Die Wahlanalyse der anderen Art

Wiens WählerInnen haben gesprochen. Die PolitikerInnen der Parteien müssen sich raufen. Und die WahlanalytikerInnen helfen ihnen dabei. Jede(r) auf seine/ihre Art. Gerne füge ich mein Vexierspiel aus Zahlen und Bildern bei.

Andrea Maria Dusl ist ausgebildete Medizinerin. Das hilft ihr, die menschliche Physiognomie zu studieren. Zudem ist sie erfolgreiche Filmemacherin. Das schärft ihr Auge für das Gesellschaftliche im Individuum. Mit diesem Hintergrund betätigte sie sich im Wiener Wahlkampf als Zeichnerin für den Standard und erfand eine eigene WählerInnen-Typologie von links bis rechts, die in so herrlichem Kontrast zu den Parteiprofilen des Sozialforschers Christoph Hofinger steht.

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Auch bei dieser Wahl waren Wiens Kommunisten nicht wirklich erfolgreich. Im ganz tiefen einstelligen Prozentbereich blieben sie hängen. SORA sagt, selbst 98 Prozent der von der Wirtschaftskrise Betroffenen hätten sie nicht gewählt. Dusl weiss Rat: Gewählt werden die K. nur noch von alternden Männern, die ihr Kapital nicht investieren, dafür gelesen haben und sich gerne dahinter verstecken. – Die Sozis wiederum, bis dem Ende der Monarchie in der österreichischen Hauptstadt alleine regierend, müssen sich neu ausrichten: Könnten nur die Arbeiter im Gemeindebau, die MigrantInnen oder die Frauen wählen, hätten sie unverändert die Absolute. Diese ist ihnen aber bei den Männern deutlich abhanden gekommen – und bei den Jungen ganz besonders. Den roten Kübel für die kleinen Sorgen der WienerInnen hinstellen, macht keinen Staat mehr, sagt die Andrea, insbesondere nicht, wenn man die Faust im Sack behält, statt mit ihr zu kämpfen!

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Ist mannfrau jung, studiert und in einer Nische selbstständig, hat man höchstwahrscheinlich grünes Blut, wissen die Wahlforscher. Die Karikaturistin sieht das wie erwartet anders: Den grünen Daumen hat fraumann, wenn das Haar brennnesselgespühlt silbern ist und die Kleider ihre Dritt- und Viertverwertung erleben. Grüne Erfolge in der Politik bleiben indessen schwierig, denn der Spaltpilz sprengt jeden Blumentopf im politischen Vorgarten. – “Ueberall ein wenig, nirgends viel”, das sagt die Statistik zur Soziologie der OeVP-Wählenden. Und das trotz markigem Law&Order-Wahlkampf der Parteiobern. Dr. Dusl diagnostiziert die gleiche Schwäche: Das erzbischöflich apporbierte Innenstadt-Decolleté der Schwarz-Wählerinnen schreit nach einem raschen Redesign, bevor es von der Jury auch nur eine Stimme kriegt.

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Endlich wissen wir, was den Siegertyp ausmacht: “Dreibier und Freibier”, ist der win/win-Slogan der FPOe. Am rechten Arm trägt ihre Wähler wie HC, ihr neues Vorbild, ein Bandl und am Gurt ein Bärli. Sonst ist alles konform. Am häufigsten findet man ihn bei den Arbeitern, bei den Pensionisten, überhaupt bei den Männern, die nie zur Kirche gehen, aber überzeugt gegen den Islam sind. – Damit stand der Normalo seinem kleinen Bruder von der BZOe vor dem Zugang zur Strasse des Erfolgs. Frau Dusl vermutet hinter der Kaum-Mehr-Partei am rechten Rand elegant-legär gekleidete Typen, die stets ihren Esowellenempfänger bei sich haben, um mit Jörg Haider in Kontakt zu bleiben. Da schüttelt es die SORA-Wahlforscher kräftig, denn gefunden haben sie den Finanzplatz-Macho nicht, ausser bei 6 Prozent der Menschen, die nichterwerbstätig sind und zu Hause hocken.

So bleibt Wien Wien. Oder wie es mein Mentor Erich Gruner zu sagen pflegte: Die Lage ist ernst, aber nicht aussichtslos, denken die Politiker, während die Wähler wissen, dass sie aussichtslos, aber nicht wirklich ernst ist …

Claude Longchamp

Vermessene Kantonalparteien – vermessene Nationalratswahlen?

Martin Senti gibt in der heutigen NZZ eine Uebersicht über die Parteistärken in der Schweiz auf kantonaler Ebene. Die wichtigste Frage, ob das auch auf die nationale übertragbar ist, bleibt aber offen.

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Daniel Bochsler, Schweizer Politikwissenschafter in Budapest, hat die Vermessung der Parteien neu definiert. Er berücksichtigt die kantonalen Wahlsitzverhältnisse, modifiziert sie aber in zweierlei Hinsicht, um daraus nationale Schätzungen zu machen: Zuerst standardisiert er sie aufgrund der Sitzgrösse der kantonalen Parlament, dann auch aufgrund der Bevölkerungszahl der Kantone. Das sind ohne Zweifel eine Verbesserung am Vorgehen, wie es etwa die sda seit Jahren macht, wo man ganz einfach Sitzzahlen aufaddiert.

