Die deutschen Parteistärken im Spiegel der Demoskopie

Mit Blick auf die Bundestagswahlen vom 27. September 2009 nimmt die Bedeutung von Umfragen zu den politischen Parteien in Deutschland schnell zu. Spiegel-Online bietet hierzu eine nützliche Dokumentation an, die Einblicke in die Tätigkeit der demoskopischen Institute gibt.

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Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Umfragewerte für die deutschen Parteien seien instabil. Doch resultiert der Eindruck nur, weil auf der Hauptgrafik die Resultate aller Institut miteinander verarbeitet sind.

Im Prinzip machen alle Institute die gleiche Arbeit mit der gleichen Zielsetzung. Sie wollen wissen, wie stark die Parteien mit Blick auf die Bundestagswahlen sind und verwenden hierfür in ihren Repräsentativ-Erhebungen die Sonntagsfrage. In der Praxis unterscheiden sich die Vorgehensweisen von TNS Emnid, Forsa, Forschungsgruppe Wahlen, Infratest dimap und Allensbach jedoch leicht. Das gilt namentlich für die Gewichtungsverfahren und Stichprobenbildungen.

Vergleicht man nur die Ergebnisse von Trendbefragung innerhalb eines Instituts entstehen viel klarere und konstantere Resultate. Ihnen gemeinsam ist, dass sie alle die CDU/CSU als vorläufige WahlgewinnerInnen sehen, und die SPD an zweiter stelle ranigert, gefolgt von der FDP. Derweil liegen je nach Institut die Linke oder die Grünen auf dem 4. Platz.

Am uneinheitlichsten wird gegenwärtig die CDU/CSU bewertet. Allensbach gibt aktuell einen Wert von 37,5 % aus, TNS Emnid und Infratest dimap kommen auf je 34 Prozent. TNS Emnid hat dafür die SDP bei rekordverdächtigen 28 Prozent, während Allensbach für diese Partei auf 24,5 Prozent kommt. Die Unterschiede bei FDP, der Linken und den Grünen liegen im Ein-Prozent-Bereich.

Die Kadenzen der Veröffentlichung von Befragungsergebnissen sind allerdings nicht gleich, weshalb der punktgenaue Vergleich täuscht. Die letzte Publikation von Allensbach basiert auf Daten, die zwischen dem 3. und 17. April erhoben wurden, während jene von TNS Emnid zwischen dem 4. und 11. Mai entstanden.

Alle Institute arbeiten heute mit computergestützten Telefonumfragen, doch unterscheiden sich die Befragtenzahlen beträchtlich. Bei der Forschungsgruppen Wahlen reichen rund 1300 Personen, während sich TNS Emnid auf 3207 stützt.

Zwei technische Sachen sind im Institutsvergleich bemerkenswert: Alle Institute runden auf ganze oder halbe Prozentwerte, verzichten aber auf die Publikation von Bandbreiten für die Parteistärken, die sich aus den statistischen Fehlermargen von Stichprobenerhebungen ergeben.

Wie die Wahlergebnisse am 27. September 2009 sein werden, kann man daraus abschätzen. Wie hoch die Aussagegenauigkeit effektiv sein wird, wird man jedoch erst am Wahlabend selber wissen.

Claude Longchamp

German Longitudinal Election Study gestartet

In Deutschland wird mit den Bundestagswahlen 2009 eine neue Aera der Wahlforschung eingeleitet, die neue Standards setzen dürfte.

Dieser Tage startete das bisher ambitionierteste Wahlforschungsprojekt in Deutschland. Initiiert von der 2007 gegründeten Deutschen Gesellschaft für Wahlforschung soll die German Longitudinal Election Study die drei Bundestagswahlen von 2009 bis 2017 aus einem Guss beobachten und analysieren.

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In diesem Projekt geht es darum, wie die Wählerschaft auf die komplexe Konstellation elektoraler Politik reagiert. Die bisherigen Fragestellungen der (deutschen) Wahlforschung werden deutlich erweitert: Kurz- und Langfristeffekte werden speziell untersucht. Parteien- und KandidatInnen-Survey kommen zu Einsatz. Und der Wahlkampf wird mit den Mitteln der Demoskopie, aber auch der Medieninhaltsanalyse analysiert. Gearbeitet wird dem obenstehenden Untersuchungsdesign.

Die Leitung des Grossforschungsprojektes haben Hans Rattinger (Uni Mannheim), Sigrid Rossteutscher (Uni Frankfurt), Rüdiger Schmitt-Beck (Uni Mannheim) und Bernhard Wessels (Wissenschaftszentrum Berlin) inne.

Claude Longchamp

Wahlforschung in Theorie, Empirie und Praxis.

Ankündigung der Vorlesung von Claude Longchamp im Herbstsemester (18.9.-18.12) 2009 am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich

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Ziele und Vorgehen
Die Vorlesung will die Teilnehmenden in drei Bereiche der Wahlforschung einführen:

. in die Theorien der Wahlforschung,
. in die Empirie der Wahlforschung und
. in die Praxis der Wahlforschung,

Hauptsächliches Anschauungsmaterial sind schweizerische Wahlen auf nationaler Ebene. Gelegentlich werden auch Wahlen auf kantonaler Ebene miteinbezogen resp. kommen auch Wahlen im Ausland, insbesondere in den USA, zur Sprache.

