worauf diese Macht basiert. Das haben Sozialpyschologen besser auf den Punkt gebracht. Macht entsteht durch Position, Identifikation oder Wissen und sie bedient sich der Belohnung oder des Zwangs als Mittel.

Christoph Blochers Macht wird in Frage gestellt
Christoph Blocher verfügte lange über verschiedene dieser Machtressourcen; seine stärkste war jedoch sein Charisma. Seine Anhängerschaft ist fasziniert von ihm, fühlt sich mit ihm verbunden, ja identifiziert sich mit ihm in hohem Masse. Das verdrängt Meinungsverschiedenheiten, verringert Diskussionen und führt dazu, das gelegentliche Differenzen meist schnell aufgegeben werden.

Christoph Blochers Charima wirkt in der aktuellen Situation nicht mehr wie früher. Die Machtfrage in der Partei wird offen gestellt. Die Idenfitikation mit dem Uebervater der Partei ist macherorts zum Ritual verkommen, das zwar demonstrativ beschworen, hinter den Kulissen aber unterlaufen wird. 10 Kandidaten aus den eigenen Reihen treten gegen Christoph Blocher an, und man weiss nicht, ob es nichtnoch weitere gibt, die losgelöst vom parteiinternen Verfahren auf einen geeigneten Moment warten, um sich doch noch ins Spiel zu bringen.

Die Entscheidung des Machtkampfes
Die nächsten zwei Tage werden zeigen, wer in der SVP das Sagen hat, das heisst nach Weber seinen Willen auch gegen Widerstände durchsetzen kann. Man wird genau beobachten können, wer in der grössten Partei die Macht inne hat: der Parteipräsident, wie es sich gehört, dier Uebervater, wie man es erwartet, die Seilschaften des Nachwuchses und der Frauen, die ihre Chance wittern, die ideologischen Grundsatzpolitiker, welche die Vorherrschaft über die Partei zu verteidigen suchen oder die pragmatischen Interessenvertreter die ihre politischen Anliegen mit dem Staat realisieren müssen.

Der Vorentscheid fällt schon bei der Zahl der Nominierungen: Eine Einerkandidatur Blocher verhindert mit aller Wahrscheinlichkeit die Rückkehr in den Bundesrat, mit ungewissen Konsequenzen. Eine Einerkandidatur ohne Blocher beendet seine Karriere, auf Geheiss der eigenen Fraktion. Und eine Zweikandidatur mit Blocher und einer weiteren Person ist eine offene Einladung an die Bundesversammlung, die SVP in den Bundesrat aufzunehmen und dabei Blocher nochmals abzulehnen. Damit sind die Aussichten der SVP, mit Blocher im Bundesrat vertreten zu sein, sehr gering. Das Maximum, was der gealterte Machtapparat um ihn herausholen kann, ist dass ein Getreuer als Zweiter nominiert und gewählt wird.

Man erinnere sich nur ein Jahr zurück, um zu begreifen, was sich alles verändert hat. “SVP wählen – Blocher stärken”, war das damalige Motto. Heute ist nicht einmal mehr sicher, ob Blocher wählen auch SVP stärken bedeutet.

Claude Longchamp

Die Bundespräsident verdient Unterstützung (Bundesratswahlen 2008/5)

Vielleicht ist Pascal Couchepin nicht die richtige Person, um der SVP den Tarif zu erklären. Denn er fordert von ihr aufzuzeigen, wie sie in der Schweiz wieder mitregieren will. Die Reaktion der SVP ist verständlich, trägt aber nichts zur Klärung der Sache bei.


Das renovierte Bundeshaus auf der Suche nach neuem Ausdruck (Foto: cal)

Das Regieren in der Konkordanz ist nicht ohne. Es ist kein Entscheid von Fall zu Fall, sondern auf Dauer angelegt. Deshalb basiert es auf Engagement für die Sache und Mässigung im Verhalten. Es soll garantieren, dass VertreterInnen von Parteien mit unterschiedlichen Position gemeinsam nach Lösungen suchen.