Nach Bochsler ist die SVP die stärkste Partei auf kantonaler Ebene. Sie repräsentiert (standardisiert) etwa 23 Prozent der Parlamentsmitglieder. Die Verluste, die 2008 durch die Abspaltung der BDP eingetreten waren, sind weitgehend kompensiert worden. Die FDP rangiert an zweiter Stelle, kommt sie doch auf rund 21 Prozent; sie hat sich durch die Fusion mit der LP verbessert. Als dritte Partei folgt die SP mit rund 19 Prozent, gefolgt von der CVP mit etwa 16 Prozent. Beide haben in der laufenden Legislatur an Stärke eingebüsst. Die Grünen bringen es unverändert auf zirka 9 Prozent, die BDP auf 3, die glp auf 2 Prozent der Gewählten.

Ist das nun eine Vorschau auf die nationalen Wahlen 2011? Martin Senti, der Parteienspezialist in der NZZ-Redaktion, scheint davon einigermassen überzeugt zu sein. Für ihn dürfte die SVP ihr Niveau 2011 “mindestens halten können”. Ausländer- und sicherheitspolitische Themen dürften ihr den Zulauf bescheren, der die Abgänge an die BDP kompensieren werde. Bei rotgrün ortet er “erneut einen Abbau”. Die SP serble, die Grünen stagnierten, was links ein Minus ergebe. Absturzgefährdet sieht Senti auch FDP und CVP. Eine Aenderung der Rangfolge erwartet er dank der Fusion von FDP und LP nicht, mit einer weiteren Pluralisierung der zahlenmässig wachsenden Mitte hin zur BDP und glp rechnet er hingegen schon.

Mich beschäftigt eine Feststellung in diesen Analogien. Seit einigen Jahren laufenden die kantonalen und nationalen Parteistärken trotz immer mehr auseinander. SVP und Grüne sind national stärker als kantonal, bei SP, FDP und CVP ist das genau umgekehrt. Bei der SVP ist die Differenz eklatant: den knapp 23 Prozent in den Kantonsparlamenten 2007 standen fast 29 Prozent bei den Nationalratswahlen gegenüber.

Aus meiner Sicht unterschätzt die Vermessung von Parteien wie sie Bochsler macht und Senti verallgemeinert die Effekte neuartiger nationaler Kampagnen, in denen der Medienautritt der Parteien eine viel höhere Rolle spielen, führende Köpfe als Treiber von Kampagnen entscheidend sind, polarisierende Themen mindestens der Vorwahlkampf beherrschen, und Machfragen, insbesondere im Bundesrat zu einem der zentralen Wahlkampfsujets aufgestiegen sind.

Eine Partei, die sich so nicht profiliert, mobilisiert nicht nach den Gesetzmässigkeiten der Mediengesellschaft und gewinnt bei nationalen Wahlen nie, auch wenn sie kantonal den Platzhirsch spielen kann.

Claude Longchamp

Nützliche Links zu Abstimmungen und Wahlen in der Schweiz

Letzte Woche unterrichtete ich an der Zürcher Hochschule in Winterthur im Rahmen des CAS “Politische Kommunikation”. Es ging um BürgerInnen und Demoskopie im weitesten Sinne, also um Fragen, wie aus BürgerInnen-Meinungen politische Entscheidungen werden und wie die Ergebnisse auf kollektiver Ebene auf die individuelle herunter gebrochen werden können.

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Mehrfach wurde ich danach gefragt, nebst den Literaturangaben eine Linksliste abzugeben. In der Tat hatte ich das in den Unterlagen nicht gemacht, weshalb ich das auf diesem Weg nachhole.

Amtliche Informationen:
Offizielle Informationen Wahlen und Abstimmungen Schweiz
Amtliche Wahlergebnisse Schweiz
Amtliche Volksabstimmungsergebnisse Schweiz

Abstimmungsforschung Schweiz:
Abstimmungsforschung (Schweiz)
Historisches Datenarchiv Volksabstimmungen Schweiz
VOX-Analysen eidgenössischer Abstimmungen
Vimentis: Ueberparteiliche Abstimmungsinformationen
Parlamentsmonitoring
SF Abstimmungen Archiv
Dispositionsansatz zur Analyse der Meinungsbildung bei Volksabstimmungen
SRG-Trendbefragungen zu Volksabstimmungen/Hochrechnungen/Erstanalysen
Ballotpedia (Archiv Volksabstimmungen in den US-Gliedstaaten)
Direkte Demokratie in Europa

Wahlforschung Schweiz:
Wahlforschung (international)
Prognosemodelle für Wahlen (vorwiegend für die USA)
Wahlatlas Schweiz
Selects – Schweizer Wahlstudien
Smartvote Wahlhilfe
Schweizer Parlamentswahlen 2007
Schweizerische Bundesversammlung
SF Wahlen 07
Grafik Datenbank Wahlbarometer 2007
Kommentierte Literaturliste politische Kommunikation (vorwiegend Wahlen)

Aktuelles findet sich jeweils auch in der Kategorien Wahlforschung, Abstimmungsforschung und Politische Kommunikationsforschung auf diesem Blog.