AbsolventInnen der Veranstaltung sollen am Schluss einen Ueberblick über die relevanten Themen in den genannten Bereichen und die Leistungen der Wahlforschung hierzu haben. Das soll nicht nur abstrakt, sondern auch konkret aus der gelebten Wahlforschung heraus vermittelt werden.

Inhalt und Aufbau der Vorlesung
Wahlen gelten als wichtigstes, wenn auch nicht einziges Kriterium von Demokratien, denn sie regeln periodisch die politische Machtverteilung. Die sozialwissenschaftliche Wahlforschung beschäftigt sich dabei mit verschiedensten Fragestellungen. Von diesen greifen wir in der Vorlesung eine heraus: Wie bildet sich der WählerInnen-Wille heraus, der die Wahlergebnisse bestimmt und in Mandate in Parlamenten (beschränkt auch Regierungen) transformiert wird.

Wahlforschung wir bei weitem nicht nur von der Politikwissenschaft alleine betrieben. Die ganzen Sozialwissenschaften beschäftigen sich damit, namentlich die (Sozial)Psychologie, die Oekonomie, die Soziologie, die Kommunikations- und Medienwissenschaft, aber auch Geschichte, Geografie Jurisprudenz und Statistik. Wahlforschung ist deshalb in hohem Masse ein interdisziplinär betriebenes Wissenschaftsfeld, was sich in der Vorlesung spiegeln soll. Wahlforschung wird darüber hinaus nicht nur von der theoretischen Seite aus betrieben; sie entsteht immer wieder von neuem aus der (sozialwissenschaftlich inspirierten) Bedarfsforschung.

Zur Sprache kommen in der Vorlesung nebst der Fachliteratur auch Projekte, welche aus universitären resp. ausseruniversitären Forschung entstanden sind resp. diese befruchten. Namentlich erwähnt seien Selects, fög-Medienanalysen, das SRG-Wahlbarometer, smartvote und die sotomo-Studien. Speziell behandelt wird auch das weltweit führende Prognoseprojekt „PollyVote“.

Damit erweitert sich die übliche, akademische Betrachtungsweise von Wahlen hin zur praktischen. Das soll aufzeigen, zu was theoretisch-empirische Wahlforschung fähig ist, durch was diese aber auch beeinflusst wird, und wie weit sie Wahlen selber beeinflusst.

Inhaltlich hat die Vorlesung 6 etwas ungleiche Teile:

– Die Einführung (2 Stunden)
– Der Ueberblick über die Themen (2 Stunden)
– Die Präsentation ausgewählter Theorien der Wahlforschung (6 Stunden)
– Die Präsentation zentraler empirischer Vorgehensweisen in der Wahlforschung (6 Stunden)
– Die Besprechung von Forschungsprojekte der politikwissenschaftlichen der angewandten Wahlforschung (8 Stunden)
– Der Ausblick zum Stand der Wahlforschung und zu Forschungslücken (in der Schweiz) (2 Stunden)

Hinzu kommt die Prüfung während der letzten Sitzung.

Die Vorlesung versteht sich als Vorbereitung für PolitikwissenschafterInnen, die in die Wahlforschung einsteigen möchten, sei dies in der universitären Grundlagenforschung oder in der ausseruniversitären Anwendungsforschung. Die Vorlesung ist mehr als eine Einführung in die politikwissenschaftliche Betrachtungsweise von Wahlen. Sie ist gleichzeitig auch weniger als ein Forschungsseminar hierzu.

Auswahlbibliografie (empfohlene Lektüre)
Klöti, U. et al. (Hg.): Handbuch der Schweizer Politik, Zürich 2006. (insbesondere: “Die nationalen Wahlen in der Schweiz”, p. 427-457
Rosenberger, S., Seeber, G.: Wählen. Wien 2008.
Bürklin, W., Klein, M.: Wahlen und Wählerverhalten, Opladen 1998 (2. Auflage).
Roth, D.: Empirische Wahlforschung. Urpsrung, Theorie, Instrumente, Methoden, Wiesbaden 2008 (2. aktualisierte Auflage).
Falter, J., Schoen, H.: Handbuch Wahlforschung, Wiesbaden 2005.

Neuenburg: Linke baut Mehrheit im Parlament aus.

Neuenburg war seit Frühling 2005 der einzige Schweizer Kanton mit einer linken Mehrheit in Parlament und Regierung. Mit den heutigen Wahlen bleibt das im Parlament jedenfalls auch in den nächsten vier Jahren so. Die Linksparteien (SP, Grüne und KommunisteInnen) bauten heute ihren knappen Vorsprung von 1 auf 5 Sitze aus. In der Regierung müssen alle KandidatInnen in einen zweiten Wahlgang. Die Mehrheitsverhältnisse hängen hier von den Allianzen ab.