Die alten Eintrittsregeln
Lange war klar, was die Voraussetzungen hierfür waren. Die FDP als Staatsgründerin und ehemalige Mehrheitspartei legte fest, wie sie lauteten. Häufig mussten Oppositionsparteien als Erstes das Problem einer gemeinsamen Lösung zufügen, mit sie stark wurden. Aus der Minderheitsposition heraus konnte sie das auch erheblich kompromitieren. Das galt dann als Zähmung.

Die De- resp. Reregulierung
Von dieser Regulierung sind wir heute weit entfernt. Denn sie wurde in den letzten 20 Jahren vollständig verändert. Unter dem Ansturm der SVP wurden die Eintrittsbedingungen in den Bundesrat weitgehend dereguliert. Artithmetische Konkordanz nennt man das heute: Der WählerInnen-Anteil, allenfalls die Repräsentation in beiden Kammern und in den verschiedenen Landesteilen, berechtigt einzig, Besitzansprüche anzumelden.

Seit einiger Zeit beobachtet man eine Tendenz zur Reregulierung der Schwelle, um im Bundesrat vertreten zu sein. Die arthmetische Regel bleibt, doch wird sie immer mehr durch ethische Anforderungen ergänzt. Denn konkordantes Regieren setzt die Anerkennung grundlegender Prinzipien des politischen Systems, seineer Funktionsweisen und der sie bestimmenden politischen Kultur voraus. Respekt vor den Partnern, Akzeptierung der eigenen Minderheitsposition und Loyalität gegenüber gemeinsamen Entscheidungen werden von Mitgliedern einer Exekutive erwartet. Achtung der Institutionen, der Verfassung und internationalen Verpflichtungen durch die Regierungsparteien gehören heute ebenfalls dazu.

Den Tatbeweis einfordern
Diesen Tatbeweis erwartet man heute zurecht, wenn eine Partei aus der Opposition in die Regierung will. Es geht nicht mehr darum, in einer Sachfrage eine totale Kehrwende machen zu müssen. Doch es geht darum, vom politischen Akteur, der sich seiner Stärkung wegen frei definiert, was und wie er etwas tut, zum verantwortungsbewussten Träger eines Staates zu werden, denn man gemeinsam regiert.

Das einzufordern, ist dann die Aufgabe des Bundespräsidenten, wenn alle anderen, denen die öffentliche Sache nicht einfach egal ist, es nicht tun.

Claude Longchamp

“They never come back” (Bundesratswahlen 2008/4)

Boxer sind hart im Nehmen und hart im Geben, sonst geht gar nichts! Doch gibt es für sie ein ehernes Gesetz: Einmal weg vom Fenster, gibt es kein zurück mehr, lautet wenigstens die populäre Redewendung. Auf die Politik übertragen schient das nicht zu gelten. Zwar teilt man gerne aus, und kassiert man dafür auch Schläge, doch bei der SVP macht sich ein stures Festhalten an einer Einerkandidatur von alt-Bundesrat Christoph Blocher bemerkbar. Mit hohen Risiken!


Die Abwahl von Christoph Blocher als SVP-Bundesrat, die bei ihm und seiner Partei unverarbeitet ist

Es erstaunt, mit welcher Hartnäckigkeit die SVP die Rückkehr von Christoph Blocher in den Bundesrat fordert. Und es überrascht, mit welcher Zielstrebigkeit Christoph Blocher selber sein Comeback anstrebt.

Die richtige Person zum richtigen Moment
2003 waren Christoph Blocher und seine SVP im richtigen Moment am richtigen Ort. Was vorher nicht gelang, glückte nach dem grosen Wahlsieg der SVP bei den Parlamentswahlen von 2003. Die grösste politische Partei der Schweiz, die mit nur einem von sieben Bundesräten in der Landesregierung unterdotiert vertreten war, konnte nach den Regeln der arithmetischen Konkordanz Anspruch auf einen weiteren Sitz in der Exekutive pochen. Sie konnte diesen mit Hilfe der interessierten FDP und weniger CVP-Vertretern auch mit einer alternativlos präsentierten Kandidatur durchsetzen. Das Ueberraschungsmoment am Wahlabend selber war für den späteren Erfolg mitentscheidend.