So, ich hoffe damit, diese Bringschuld eingelöst zu haben.

Claude Longchamp

Die NetzwerkerInnen

Werden, wie bisher, zwei ZürcherInnen im Bundesrat sitzen? Werden es, neu, zwei BernerInnen sein? Oder werden, was Weltrekord wäre, gar fünf Frauen in der siebenköpfigen Bundesregierung das Sagen haben? – Das sind die Kriterien vieler Alltagsdiskussionen, wenn man die Chancen der vier FavortInnen unter den BundesratskandidatInnen auslotet. Doch, so frage ich, welche Rolle spielen Netzwerke bei einer PolitikerInnen-Wahl?

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Ich bin ein Befürworter vom Transparenz im Beziehungsgeflecht unserer PolitikerInnen. Nichts ist meiner Meinung nach anrüchig, wenn man in einem Verwaltungsrat sitzt, einer Interessengruppe angehört oder eine Stiftung präsidiert. Doch sind das alles Gruppen, die von politischen Entscheidungen betroffen sind, auf sie Einfluss nehmen, weil sie Gewinner oder Verliererinnen sein können. Deshalb gehört die Verbindung der PolitikerInnen in diese Akteure offen gelegt.

Der Beobachter hat sich in verdienstvoller Weise die Netzwerke der BundesratskandidatInnen von SP und FDP ausgelotet. Basis bildete das “Register über die Interessenbindungen” der Bundesversammlung. Kontrolliert wurde es durch das “Zentrale Firmenregister”, dem offiziellen Handelsregister.

Zunächst fällt auf, dass RegierungsrätInnen wie Karin Keller-Sutter keine direkten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verbindungen (mehr) haben. Sie haben nur öffentliche Mandate, die mit den anderen Regierungsmitglieder abgesprochen sind. Bei der St. Galler Justizdirektorin sind das etwa der Regionalvorstand der SRG, aber auch die Stiftung für internationale Studien an der HSG.

Ganz anders ist das Profil der Interessenbindungen von eidgenössischen ParlamentarierInnen. Das markiert denn auch einen wesentlichen Unterschied der nominierten FDP-Frau zum FDP-Mann. Johannes Schneider-Ammann ist zu allerst Unternehmer an der Spitze der Ammann-Gruppe in Langenthal. Darüber hinaus sitzt er auch in wichtigen Verwaltungsräten, wie jenem der Swatch Group. Er ist in zahlreichen Wirtschaftsverbänden auf lokaler, nationaler oder internationaler Ebene Prädisent oder im Vorstand. Zudem wirkt er in einigen wirtschafts- oder gesellschaftsnahen Stiftungen mit, die Streikversicherungen unterhalten oder den Orientierungslauf fördern mit.

In der Struktur ähnlich, der Ausrichtung aber gegensätzlich sind, erwartungsgemäss, die Interessenbindungen der SP-KandidatInnen. Jacqueline Fehr präsidiert soziale Institutionen wie die AG für Suchtpolitik, die Stiftung Kinderschutz, und sie ist in führender Stellung bei der Pro Familia, der Pflegekinderaktion und der Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt. Das ist bei der Berner Ständerätin Simonetta Sommaruga ähnlich, wenn auch etwas offener in der Ausrichtung. Bekannt geworden ist sie als Konsumentenschützerin, deren wichtigste Stiftung sie heute noch präsidiert. Darüber hinaus ist sie im Stiftungsrat von Slow Food, Swissaid und dem Berner Bärenpark. Wirtschaftlicher ausgerichtet sind ihre Mitgliedschaften in der Energieallianz und im Verwaltungsrat einer AG.

Wer gewählt wird, wird aus diesen Aemtern ausscheiden, die persönlichen Verbindungen aber mitnehmen. Wer nun glaubt, dass die PolitikerInnen nur noch Hampelmänner- und frauen im Spinnennetz der Lobbies seien und diese die Macht bei Wahlen ausüben, dürfte Netzwerke überschätzen. Diese sind in Themenfragen zweifelsohne von Belang; doch unterliegen sie gerade auch da der medialen Kontrolle. Bei Wahlen sind sie ein Elemente, das meinungsbildend wirkt, wohl aber nicht letztentscheidend ist. Das zeigt sich unter anderem auch daran, dass Ruedi Noser schon bei der Nomination in der FDP-Fraktion scheiterte, obwohl er von allen im “Beobachter” Beobachteten das ausgebauteste Netzwerk hat und dieses auch am professionellsten unterhält.

Denn Politik ist und bleibt bestimmt durch Oeffentlichkeit und den Leistungen bei Entscheidungen, die man darin anerkannter Massen erbringt resp. erbracht hat. Netzwerke sind dabei nach meiner Erfahrung gelegentlich eine hilfreiche, manchmal auch hinderliche Grösse. Deshalb sollte man sie weder unter- noch überschätzen.