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Jean Studer, SP, bisheriger Staatsrat und bestgewählter Kandidat im 1. Umgang bei den Neuenburger Kantonsratswahlen.

Die bisher grösste Partei im Kanton Neuenburg, die SP, verliert bei den heutigen Parlamentswahlen. Sie wird 5 ihrer 41 Mandate einbüssen. Neu grösste Partei ist die vereinigte bürgerlichen liberal-radikale Partei, die aus FDP und LP hervorgegangen ist. Sie kann 1 Mandat zulegen und ist jetzt mit 41 Sitzen im Neuenburger Kantonsrat vertreten.

Dennoch gelang die angestrebte bürgerlichen Wende im Kanton Neuenburg nicht. Denn die SVP verliert 3 ihrer 17 Mandate. Neu kommt sie auf 14 Sitze. Je 4 Sitzgewinne gibt es für die Grünen (neu 14 Mandate) und die kommunistischen Popisten (neu 10 Mandate). Die linke Solidarité verliert ihren einzigen Sitz.

Die Linksparteien verfügen damit über 60 Sitze im Neuenburger Parlament. Die Rechte bringt es auf 55. Die knappen Mehrheitsverhältnisse zugunsten der Linken sind damit seit heute abend etwas deutlicher geworden, als sie es die letzten vier Jahre waren.

Da im ersten Wahlgang zur Zusammensetzung der neuenburger Regierung niemand das absolute Mehr schaffte, muss die Ballotage am 26. April 2009 entscheiden. Gegenwärtig liegen zwei SP-VertreterInnen vor drei Liberal-Radikalen.

Massgeblich beeinflusst werden dürfte der Ausgang durch die Wahlverbindungen: In einer Kampfwahl sind sowohl die SP wie auch die FDP auf Allianzen im eigenen Lager angewiesen, um die Mehrheit zu erreichen.

Die SP braucht die siegreichen Grünen, deren Kandidat, Bau-und Umweltdirektor Fernand Cuche, allerdings ein schlechtes persönliches Ergebnis einfuhr und hinter dem dritten SP-Kandidaten liegt. Die Liberal-Radikalen wiederum sind auf die SVP angewiesen, um eine rechte Mehrheit zu sichern, obwohl alle ihre 5 Bewerbungen vor dem bestgewählten SVP-Kandidaten liegen.

Eine Variante hierzu ist eine stille Wahl, auf die sich SP und FDP einigen könnten, wobei die Mehrheit im Parlament über die Verteilung des 5. Sitzes im Staatsrat entscheiden würde. Dabei dürfte die FDP ihre Hausmacht im Kantonsparlament in die Waagschale werden, die SP die bestätigte linke Mehrheit. Beide müssen aber verhindern können, dass Grüne und SVP wieder antreten.

Claude Longchamp

RR-Wahlen 2010: Wie die Machtfrage im Kanton Bern lautet!

In genau einem Jahr wählt der Kanton Bern seine Regierung neu. Dabei geht es um die Frage, ob sie seit 2006 bestehende, rot-grüne Mehrheit erhalten bleibt, oder ob es 2010 eine Rückkehr zu einer bürgerlich dominierten Regierung kommt. Meine erste Auslegeordnung.

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Von rechts nach links, von links nach rechts, oder alles beim Alten? – Berner Regierungsrat bis am 28. März 2010

Meine Unsicherheit
Zwar steht das Datum der Regierungsratswahlen, der 28. März 2010, hieb- und stichfest im Kalender der Berner PolitikerInnen eingraviert. Doch wissen wir alle nicht, in welchem Umfeld diese Wahlen stattfinden werden.

Denn man weiss nur wenig zuverlässiges über die konjunkturellen Aussichten, die Arbeitslosenrate, das allgemeine Klima, das nächsten Frühling herrschen wird. Ja, man weiss nicht einmal, welche Medien den kantonalen Wahlkampf prägen werden: Die BZ? der Bund? Oder werden es die ersten Berner Wahlen sein, die von Tagi bestimmt werden? All das wird um so wichtiger sein, weil 2010 die Regierung erstmals nach dem Wahlrecht bestimmt wird, das vorgedruckte Wahlzettel untersagt. Die Bekanntheit der Bisherigen, vermittelt durch Redaktionen und Inserate, werden umso wichtiger sein.

Meine Sicherheit
Meine These lautet: Die härteste Form der Polarisierung gibt es im Wahlkampf 2010, wenn die bisherige rotgrüne Mehrheit einer bürgerlichen Viererlisten gegenüber steht, angeführt von SVP, unterstützt von FDP und BDP. Denn so wird die Machtfrage klar und deutlich gestellt. Dabei gibt es sogar eine erfolgversprechende Taktik: Rotgrün nicht flächendeckend zu attackieren und damit die Basis der Mehrheit zu mobilisieren, sondern mit einer starken SVP-Kandidatur aus dem Berner Jura den SP-Vertreter aus diesem Kantonsteil anzugreifen.