Die Ursachen der Veränderung
Doch vier Jahre später wurde Christoph Blocher abgewählt. Nicht wegen eines fehlenden politischen Leistungsausweises. Auch nicht mangels fachlicher Kompetenzen. Nein, die zustande gekommene Allianz gegen ihn hatte drei Grundlagen:

Erstens, die politischen Gegnerschaft, die Bundesrat Christoph Blocher vorwarf, Verfassungs- und Völkerrecht zum Gegenstand parteipolitischer Gefechte gemacht zu haben, bei denen der Justizminister gerne die Schiedrichterrolle in eigener Sache spielte;
zweitens, der Teil der Wahlmänner und -frauen von 2003, die mit der Verstärkung der SVP im Bundesrat gehofft hatten, eine Zähmung der erfolgreichen Parteien erreichen zu können, zwischenzeitlich aber enttäuscht waren;
und drittens, bürgerliche ParlamentarierInnen, die genug von den regelmässig aggresiven Beleidigungen im täglichen Umgang mit Bundesrat Blocher hatten.

Die falsche Person im Moment der Rückkehr

Das Szenario, das sich jetzt bei der Ersatzwahl für Bundesrat Samuel Schmid abzuzeichnen beginnt, erinnert zu stark an frührere Vorgänge: Die SVP will Christoph Blocher. Sie verweist auf seinen Leistungsausweis als Unternehmer, der viele Herausforderungen erfolgreich bestanden hat. Doch sie schliesst personelle Alternativen von Beginn weg aus.

Damit ging und geht sei ein hohes Risiko ein. Rechnet man die gemachten Erfahrungen mit Bundesrat Blocher zwischen 2003 und 2007 hinzu, muss man von einem halsbrecherischen Poker sprechen: Wenig wahrscheinlich ist es, dass der Trumpf sticht und die SVP erneut mit Christoph Blocher im Bundesrat vertreten sein wird. Denn die anderen Regierungsparteien haben nicht offiziell, aber unmissverständlich verlauten lassen, abgewählte Bundesräte nicht wieder zu wählen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass die Karte, auf die man zu setzen scheint, nicht zieht. Die SVP wäre dann keinen Schritt weg von der Oppositionsrolle, in die sich die Partei wegen der Abwahl von Christoph Blocher manövriert hatte.

Die Hoffnung stirbt zuletzt
Zu hoffen wäre, dass die SVP den Reflex der Boxer aufnimmt, nicht ungeschützt einen k.o.-Schlag zu kassieren, sondern rechtzeitig auszuweichen. Auf die Politik übertragen heisst dies, Partei- und Personeninteressen zu unterscheiden, damit die Partei ihren Anspruch auf einen Bundesratssitz einlösen kann.

Entscheidend ist bei einer erfolgreichen Wahl in die Landesregierung, auf die Unterstützung im den eigenen Reihen und auf die Anerkennung durch eine Mehrheit der ParlamentarInnen zählen zu können. Dass es ohne Rückhalt in einer Partei nicht geht, hat das Scheitern von Samuel Schmid nachträglich bewiesen. Ohne die nötigen Zustimmungsabsicht im Wahlgremiums ist eine Kandidatur von alt-Bundesrat Blocher schon im Voraus illusorisch.

Claude Longchamp

10 Gründe, warum man in der Schweiz besser in der Regierung als in der Opposition ist (Bundesratswahlen 2008/3)

Unmittelbar nach der Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat erklärte die SVP, in die Opposition zu gehen. Sie nahm den Bisherigen Samuel Schmid und die Neue Eveline Widmer-Schlumpf nicht (mehr) in die Bundeshausfraktion auf. Es folgte die Parteispaltung in die grosse Mehrheit der SVP und die kleine Minderheit der BDP. Jetzt will die SVP wieder zurück in die Regierung. Eigentlich nicht überraschend, denn es gibt in der Schweizer Politik 10 Gebote, warum man besser in der Regierung als in der Opposition ist.


Aller Kritik zum Trotz: Die 1959er Wahl in den Bundesrat, die Geburt der Zauberformel, ist bis heute stilbildend für das sinnvolle Verhalten der grösseren politischen Parteien in der Schweiz geblieben.