Claude Longchamp

Der Brunner-Effekt und seine Zukunft

Der Frauenanteil in politischen Aemtern stagniert neuerdings auf der untersten Staatsebene. Auf der obersten könnten sich die Verhältnisse bald ändern, denn im Bundesrat steht erstmals eine Frauenmehrheit in Aussicht: Warum kam es dazu, und wie nachhaltig ist das?

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Begegnungstag der Frauen 2010: Bringen die drei Eidgenosseninnen oder die absehbare Frauenmehrheit im Bundesrat einen neuen Schub aktiver PolitikerInnen?

Man erinnert sich: In den ersten Frühlingstagen des Jahres 1993 wurde statt der Favoritin Christiane Brunner Fancis Matthey in den Bundesrat gewählt. Nach Bedenkzeit lehnte er die Wahl ab, und das Parlament hievte Ruth Dreifuss in die Bundesregierung. Seither spricht man von einem Brunner-Effekt: Er lancierte die SP neu, und er liess den Frauenanteil in den Parlamenten von Bund bis zu Gemeinden ansteigen. Die Schweiz, lange das Mauerblümchen bei der Zulassung von Frauen in politischen Aemter, avancierten zur frauenpolitischen Sonnenblume.

2010 stehen erstmals drei Frauen an der Spitze des helvetischen Protokolls: Doris Leuthard ist Bundespräsidentin, Pascale Bruderer amtet als Nationalratspräsidentin, und Erika Forster steht der kleinen Kammer als Ständeratspräsidentin vor. Wenn nicht alles täuscht, wird der Bundesrat nach dem 22. September dieses Jahres eine gewählte Frauenmehrheit haben, allenfalls sogar den Weltrekord für Frauenvertretung in Exekutiven auf höchster Ebene brechen.

Was hier Sache ist, erörtert die heutige Sonntagszeitung mit Daten und Ueberlegungen. Demnach gab es in den 90er Jahren einen veritablen Brunner-Effekt, strömten doch zahlreiche Frauen in die Politik. Ihr Anteil in den kommunalen Exekutiven stieg von 7 Prozent im Jahre 1988 innert 10 Jahren auf 19 Prozent (+1,2 Prozentpunkte je Jahr) rasant an. Seither stagniert die Entwicklung jedoch, die jüngste Erhebung des Lausanner IDHEAP-Instituts weist einen Frauenanteil von 23 Prozent (+0,4 Prozentpunkte je Jahr) aus.

Thanh-Huyen Ballmer-Cao, Professorin für politische Partizipation an der Universität Genf, bietet vier Erklärungsmöglichkeiten an:

. In einigen ländlichen Regionen bewegt sich in der Gleichstellungsfrage gar nichts.
. Das Majorz-System stabilisiert einmal etablierte Mehrheiten, was den Frauen das Aufholen erschwert.
. Sobald eine weibliche Person im Gemeinderat sitzt, geht die Mobilisierung von Frauen durch Parteien zurück.
. Die Mediatisierung der Politik schreckt Frauen ab, politische Aemter zu übernehmen, denn ihre Kinder stehen damit unter erhöhtem Druck.

Intuitiv überzeugt mich die dritte Hypothese am meisten, die erste am wenigsten. Richtig ist, dass die Entwicklung der Frauenvertretung je nach Kanton unterschiedlich ausfällt: In Nidwalden, Neuenburg, Baselstadt und Solothurn sind Frauen unter dem schweizerischen Mittel in den kommunalen Exekutiven vertreten – und ihr Anteil nimmt sogar wieder ab. Ungebrochen zunehmend ist die Frauenvertretung dagegen in allen anderen Kantonen. An der Spitze sind Baselland und Appenzell Ausserrhoden. Von einem Stadt/Land-Unterschied kann kaum die Rede sein. Den absoluten Höchstwert erreicht übrigens zwischenzeitlich der Kanton Luzern, der die Gemeinderatarbeit als Teilzeitjob entlöhnt. Hier machen die Frauen einen rasch waschsenden Drittel aller Gemeinderatsmitglieder aus.

Ich deute das so: Erstens, die Entwicklung, die sich auf nationaler Ebene mit der Frauenvertretung abzeichnet, findet auf den unteren Ebenen nur ein beschränkte Entsprechung. Ganz überraschend ist das nicht, denn das ist und bleibt der beschwerlichste Gang für Veränderungen in die Politik. Und so bleibt die Schweizer Politik bis auf Weiteres weit davon entfernt, mehrheitlich in Frauenhand zu sein.
Zweitens, Wahlen wirken sich hemmend auf Veränderungen aus; bei Abstimmungen sind die Hürden weniger einschränkend. Frauen stimmen etwa gleich häufig wie Männer ab, sie sind auch gleich zahlreich in der Mehrheit. Bei Wahlen bleibt ihre Beteiligung als WählerInnen, KandidatInnen und Gewählte hinter der der Männer zurück.
Drittens, die Nicht-Wahl von Christiane Brunner in den Bundesrat löste tatsächlich einen Effekt aus, der Spitzenfrauen in Spitzenpositionen brachte. Damit das zur nachhaltigen Veränderung der Geschlechterzusammensetzung in den Schweizer Politgremien führt, muss die Breitenwirkung der Frauenförderung in der Politik immer noch intensiviert werden. Davon ist gegenwärtig nicht viel zu merken. Vom Gegenteil aber auch nicht.