Jede andere Version verringert die Wahrscheinlichkeit einer neuen Mehrheit im Berner Regierungsrat, ohne sie ganz auszuschliessen. Den Hebel in Händen haben also SVP, FDP und BDP.Sie müssten ganz gezielt vorgehen, und es müsste ihnen gelingen, weitere Kandidaturen aus anderen Parteien rechts der Mitte zu verhindern.

Der Stand der bürgerlichen Dinge
So wie es im Moment aussieht, kommt es nicht dazu. Das behagt den Wirtschaftsverbänden gar nicht. Ihnen ist nicht nach drei SVP-Kandidaturen zu Mute, eine Konkurrenz zwischen SVP und FDP um den Jura-Sitz möchten sie verhindern, und bei der BDP wüsste man nicht, woran man wäre, würde der einzige Bisherige, Urs Gasche, verzichten.

Entsprechend gibt man sich unter den bürgerlichen Tenören vorsichtig: Denkbar seien Einzelgänge der Parteien, unwahrscheinlich erscheine eine Siebner-Liste. Von einer kompakten Viererliste redet man, wenn überhaupt, nur im Konjunktiv.

Der Stand der rotgrünen Dinge
Rotgrün weiss, dass 2006 die überraschende Regierungsmehrheit aus einer Bedrohungslage durch bürgerlichen Ueberheblichkeit heraus entstand. Denn die mobilisierte besser als alles andere. Das städtische Publikum wollte im Kanton nicht ganz durch das ländliche bestimmt werden. Also ging man etwas geschlossener als sonst wählen. Und das brachte den unerwarteten Sieg.

Sichtbare Fehler hat die neue Mehrheit nicht gemacht; viel neues Profil hat sie aber auch nicht entwickelt. Man ist auf den individuellen Leistungsausweis aus. Denn alle wissen, dass der linken Regierungsmehrheit eine rechte Parlamentsmehrheit gegenüber steht. Ein eigentliches Wende-Moment bedroht rotgrün deshalb nicht. Und ein Projekt aus Rotgrünmitte ist im Kanton nicht sichtbar. Eher problematisch sind für Rotgrün die innere Demobilisierung der SP, die Aufweichung des Lagers durch die Grünliberalen, das Fehlen eines zündenden Projektes im rotgrünen Spektrum. “Keine Experimente in unsicheren Zeiten” könnte zum bernisch nachaltig wirksamen Slogan werden.

Pferderennbahnstimmung als journalistische Form der Dramatisierung

Die Zeitung “Bund” eröffnet heute den Wahlkampf 2010, nimmt eine Reihe der Befunde zur Ausgangslage auf, lässt andere (wie das Ende der eigenen Existenz) weg. Man konzentriert sich dabei auf das probate Mittelchen der Spannungserzeugung. “Falls von den rot-grünen Regierungsmitgliedern”, sagt der Politologie Georg Lutz, eines über die Klinge springen müsste, käme es zu einem sehr knappen Entscheid.”

Pferderennbahn-Stimmung ist das schon alle Mal; eine Analyse noch nicht!

Claude Longchamp

Quo vadis SP?

Die SP-Spitze reagiert fast wie die Konjunkturforscher Die eigene Krise sei noch nicht zu Ende, doch hoffe man auf den Aufschwung in der nahen Zukunft. Politische und politologische Kommentare helfen dieses Bild zu differenzieren, doch ist das alles nicht gesichert. Erhellend wäre letztlich nur eine Diskussion darüber, wo sich für die SP mittelfristige Perspektiven der Neueinbindung von WählerInnen in der gegenwärtigen, gesellschaftlich-medialen Situation ergeben.

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Christian Levrat, SP-Präsident seit 2008 glaubt an eine Wende nach den kantonalen Wahlen in Neuenburg und Genf in diesem Jahr

Die Binnensicht
Christian Levrat, SP-Parteipräsident, und Thomas Christen, sein Generalsekretär, äussern sich seit den Wahlen im Aargau und in Solothurn zur Entwicklung der eigenen Partei.

Für sie ist es ausgemacht, dass die SP ein Mobilisierungsproblem hat. Sie verliert Parlamentswahlen, wenn sie in Wahlkämpfen zu wenig auf die Beteiligung setzt. Als Schwäche wird die eigene Kommunikation gesehen. Die erarbeiteten Inhalte würde zu wenig klar transportiert. Im Hintergrund sehen sie ein Imageproblem, das trotz Verjüngung an der Spitze nicht korrigiert werden konnte.

Eine direkten Zusammenhang zwischen Wirtschaftslage einerseits, Wahlerfolgen von Parteien sehen die beiden Genossen nicht. Vielmehr legen sie Wert darauf, dass die Antworten, die man gebe, stimmen und vermittelt werden müssten. Bei politische Interessierten klappe das gut, was steigende Mitgliederzahlen würden. Bei politisch Distanziert sei das sichtbar nicht der Fall. Dafür müsse die gemachte Arbeit in der Vermittlung konzentrierter und zugespitzter vermittelt werden.