Erster Grund
Das politische System und seine Kultur sind auf Machtteilung und Integration der grösseren politischen Parteien ausgerichtet. Eine Oppositionsrolle für eine politische Partei existiert nicht. Selbst die Parteien, die nicht direkt im Bundesrat vertreten sind, verstehen sich in der Regel nicht als Oppositions-, sondern als Nicht-Regierungsparteien.

Zweiter Grund
Die Volksrechte sind ein Mittel der thematischen, nicht aber der systematischen Oppostion. Volksinitiativen sind geeignet, länger andauernde gesellschaftliche Probleme, die keiner politischen Lösung zugeführt werden, aufzugreifen und zu thematisieren. Ihre Behandlung erfolgt aber weder just in time, noch ist die Mehrheit wahrscheinlich.

Dritter Grund
Referenden sind zwar besser geeignet, schnell auf parlamentarische Entscheidungen reagieren zu können als Initiativen. Doch ist ihr taktischer Gebrauch für eine politische Partei nicht unproblematisch, weil sich der Konflikt nicht zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien focussieren lässt. Je nach Interessen verlaufen die Bruchlinien eher quer zu den Parteien und Fraktionen.

Vierter Grund
Oppositionsparteien finden zwar unverändert mediale Aufmerksamkeit. Sie können aber nicht mehr darauf zählen, in Themen, welche den Mediendiskurs bestimmen, automatisch als Trendsetter angesehen zu werden. Das verändert ihre Darstellung und Bewertung, die, ohne eigene Medien kritischer wird.

Fünfter Grund
Eigene Massenmedien als politische Partei zu haben, ist illusorisch geworden. Dazu ist keine Partei mehr in der Lage. Artikulationsmedien, die via schnell und kostengünstig via Internet funktionieren, sind zwar möglich, aber nicht besonders wirkungsvoll. Sie bestimmen den Mainstream in den Massenmedien nicht.

Sechster Grund
Die periodischen kantonalen und städtische Wahlen werden vor allem für Oppositionsparteien zu Herausforderungen. Denn es wird erwartet, dass sie diese lückenlos gewinnen. Gelingt ihnen das nicht, wendet sich die Erwartungshaltung schnell gegen sie, was die Partei und ihre Wählenden rasch verunsichert.

Siebster Grund
Da auch nationale Oppositionsparteien auf kantonaler und kommunaler Ebene in der Regierung sind und verbleiben, ist die Kommunikation einer klaren Alternative zum Regierungslager problematisch, denn faktisch gehört man auch als nationale Opposition in vielen, vor allem lokal und föderalistisch bestimmten Politiken zum Regierungslager.

Achter Grund
Die parlamentarischen Entscheidungen auf nationaler Ebene eröffnen zwar reichhaltige Möglichkeiten der thematischen Opposition. Diese ist jedoch ohne faktischen Fraktionszwang nicht ohne Weiteres durchsetzbar. Das Problem erhöht sich, je unvollständiger die Oppositionrolle definiert wird, etwa bei der Besetzung von Kommissionspräsidien.

Neunter Grund
Fraktionen, die keinen formellen und informellen Zugang zum Bundesrat haben, sind von relevanten Informationen der Willensbildung abgeschnitten. Die Chance, politische Entscheidungen relevant vorweg nehmen zu können, um sie im Sinne der Opposition zu beeinflussen sind bescheiden.

Zehnter Grund
Die politischen Ambitionen der Schweizer PolitikerInnen ist nicht auf die Realisierung bestimmter Politiken ausgerichtet. Sie ist auch durch den Wunsch, politisch relevant an der Macht beteiligt zu sein, bestimmt. Das erschwert die innere Kohärenz von Fraktionen in Oppositionsparteien.

Zwar konnte man diese 10 Geründe gegen die Opposition von Parteien im politischen System der Schweiz in den letzten 10 Monaten ausgesprochen gut beobachten. Allerdings sind sie alles andere als neu.

Die unübersehbaren Spaltungen in der Konkordanzkultur der Schweiz von heute, dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass die Struktur der politischen Entscheidfindung in der Schweiz ausgesprochen auf Integration angelegt ist, die es nur um den Preis der politischen Mässigung gibt.