So bleibt: Was die Frauenmehrheit im Bundesrat für die politische Frauenvertretung bedeutet, hängt wohl nicht zuletzt von den Leistungen der (neuen) BundesrätInnen ab.

Claude Longchamp

Konsolidierte Allianz der bürgerlichen Mitte im Kanton Graubünden

Die bürgerliche Mitte siegt bei den Parlamentswahlen im Kanton Graubünden. Neu ist die FDP stärkste Partei im Grossen Rat in Chur.

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Die Bündner wählen in 39 Wahlkreisen ihr Kantonsparlament nach dem Majorzverfahren, weshalb es auch keine sinnvolle Angaben zu Parteistärken aufgrund von WählerInnen-Anteilen gibt.

Seit kurzem tritt die FDP Schweiz wieder selbstbewusster auf. Mit der CVP und der BDP bildet sie zudem seit diesem Frühsommer eine “Allianz der Mitte”. Ziel ist es, bürgerliche Zentrumspolitik gegen die Forderungen von Links und Rechts besser durchsetzen zu können.

Bei den Bündner Wahlen gelang der FDP erstmals wieder ein richtiger Coup. Sie legte im Parlament um vier Sitze zu, und sie ist neu die grösste Fraktion, wenn sich in Chur die Kantonsvertretung versammelt.

Die FDP kann sich den fast schon einmaligen Luxus leisten, in Regierung wie auch im Parlament mit der BDP Mehrheiten herzustellen zu können, und wenn dies nicht geht, gemeinsam mit der CVP über den Grossen Rat mehrheitsfähig zu sein.

Eigentlicher Verliererin in Graubünden ist die SVP. Sie hat zwar neu vier statt zwei Sitze wie vor der Wahl. Trotz kleinen Sitzgewinnen verfehlte sie die Möglichkeit, selber eine Fraktion bilden zu können. Verglichen mit den 32 Sitzen, welche die Partei nach der letzten Wahl, aber vor der Parteispaltung hatte, kommt das Resultat einer Dezimierung gleich.

Mehr oder weniger übergegangen sind diese Sitze zur neu gegründeten BDP. Diese konnte 26 der 30 Mandate, die sie geerbt hatte, bei diesen Wahlen bestätigen. Mit anderen Worten: Zwischen 85 und 90 Prozent der WählerInnen, die vormals SVP wählten, dürften den ausgeschlossenen PolitikerInnen gefolgt sein, 10 bis 15 Prozent sind bei der alten Partei geblieben. Das ist klar anders als in den Kantonen Bern und Glarus, wo die SVP die Mehrheit der bisherigen WählerInnen halten konnten, und wo sie sich mit Neumobilisierungen einerseits, Wechslergewinnen anderseits fast schadlos halten konnte.

Die BDP gewann, anders als in Bern und Graubünden, ihre Stimmen nicht bei der FDP (und CVP). Das dürfte die Kooperationsbereitschaft der Parteien, die national neue die Allianz der Mitte bilden, fördern. Denn es ist für die FDP wie für die CVP einfacher, die BDP national zu stützen, wenn diese nicht bei ihren enttäuschten WählerInnen Stimmen macht.

Die Bilanz in Graubünden ist eindeutig: Die FDP ist stolze Wahlsiegerin, ihr stehen alle Türen für die Mehrheitssuche offen, und das bürgerliche Zentrum geht solide konsolidiert in die neue Legislatur. Links und rechts davon ist in Graubünden nicht viel Platz, um andren Parteien Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen. Das Majorzwahlrecht und die politische Kultur, welche Stabilität begünstigen, zeigten heute ihre gestaltende Kraft im Alpenkanton.

Oder etwas zugspitzt: Letztlich steht nicht die Welt Christoph Blochers für den Kanton Graubünden, mehr die von Eveline Widmer-Schlumpf, welche den SVP Uebervater im Bundesrat ablöste.

Bündner Regierungsrat: Es geht auch ohne SVP

Die parteipolitische Zusammensetzung der Bündner Regierung bleibt trotz personeller Erneuerung unverändert; die SVP verpasst den Einzug in die Kantonsexekutive nach der Parteispaltung von 2008.

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Die neue Bündner Regierung: Barbara Janom Steiner (BDP), bisher, gewählt mit 24’623 Stimmen, Hansjörg Trachsel (BDP), bisher, 20’530, Martin Schmid (FDP), bisher, 25’720, Mario Cavigelli (CVP), 19’800 und Martin Jäger (SP), 16’034

2006 heiss es, es seien die langweiligsten Regierungsratswahlen der Bündner Geschichte gewesen. Entsprechend beteiligten sich nur 24 Prozent der Wahlberechtigten. Sie bestätigten die bis anhin bekannte Zusammensetzung: 2 SVP, je eine Vertretung von CVP, FDP und SP.