Die Aussensicht
Parallel dazu haben sich verschiedene Politologen zu den Wahlergebnissen geäussert. Bezogen auf die SP, halten Andreas Ladner, Hans Hirter oder Georg Lutz mehr oder minder am theoretischen Einfluss der Wirtschaftslage auf das Ergebnis linker Parteien fest, schliessen nicht aus, dass sich diese Effekte erst noch zeigen werden, namentlich, wenn die SP auf soziale Themen setze.

Sie betonen nebst der Mobilisierungsfrage die Verluste der SP durch Wechselwählen. Ihre Ergebnisse seien rückläufig, seit die Grünen, insbesondere die Grünliberalen, im Aufschwung seien. Diese wirkten frischer, offener und unabhängiger.

Parteipräsident Christian Levrat wird attestiert, sehr präsent zu sein; der Romand komme aber in der deutschsprachigen Schweiz noch zu wenig als Vermittler neuer Ideen an. So bleibe die Kritik, die SP sei zu stark links und zu ideologisch ausgerichtet, was neuen Parteien wie den Grünliberalen Chancen biete.

Die eigentliche Analyse steht unverändert aus

Das Problem all dieser Einschätzung aus der Binnen- wie der Aussenperspektive besteht darin, nicht evidenzgestützt zu sein. Sie entstehen unter Zeitdruck nach überraschenden Wahlergebnissen, und sie müssen auf unvollständige und uneinheitliche Datenbasen zu offiziellen Wahlergebnisse zurückgreifen. Daran ist die SP allerdings nicht ganz unschuldig, verhinderte sie doch nach der Wahlniederlage bei den eidgenössischen Parlamentswahlen eine systematische Nachwahlanalyse in eigener Sache.

Für die unmittelbare Gegenwart sind zwar die wichtigsten Stichworte gesetzt. Die mittelbare Zukunft wird damit jedoch nicht geklärt. Aus politologischer Sicht wäre zu folgern, dass die alten gesellschaftlichen Spannungslinien wie der Gegensatz von Arbeit und Kapital für die Bestimmung von Parteibindung und Wahlentscheidungen nicht mehr so bestimmend sind. Damit einher geht der Zerfall von Parteiorganisationen, welche die Bindungsarbeit im wieder von neuem leisten müssten.

Von grössere Relevanz wäre es aber, nach mittelfristigen Einbindungen neuer Gruppen fragen, wie das die SP in den 90er Jahren erfolgreich mit der Frauenbewegung leistete. Das gilt sowohl für die Interessenvertretung wie auch für die organisatorische und kommunikative Vermittlung. Ein eigentlicher Nachfolgezyklus hierzu hat die SP bisher nicht gesucht und deshalb auch nicht gefunden.

Claude Longchamp

Die Lehren aus den Aargauer Wahlen

Das Ergebnis der Wahlen im Kanton Aargau überraschte eigentlich alle. Grund genug, um über lieb geworden Fehleinschätzung nachzudenken und realistischere Arbeitshypothesen für die künftige Wahlanalyse zu entwickeln. Ein erster Versuch.

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Uebersicht über Analysen, Prognosen und Ergebnisse der Grossratswahlen im Kanton Aargau nach Max Knecht

Wahlprognostiker im Abseits

Er ist im Kanton Aargau der Wahlprognostiker par exellence: Zwischen 1965 und 1985 war Max Knecht Grossrat, und 1973/4 präsidierte das CVP-Mitglied das aargauische Parlament. Schon als Politiker machte er gerne Prognose, sodass er für die Aargauer Medien als willkommener Wahlaugur aufstieg.

2009 versagte seine bisher recht erfolgreiche Methode. Das Problem lag nicht einmal am doppelten Pukelsheim, den Knecht als einziger sauber analysierte. Demnach hätten allein deswegen die SVP 4, die SP 3 und die CVP 1 Sitz verlieren müssen. 3 wären an die Grünen, 2 an die SD und je 1 an die EVP, die EDU und übrige gegangen.

Doch die politischen Veränderungen schätzte Knecht ziemlich falsch ein. Er erwartete reale Verluste für die SVP und die FDP, Gewinne für die GLP und BDP, während die SP, CVP und Grüne über die Veränderungen wegen der Aenderung beim Sitzverteilungsschlüssel hinaus bis auf maximal eine Mandatsverschiebung stabil bleiben würden.

Die Resultate im Ueberblick
Das Ergebnis der Wahlen kann stichwortartig wie folgt zusammengefasst werden:

. Die SVP legte an Stimmen zu und kompensierte fast alle Verluste wegen dem Pukelsheimer.
. Auch die Grünen wurden unterschätzt, denn sie legten bei den WählerInnen zu und machten auch real Sitzgewinne.
. Marginal besser als von Knecht erwartet schnitt schliesslich die neue BDP ab.
. Klar überschätzt wurde dagegen die SP, die Wählende verlor und weit über den veränderten Sitzverteilmechanismus Mandate einbüsste.
. Das gilt, abergeschwächt auch für die CVP und EVP.
. Letztlich lag der Prognostiker nur bei der FDP und den Grünliberalen richtig.