So bleibt eigentlich nur ein Fazit: Der einzige wirkliche “Erfolg” der Oppositionspolitik von Parteien ist der Sturz von Regierungsmitgliedern, die den eigenen Interessen, selber wieder in der Regierung vertreten zu sein, entgegenstehen.

Claude Longchamp

“Grosse” resp. “kleine” Konkordanz-Ideen (Bundesratswahlen 2008/2)

Mit dem Rücktritt von Bundesrat Schmid ist – von links her – die Idee der kleinen Konkordanz erneut aufgebracht worden. Was hat es damit auf sich, wie ist der Vorschlag zu beurteilen, und was sind die Konsequenzen für die Nachfolge Schmids.

Der Vorschlag
Entstanden ist die Vorschlag der kleinen Konkordanz in der letzten Legislatur. Richtig lanciert wurde er Ende August 2007 mit dem Buch “Fahrplanwechsel“, das im Wesentlichen rot-grüne Stimmen aus Politik, Publizistik und Wissenschaft vereinte.

Die Ueberlegung dahinter besticht auf den ersten Blick: Die Regierungszusammensetzung wird im politischen Spektrum auf jene Kräfte verringert, die sich grundsätzlich zur Zusammenarbeit verpflichten. Aktuell sind das wohl die CVP, die FDP, die BDP und die SP.

In Sachfragen besteht zwar keine regelmässige Einigkeit, in den wesentlichen Dossiers wie etwa der EU-Frage ist man sich aber sehr nahe, sodass die Homogenität eine solchen Regierung auf Personen- und Parteienebene erhöht werden könnte. Ihre Handlungsfähigkeit könnte damit gestärkt werden, was der Verteidigung zentraler Werte, Rechte und Institutionen gegen die Opposition dienlich wäre.

Seine Schwächen
Der Nachteil dieser Variante ist offensichtlich: Ohne die SVP würden zwischen 25 bis 30 Prozent der rechten, nationalkonservativen WählerInnen von der Regierung ausgeschlossen sein. Käme inskünftig eine Variante mit SVP, aber ohne SP zustanden, wären mit den Grünen eher mehr Wählende auf der linke, rotgrünen Seite ausgeschlossen.

Angesichts dieser Schwäche des Konzept, die auf den zweiten Blick nicht zu verkennen ist, kann man sich fragen, ob eine solche Regierung überhaupt noch konkordant wäre, oder ob es nicht besser wäre gleich zum einem Koalitionsmodell überzugehen.

Zu diesem scheint die Schweizer Politik aber nicht reif zu sein. Die republikanischen Mehrheit, von der die Fahrplanwechsler im Jahre 2007 träumten, hat sich nicht entwickelt. Ihr sichtbarstes Ergebnis ist die Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat geblieben. Was als Negativ-Allianz in Personenfragen funktionierte, ist nicht zur Positiv-Allianz in Sachfragen geworden. Das hat viel damit zu tun, dass die SP einen bindenden Koaltionsvertrag scheut, und die Spielmöglichkeiten der FDP zur Mehrheitsbeschaffung unter generellem Ausschluss der SVP verringert werden.

Nachfolge Schmid: Vorentscheid über Zukunft der Konkordanz
Vor diesem Hintergrund gilt es auch die parteipolitische Herkunft des oder der NachfolgerIn von Samuel Schmid zu beurteilen: Die Wahl eines CVP-Vertreters wäre wohl das Ende der grossen Konkordanz und würde den Uebergang zu einem Regierungs- und Oppositionssystem mit Koalition nötig zu machen, um mittelfristig kohärent regieren zu können.

Wenn man umgekehrt eine SVP-Vetretung berücksichtigt, wäre das, ebenso mittelfristig ein erster Schritt zur konkordanten Zusammensetzung des Bundesrates, die sich mehr oder minder stark an der Stärke der Parteien unter Wählenden und im Parlament zu reichten hätte. Das könnte für die BDP und Eveline Widmer-Schlumpf eng werden, je nach Ausgang der nächsten Parlamentswahlen allenfalls auch für die FDP/LP.