Doch dann kam es zum Ausschluss der kantonalen SVP aus der nationalen Partei, weil die damalige Bündner SVP-Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf ihre überraschende Wahl in den Bundesrat angenommen und so Christoph Blocher aus der Bundesregierung verdrängt hatte. Beide SVP-RegierungsrätInnen und 30 der 32 Grossrätinnen wechselten darauf hin zur neu gegründeten BDP.

Diesmal war die Spannung vor den Bündner Regierungsratswahlen deutlich grösser. Nur 3 Bisherige kandidierten, während 2 Regierungsräte wegen der 12jährigen Amtszeitbeschränkung zurücktreten mussten. Total bewarben sich 10 Personen als Bündner Regierungsrat, 6 davon mit Wahlchancen. Entsprechend veränderte sich die Beteiligung, betrug sie doch gut 36 Prozent.

Keine Tradition hat es im Kanton Graubünden, bisherige Regierungsmitglieder aus parteipolitischen Gründen abzuwählen. Das war auch diesmal so: Die beiden bisherigen BDP-VertreterInnen und der amtierende FDP-Regierungsrat wurden problemlos bestätigt, obwohl es im Wahlkampf wegen des Suizids des Polizeichef zu schweren Vorwürfen an die Justizministerin aus den Reihen der BDP gekommen war.

Die beiden frei gewordenen Sitze beanspruchten die SP, die CVP, welche ihre vor 12 Jahren verlorene Doppelvertretung im Regierungsrat zurück haben wollte, und die SVP, die seit der Parteispaltung in der Opposition politisiert. Sie gingen heute an die CVP und an die SP. Damit ist der Regierungsrat personell erneuert, parteipolitisch bleibt er sich aber gleich.

Die SVP scheiterte damit mit ihrem Versuch, wieder in die Bündner Kantonsregierung einzuziehen recht klar Dies obwohl die nationale Parteiprominenz nichts ausliess, für den eigen Kandidaten und die neu gegründete Partei zu werben. Der Wahlkampf wurde gerade von der SVP mit massiven Werbemitteln betrieben und zur Richtungswahl stilisiert. Gelohnt hat es sich nicht, denn die SVP erreichte weder ihre Wahlziele nicht.

Sie kassierte damit seit langem ihre erste grosse Wahlniederlage. Der Parteiausschluss fast der ganzen Parteielite, die klar zur Eveline Widmer-Schlumpf hielt ist sicherlich der selbstverschuldete Grund. Erwähnt werden muss auch das Wahlsystem in den Bündner Kreise, dass für kantonale Parlamentswahle mit dem Majorzelement atypisch ist. Und schliesslich wird man hinzu fügen müssen, dass dort, wo die parteipolitische Kleinarbeit im Lokalen, im Gewerbe und in Gemeinde nicht gemacht wird oder werden kann, Wahlerfolge sich auch bei hohem Mitteleinsatz im Wahlkampf nicht einfach einstellen.

Mehr als diese Schlüsse aus den Bünder Wahlen zu ziehen, wäre wohl aber verfehlt.

Die Umkehrung des Wertewandels in den Niederlanden

Wenn die Niederlande politische nach rechts rückt, kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Schliesslich galt das Land lange als Frontstaat im säkularisierten Calvinismus, gekennzeichnet durch rationale und individualistische Einstellungen.

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Stärkste Partei in den niederländischen Wahlkreisen 2010

In seiner berühmten Klassierung der politischen Kulturen zählt der amerikanische Politikwissenschafter Ronald Inglehart die Niederlande zu jenen Staaten mit dem ausgeprägtesten Wertewandel. Zur Gruppe des protestantischen Europas gehörend, kennt sie eine hohe Betonung individueller Seltentfaltungswerte, welche die des kollektiven Ueberlebens weitgehend überlagern. Aehnliches gilt für säkular-rationale Werte, die klar vor den traditionell-religiösen rangieren.

Diese Niederlande rückte diese Woche politisch weit nach rechts. VerlierInnen der nationalen Wahlen sind die traditionellen Christdemokraten und die linken Sozialisten (SP), beschränkte Verluste gab es für die gemässigten Sozialdemokraten (PvdA). Klare GewinnerInnen sind ist die nationalliberale “Partei für Freiheit” (PVV), begleitet von der rechtsliberalen “Volkspartei für Freiheit und Demokratie” (VVD). Zulegen konnten zudem die kleine sozialliberale D66 und die Grüne Partei.

Spektakulär ist insbesondere der Aufstieg der Freiheitspartei. 2006 trat sie erstmals bei nationalen Wahlen an und erreichte 6 Prozent der Stimmen. 4 Jahre später sind es gut 15 Prozent. Augenfälligstes Merkmal der Partei ist es, dass sie nur ein Mitglied, ihren Anführer Geert Wilders, hat. Alle anderen sind nur als Sympathisanten und Spender willkommen, womit man am demokratischen Charakter der Partei zweifeln kann. Selbst in der Partei rumort es deshalb; Franktionskollege Hero Brinkmann forderte Mitten im Wahlkampf die Demokratisierung der Partei.