Die wichtigste Schlussfolgerung lautet: Makroökonomische Analysen der Politik versagen als kurzfristige Prognosen. Vielmehr braucht es eine Analyse der Mechanismen innerhalb der Parteienlandschaft. Selbst erfahrene Wahlanalytiker können sich dabei heute täuschen, wenn sie zu stark auf Referenzwahlen, Umfragen und zu wenig auf eigene Ueberlegungen abstellen.

Die Botschaften des Wahlergebnisses
Ich halte die für mich wichtigsten Botschaften aus den jüngsten Aargauer Wahlen fest.

Erstens, die SVP gewinnt trotz vermehrtem Wettbewerb in ihrem politischen Umfeld. Es haben sich aber die Gewinnesprünge verkleiner.
Zweitens, die SP kann trotz Profilierung vor dem Hintergrund der Finanzkrise nicht zulegen, denn sie kann mit der Konkurrenz der Grünen und Grünliberalen nicht umgehen.
Drittens, Das Zentrum schwächelt fast unverändert, was neuen Parteien Platz bietet.

Eine kritische Analyse der Fehlüberlegung führt zu allererst zur Wahlbeteiligung. Sie lag bei den jüngsten Grossratswahlen mit 31,7 Prozent sehr tief, noch tiefer als bei der Parlamentserneuerung 2005, als sich 33,2 Prozent beteiligten. Sie war damit auch tiefer als am 30. November 2009 resp. am 8. Februar 2009, als die Aargauer Regierung gleichzeitig mit eidg. Volksabstimmungen bestimmt wurde.

Die vierte Botschaft lautet damit: Die Mobilisierung ist für den Wahlausgang massgeblich.

Neue Arbeitshypothesen für die Wahlanalyse
Man kann daraus die folgenden neuen Arbeitshypothesen für Wahlanalysen und -prognosen ziehen:

Erstens, die SVP hat die beste innere Mobilisierung. Sie richtet ihren Wahlkampf konsequent darauf aus. Damit polarisiert sie bei den Wählenden anderer Parteien, doch kann sie damit Wechselwählen zu Konkurrenten verhindern, und vor allem hält sie die Beteiligung ihrer Wählerschaft unabhängig vom allgemeinen Trend vergleichsweise hoch. Das sichert ihr Stabilität auch unter erschwerten Bedingungen.

Zweitens, Rotgrün kann sich bei äusserer Mobilisierung insgesamt halten. Ohne das zuerst hat die SP jedoch ein Problem. An den Wettbewerb mit anderen Parteien um die gleichen Wählenden hat sie sich noch nicht gewöhnt. Sie wirkt auch im Erscheinungsbild wie aus der Epoche davor. Das ist bei den Grünliberalen, die im Aargau ganz neu auftreten, überhaupt nicht der Fall, was ihnen Stimmen sowohl im rotgrünen Lager, wie auch im Zentrum einbringt. Es ist aber auch bei den Grünen nicht so, die für oppositionelle Linkswählende konsequenter als die SP wirken.

Drittens, ohne überragende Persönlichkeiten als Zugpferde kann man im Zentrum nicht punkten. Die CVP konnte sich 2005 im Aargau gegen diesen Trend stellen, als die damalige Parteipräsidentin der CVP Schweiz, die Aargauer Nationalrätin Doris Leuthard, den Wahlkampf anführte, ohne für den Grossen Rat gewählt werden zu können. Fiktive Kandidatur in diesem Stil lassen sich jedoch nicht einfach wiederholen; Wahlgewinne, die daraus resultierten auch nicht. Die personellen Schwächen dahinter werden wieder deutlich sichtbar, und sie eröffnen Spielräume für neue Parteien, sich erfolgreich zu bewerben.

Oder anders gesagt: Die besten Prognosen sind die, die nicht eintreten, weil man vorher handelt. Die zweitbesten Prognosen sind die, die nicht eintreffen und zum Nachdenken darüber führen, was die Fehlannahme im common sense waren.

Claude Longchamp

Kantonale Wahlergebnisse: Vorsicht aus verschiedenen Gründen angebracht

Wahlergebnisse in den Kantonen sind gar nicht so einfach zu erhalten. Denn die Resultateermittlung beschränkt sich weitgehend auf die Sitze, kaum auf die Prozentwerte. Hinzu kommen unterschiedliche Praxen und Rechnenfehler, was die Aufgabe zusätzlich erschwert.

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Beispielhafte Uebersicht über die jüngsten kantonalen Wahlergebnisse, wie sie das BfS veröffentlicht.

Exemplarische Probleme
Das Staunen im Aargau war letzte Woche grosse. “Die bisherigen Wahlergebnisse im sind Aargau falsch berechnet worden», diktierte Wahlanalytiker Stephan Müller der “Mittellandzeitung” ins Notizbuch. Berechnet hatte man die Stimmenstärke der Parteien, ausgewiesen wurden aber die WählerInnen-Stärken.