Claude Longchamp

Rechne! (Bundesratswahlen 2008/1)

Samuel Schmid ist zurückgetreten. Am 10. Dezember 2008 finden damit Bundesratsersatzwahlen statt. Die Spekulation schiessen keine 24 Stunden nach dem Rücktritt ins Kraut. Dabei wäre es sinnvoll kühlen Kopf zu bewahren, und zurechnen. Denn nur das hilft, die kommenden Wahlen strategisch zu analysieren.

Wer hat wieviel Gewicht?
Um bei vollständiger Besetzung des Wahlgremiums, der Bundesversammlung, als neuer Bundesrat gewählt zu werden, braucht es 124 der 246 Stimmen. Ohne das geht nichts!

Keine der Fraktionen in der Bundesversammlung bringt es auch nur annähernd auf diese Zahl. Damit ist die Hoffnung, den Ausgang der Wahl parteiintern bestimmen zu können, für alle eine blanke Illusion.

Das trifft vor allem die SVP, die liebend gerne eine rein interne Nomination durchführen und die bevorzugte Kandidatur ohne wenn und aber durchs Wahlgremium durchdrücken würde.

Es gibt in der gegenwärtigen Bundesversammlung auch keine Allianz aus zwei Parteien, die mehrheitsfähig wäre. Konkret heisst das, weder ein Bündnis aus rot-grünen Parteien, noch aus SVP und FDP kann mit Sicherheit den Wahlausgang bestimmen.

Grüne, die gerne im Bundesrat wären, sind damit nicht nur auf alle Stimmen der Linken angewiesen. Sie brauchen auch jene der Zentrumsfraktion, und zwar fast vollständig geschlossen. Das gilt, in eingeschränkter Hinsicht auch für Wahlallianzen aus SVP und FDP. Auch ihre FavoritIn muss eine Minderheit der Stimmen aus dem CVP-Lager mobilisieren können.

Das ist die Logik der Mehrheitsfindung in einem Parlament, dass nicht mehr allein durch die Polbildung rechts und links bestimmt werden kann, sondern mit den Wahlen von 2007 eine neues Zentrum erhalten hat, das vor allem aus CVP besteht, und das durch EVP und Grünliberale verstärkt wird.

Mögliche Entwicklungen
Drei Szenarien sind denkbar:

Erstens, die Zentrumsfraktion löst sich als Block auf und verliert damit jedes Gewicht in der Wahl. Die Exponenten, vor allem am rechten Flügel sind dann die Königsmacheren.
Zweitens, sie erklärt die Bedingungen, unter denen eine Partei, die jetzt nicht im Bundesrat vertreten ist, wählbar ist. Wer die Gelegenheit nutzen will, muss sich danach richten.
Drittens, sie verweigert rechten wie linken Wahlvorschlägen ihre Unterstützung, nominiert dafür selber eine Kandidatur der Mitte.

Meine vorläufigen Bewertungen
Am wahrscheinlichsten ist gegenwärtig das mittlere Szenario: Die CVP/EVP/grünliberale-Fraktion bestimmt, wer mit wem im Bundesrat vertreten ist. Konflikte sind bei einer SVP-Kandidatur, die nicht CVP-like ist, zu erwarten. Möglich ist in dieser Variante Szenario 1. Was bei Sachfragen immer wieder vorkommt, könnte auch in der Wahlfrage spielen: eine bürgerliche ausgerichtete, rechte Mehrheit bestimmte demnach den Wahlausgang für sich.

Für die wieder erstarkte CVP wäre das fatal; für die bei der Blocher-Nichtwiederwahl unterlegene Minderheit in der Partei wäre es indessen eine willkommene Imagekorrektur. Da die CVP ihren leichten Aufwind von 2007 kaum aufs Spiel setze will, ist zu erwarten, dass sie sich deshalb demonstrativ auf keine grüne Kandidatur einlässt, dafür aber auf eine eigene Kandidatur setzt, die von ihr, SP, Grünen, allenfalls auch BDP getragen wird, um die anstehenden Bundesratswahlen indirekt mitzubestimmen.

Spekulieren ist bei Bundesratswahlen Sache der Spassmacher. Wer sich ernsthaft damit beschäftigt, rechnet zuerst einmal.

Claude Longchamp