Wilders selber stammt aus der liberalen VVD. Er trennte sich 2004 von ihr, um eine pointiert nationalliberale Politik verfolgen zu können. Vordergründig geht es ihm um den niederländischen Sozialstaat, hintergründig um seine Wirkungen auf Migrationen. Aktuell kämpft die Freiheitspartei an vorderster Front gegen den Islams.

Legendär hierfür ist, dass Wilders das Tragen von Kopftüchern durch Musliminnen vom Besitz einer Lizenz abhängig macht will, deren Kosten prohibitiv wirken sollen. Finanziell profitieren sollten seiner Meinung nach die Frauenhäuser.

Bei den Kommunalwahlen im Frühling 2010 trat die Partei der Freiheit in zwei Städten an; in Den Haag wurde sie gleich zweistärkste Partei. Der Stimmungstest verschaffte ihr inner- und ausserhalb der Niederlande viel politisch-mediale Aufmerksamkeit, die sich in der aktuellen Wahl, mehr noch als, in allen Umfragen erwartet, auszahlte.

Historisch hat die Freiheitspartei in den Niederlanden mehrere Vorläufer wie die Boerenpartij oder die Centrumsdemokraten, die in den 60er resp. 80er Jahren immigrationskritisch ware. Aber auch die Partei von Pim Fortuyn, welche 2002 aus dem Nichts zweitstärkste Partei wurde, nach der Ermordung des Parteiführers aber zerfiel, gehört hierzu.

Unterstützt wird Wilders von konservativen US-amerikanischen Think Tanks einerseits, radikalen Siedlern in Israel anderseits. Meist spricht man, aufgrund des Auftritts des Parteiführers, meist von einer rechtspopulistischen Partei – eine Kennzeichnung, welcher die Partei selber nicht widerspricht.

Die niederländische Parteienforschung bezeichnet sie auch als neo-rechtsradikal, weil sie nicht die rassistischen Orientierungen zeige, wie die bisherigen Rechtradikalen, mit ihnen aber den generellen politischen Standort teilt.

Gut denkbar ist, dass es in den Niederlanden bald zu einer Rechtskoalition unter Führung der Liberalen von Mark Rutte kommt, in der nebst den bisher regierenden Christdemokraten auch die oppositionelle Freiheitspartei Einsitz nimmt. Politische Uebereinstimmungen gibt es sehr wohl, in der Fiskal- und Sozialstaatspolitik, wenn auch die trennenden Elemente, vor allem die demokratischen Grundhaltung der Freiheitspartei, unübersehbar sind.

Zwar hat Wilders PVV keine Mehrheit, reflektiert sie aber die Unzufriedenheit einer respektablen Minderheit im Land. Es ist durchaus denkbar, dass man das von Inglehart gekennzeichnete Bild der Niederlande das bald schon revidieren muss. Denn der frühere Liberalismus von Gert Wilders mutierte vorerst zu einem rechten Nationalliberalismus, der sich mit Einstellungen eines neochristlichen Kulturkampfes zu mischen beginnt. Das Säkulare und das Rationale in den Werten der niederländischen Politkultur wird dadurch erheblich relativiert.

Das zeichnet einen Weg der Umkehr des westeuropäischehn Wertwandels vor, der auch andernorts Erfolg haben könnte.

Wahlrecht: Hüst und Hot im Grossen Rat des Kantons Aargau

Vor kurzem führte der Kanton Aargau das neue Zählverfahren für Proporzwahlen ein, das kleine Parteien begünstigt. Jetzt will der Grosse Rat im Gegenzug eine 5 Prozent-Hürde, was den Einzug kleiner Parteien ins Kantonsparlament gänzlich verunmöglicht.

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Aktuelle Parteistärken im Grossen Rat des Kantons Aargau (Sitzverteilung)

Stadt und Kanton Zürich gingen voraus. Als Erste führten sie für die Parlamentswahlen die neue Verteilung der Sitze nach dem Proporzmechanismus ein. Anders als das gesamtschweizerisch gültige Verfahren begünstigt dieses bei den Restmandaten nicht die grossen, sondern die kleinen Parteien. Mit eher bescheidenen Auswirkungen.

In der Folge schlossen sich die Kantone Schaffhausen und Aargau dem Zürcher Vorgehen an. Ihre jetzigen Parlamente sind auf der Basis des “doppelten Pukelsheimers“, wie man das neue Vorgehen in Fachkreisen nennt, gewählt worden.

Der Aargauischen Grosse Rat entschied heute jedoch, die Notbremse einzubauen. Sie soll es für kleine Parteien viel schwerer machen, überhaupt ins Parlament einzuziehen. Mit knappem Mehr (68:61) überwies er eine Motion der FDP zur Einführung einer 5 Prozent-Hürde für den Einzug in den Grossen Rat.