Da die Zahl der Stimmen, die man im Proprozwahlrecht mit Panaschiermöglichkeiten abgibt, von der Zahl der Sitze in einem Wahlkreis abhängen, haben Wählende in grossen Wahlkreise mehr Stimmen als Wählende in kleinen. Prozentuiert man auf der Basis der Stimmen, verzerrt dies das Ergebnis gunsten der Parteien der Wahlkreise mit vielen Sitzen.

Das Problem ist im Aargau erkannt und wir berichtigt. Wegen der Aenderung des Wahlrechts und der Verteilung nach dem “doppelten Pukelsheimer” sind die Prozentwert sowieso nur bedingt vergleichbar. Da die kleinen Parteien im neuen Schlüssel grössere Chancen haben, zu Sitzen zu kommen, kann auch angenommen werden, dass sie auch mehr WählerInnen-Stimmen erhalten. Denn die Chancen, dass eine Stimme für kleine Parteien zu gar keinem Sitz führen, war diesmal deutlich geringer als noch vor vier Jahren.

Die WählerInnen-Verschiebungen im Aargau
Ueberblickt man die Veränderungen in den aktuellen Parteistärken, haben SP (-3.9%), FDP (-2.6%) und CVP (-2.5%) am meisten verloren. Real sind auch die Verluste der EVP (-1.2%).
Der Sitzverlust der SVP geht dagegen auf den Wechsel im Wahlrecht zurück, denn die Partei, die ein Mandat weniger hat, gewann 1,6 Prozent der Wählenden hinzu.
Grosse Gewinnerin im Aargau ist die Grünliberale Partei (+3.5%), gefolgt von der BDP (3.1%). Beide bewarben sich erstmals für Sitze im Grossen Rat. Gewonnen haben aber auch die Grünen (+2.2%), die EDU (+1.1%), während die SD wählerInnen-mässig praktisch stabil blieb (+0.1%).

Unter dem Strich kann man das vorerst wie folgt interpretieren: Die Rechte (SVP, EDU) und die Linke (Grüne) legen zu, das rechte und linke Zentrum kennen neue Angebote (GLP, BDP), was die Situation der Regierungsparteien im Zentrum und links davon erschwert. Die Einflüsse aus der Wirtschaftlage sind gering, stärker noch gleicht die Entwicklung jener bei den letzten Nationalratswahlen.

Die raschen und zuverlässigen Informationsquellen

Die mehrfachen Schwierigkeiten mit Wahlergebnissen in Kantonen, die man gegenwärtig kennt, kann man letztlich nur dank Datenbanken ausgleichen, die aktuell sind und die Ergebnisse von Proporzwahlen nach vergleichbarem Muster berechnet werden. Dazu gehören die Uebersicht des BfS und das Parteienbarometer des Forschungsinstituts gfs.bern.

Claude Longchamp

“Die Roten verlieren gegen einen Toten”

Die Ueberraschung war faustdick: Das BZOe, die Partei des verstorbenen Landeshauptmannes Jörg Haider, gewinnt die Wahlen in Kärtnen. In der Landesregierung verfügt sie neu über 4 der 7 Sitze, und im Landtag stellt sie mit 18 der 36 Mandate genau die Hälfte.

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Wiedergewählter Landeshauptmann von Kärtnen, Gerhard Dörfler, neben Claudia Haider, der Witwe des verstorbenen Rechtspolitikers Jörg Haider

Das BZOe von Landeshauptmann Gerhard Dörfler erreichte bei einer Wahlbeteiligung von 77 Prozent 45,5 Prozent der Stimmen. Die Vorgängerpartei FPOe kam vor vier Jahren auf 42,2 Prozzent. Die SPOe folgt neu mit 28,6 -9,6%) Prozent, die OeVP mit 16,5 (+4.9%) Prozent. Die anderen Parteien scheiterten an der 5 Prozent-Hürde: die Grünen um Haaresbreite, die FPOe klar, während die KPOe kaum Stimmen machte.

Wählerwanderung: Umgruppierung, Wechselwählen und Neuwählende
Die Wählerstromanalyse des SORA-Instituts zeigt, dass das BZOe 117’000 den Hauptharst der Stimmen bei der Vorgängerpartei FPOe abholte. Aber auch 22’000 Stimmen kamen von ehemaligen SPOe-WählerInnen, jedoch nur 3’000 von der OeVP. Immerhin 17’000 Wählende des BZOe bleiben vor vier Jahren den Wahlen fern. Umgruppierung im rechten Lager, Wechselwählende aus den Reihen der Koalition in Wien und Neumobilisierung sind damit die Stichworte, die den grossen Wahlsieg begründen.

Am meisten Wählende verloren hat die SPOe. Nebst den erwähnten Stimmen an das BZOe, wanderten auch 2000 an die OeVP, während genau doppelt so viele zu den Nicht-Wählenden gingen. Marginal sind die Gewinn von der FPOe (2000) und von den Grünen (1000). Demobilisierung und Verluste nach rechts sind hier die Schlagworte.

Die dritte Partei in Regierung und Parlament, die OeVP, legt zu, weil sie 9000 Neuwählende ansprach, und ebenso viele Menschen für sich gewinnen konnte, die vormals FPOe gewählt hatten. Beschränkte Gewinne gab es auch seitens der Grünen (4000) und der SPOe (2000). Nur an das siegreiche BZOe verlor die OeVP etwas (3000). Damit sammelte die OeVP ein wenig aus allen Lagern.

Selbstbewusstsein Haiders gerade auch in der Krise weiter tragen
Das zentrale Motiv aus der Wahltagsbefragung war, wie andern Orts auch, die Arbeitsplatzsicherung. Die global Wirtschaftskrise bestimmte damit auch den Wahlausgang in Kärtnen in wesentlichen Teilen. Gewonnen hat aber auch jene Partei, die sich im Land bewusst von allem anderen abgrenzte, um “Seinen Weg weitergehen” zu können. Angespielt wird damit, dass es Gerhard Dörfler gelang, an den zum Mythos gewordenen Jörg Haider und sein Engagement für ein eigenständig ausgerichtetes Kärnten anzuknüpfen.

Michael Völker kommentiert im Standard: “Das Verständnis für einen Landeshauptmann Dörfler muss man sich erst erarbeiten.” Kärtnen sei und bleibe ein Sonderfall unter den österreichischen Bundesländern: Es ist das einzige Bundesland, in dem das BZÖ eine nennenswerte Kraft darstellt und sogar den Landeshauptmann stellt.” Gewählt wurde zwar in der Gegenwart, gemeint war aber die Vergangenheit. Es ging schliesslich weniger um die populäre Witzfigur Dörfler, des Fasnachtstreiben ausserhalb des Landes für Kopfschütteln sorgte. Vielmehr wählte man in Erinnerung an Jörg Haider, der das Kärntner Selbstbewusstsein wie kein anderer vor ihm verkörpert hatte. Das ist bis auf den heutigen Tag unverändert geblieben.

Die SPOe, die hoffte, das BZOe zu überholen, sieht sich nach dem Rechtsrutsch in Kärtnen mit sich selber konfrontiert, denn sie muss sich als zuverlässige Stütze der Arbeitschaft in Kärtnen und anderswo erst wieder aufrappeln und profilieren. Sonst bleibt an ihr haften, was man heute vielerorts lesen konnte: “Die Roten verlieren gegen einen Toten.”

Notabene auch eine Herausforderung für die Wahlforschung, dieses Novum zu erklären!

Claude Longchamp

Nur ein kleiner Schritt für die BDP, aber ein grosser für die Schweiz

Eigentlich war es am vergangenen Sonntag nur eine Ersatzwahl für den zurückgetretenen Nationalrat Werner Marti aus dem Kanton Glarus. Zu seinem Nachfolger bestimmt wurde Martin Landolt. Da damit auch die Parteivertretung wechselte, kommt Bewegung nicht nur in die Parteienlandschaft des Voralpenkantons, sondern auch der ganzen Schweiz.

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Der neue Nationalrat aus Glarus, Martin Landolt, BDP, bringt das bestehende Gefüge der Parteien, Fraktionen und Regierungsformeln durcheinander

Die Wahl Landolts in den Nationalrat brachte zunächst der neu gegründeten Bürgerlich-demokratischen Partei BDP den ersehnten 5. Sitz. Damit kann die Partei im Nationalrat eine eigene Fraktion bilden und ist sie die 5. Regierungspartei. Sie verfügt damit über mehr Redezeit im Parlament, und über mehr Mittel für die Parteiarbeit.

Da die BDP irgendwo zwischen FDP und SVP politisiert und die SP, die einen Sitz einbüsste, links der Mitte steht, verschiebt sich mit der Glarner Wahl die Mehrheit im Nationalrat. Neu haben die Parteien rechts der Mitte (SVP, FDP/LPS, BDP, EDU) genau 100 Stimmen in der Volksvertretung, und auch die Parteien links der Mitte (SP, Grüne, CVP/EVP/glp) sind so stark.

Schliesslich überholt die Zentrumsfraktion, bestehend aus CVP/EVP/glp, mit der Sitzverschiebung bei der SP die linke Partei als zweitgrösste Fraktion unter der Bundeskuppel. Im Nationalrat ist sie zwar unverändert schwächer, im Ständerat aber stärker, und in der Summe verfügen die Zentrumspolitiker nun ebenfalls über 52 Stimmen.

Das wird nicht zuletzt zum Argument bei der Bestellung des Bundesrates. Denn die SVP stellt die grösste Fraktion, gefolgt von der CVP/EVP/glp, der SP, der FDP/LP und der BDP. Die Verteilung der Bundesratssitz entspricht dem nicht mehr. Die kleinste, aber auch die beiden grössten Fraktionen haben je einen Sitz in der Bundesregierung, bei beiden mittleren Fraktionen je zwei.

Für Sprengkraft in der Parteien-, Fraktions- und Regierungslandschaft der Schweiz ist gesorgt.

Claude Longchamp