Damit schliesst sich der Aargau den Ueberlegungen an, die man in Zürich von Beginn weg gemacht hatte. In Schaffhausen, aber auch Wasserschloss-Kanton wollte man davon anfänglich nichts wissen. Doch nach nur zwei Jahren und nur einer Wahl mit dem neuen Wahlrecht macht man nun mit den Stimmen der bürgerlichen ParlamentarierInnen rechts umkehrt.

Der rasche Sinneswandel lässt durchblicken, dass es hier um mehr als nur staatspolitischen Grundsätze ging, wie sie heute im Parlamentshalbrund unter dem Sichwort “Effizienz” und “Verwesentlichung” vorgebracht wurden. Vielmehr erscheint die Aktion eher als Beitrag, die Auflösung traditioneller Parteien, die sich gesellschaftlich nicht erneuert haben, mit den Mitteln des Wahlrechts stoppen zu wollen. Denn treffen würde es im Moment die Grünliberalen, die BDP, die EDU und die Schweizer Demokraten. Zwei davon sind konstante Kleinparteien, zwei aufstrebende Parteien, die für den aktuellen politischen Wandel stehen. In drei Jahren könnte sie allen “aussen vor” bleiben.

Ein gewichtiges Argument hat man im Aargau übersehen. In Deutschland sichert man sich mit 5-Prozent-Hürden die Geschlossenheit der Parlamentsparteien. In der Schweiz wirkt das für mich jedenfalls künstlich. Denn auch die ausserparlamentarischen Parteien haben mit den Volksrechten Instrumente, den Gang der Dinge in den Behörden zu beeinflussen. Anders als in Deutschland.

Bisherige und neue Allianzen im Kanton Glarus.

Erneut hat die BDP mit den Wahl ins Glarner Parlament eine kantonale Wahl für sich entscheiden können. 10 von 60 Sitzen hat sie nun, und ihr WählerInnen-Anteil liegt bei rund 16 Prozent. Was heisst das für die Allianzbildung in der Glarner und der Schweizer Politik?

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Die Formel “bisherige ParlamentarierInnen der SVP, kombiniert mit neuen WählerInnen im bürgerlichen Lager” setzte sich nach dem Kanton Bern auch im Kanton Glarus durch. Woher die Stimmen der neuen BDP kommen, wird man in Glarus wohl nie wissen. Verkleinerter Landrat und veränderte Wahlkreise machen jede Wahlanalyse zur Spekulation. In Analogie zu anderen Kantonen wird man aber annehmen können, dass es Wählende der FDP, wohl auch aus der CVP, beschränkt der SVP sind, die gewonnen werden konnten. Wohl sind auch bisherige Nicht-WählerInnen darunter.

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National gesehen wird sich diese BDP-Entwicklung kaum im gleichen Masse wiederholen. Denn die BDP kann nur in den Kantonen Bern, Glarus und Graubünden auf LokalpolitikerInnen zählen, die be- und anerkannt sind. In allen anderen Kantone mag es einzelne davon geben, als Gruppe werden sie aber kaum auf dem politischen Parkett agieren können. Das macht die BDP in anderen Kantonen weniger attraktiv.

Gesamtschweizerisch dürfte die BDP heute etwa 5 Prozent stark sein. Die imaginären Hürde, selber einen Bundesrat stellen zu können, bleibt die Partei unverändert sehr hoch. Aus eigener Kraft wird sie die 10 Prozent-Marke im Nationalrat wohl kaum schaffen.

Deshalb organisiert sich die BDP national im Verbund gemeinsam mit der CVP, zu der sie nur beschränkt in elektoraler Konkurrenz steht, in der neuen Allianz der Mitte. Zu der bekennt sich auch die schweizerische FDP. Es wird interessant sein zu sehen, was daraus im Kanton Glarus wird: Die Zeichen, das sich das im kleinen Alpenkanton wiederholt, stehen nicht schlecht.

Inhaltlich vertreten FDP und BDP häufig ähnliche Positionen. In den Berner Städten ist die neue BDP meist ein wenig links der FDP, auf dem Land eher rechts davon. Wenn die personelle Chemie stimmt, heisst das auch, dass man sich untereinander absprechen kann. Daran müsste in Glarus auch die FDP interessiert sein. Denn im neuen Landrat hat sie mit der SVP keine Mehrheit. Sollte sie sich dennoch an primär an die SVP anlehnen¨wollen, wäre sie der Juniorpartner im Gespann.

Organisieren sich FDP und BDP als neues bürgerlichen Zentrum der Glarner Politik, haben sie zwei Spielmöglichkeiten, im Kantonsparlament eine Mehrheit zu finden: Entweder mit der SVP, oder mit CVP und einer der rotgrünen Parteien.

Die SVP ist bei den jüngsten Wahlen in Glarus zwar zur grössten Partei geworden. Dies aber kaum, weil sie elektoral stärker geworden wäre, vor allem weil die traditionellen Mitte-Parteien eingebrochen sind. Das wird auch ihre Position im Landrat relativieren. Letztlich kann sie nur mit der FDP und der BDP die Mehrheit bilden, während diese beiden Parteien darauf nicht so exklusiv angewiesen sind.

PS: Das ganze Gespräch mit der Südostschweiz finden Sie hier.