Niall Fergusons optimistische Evolution des Geldes

Sicher braucht es Mut, mitten in der jüngsten Finanzkrise ein optimistisches Buch über die Geschichte des Geldes zu schreiben. Denn da kann man sowohl bei HistorikerInnen oder OekonomInnen, als auch im Publikum leicht durchfallen.

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Niall Ferguson wäre nicht Niall Ferguson, würde er sich der grossen Aufgabe nicht stellen. Denn der britische Historiker mit Jahrgang 1964, der meist in den USA an Elite-Universitäten forscht und lehrt, ist dafür bekannt geworden, Geschichte medien- und damit auch publikumsgerecht zu präsentieren – und zwar nicht nur als origineller Fachmann, sondern auch als genialer Kommunikator. Das sichert ihm, was auch immer er in Angriff nimmt, Zustimmung, wie die der Times, die ihn schon mal zum „brilliantesten Historiker seiner Generation“ erklärt hat.

Im Buch zum „Aufstieg des Geldes“ als eigentlicher Währung der Geschichte beginnt Ferguson zwar im Altertum, genauer gesagt bei den Geldverleihern in Mesopotamien, spannt er den Bogen aber auch bis in die Gegenwart, das heisst die Tage des Jahres 2007, als die ersten Anzeichen der Finanzmarktkrise in den USA sichtbar wurden.

Denn es geht dem Tausendsassa der Wirtschaftsgeschichte in dieser Uebersicht nicht wirklich um die Geschichte der Medici i Florenz, nicht um die Aktiengesellschaft der niederländischen Ostindienkompanie und auch nicht Staatsanleihen aus dem Rothschild-Imperium nach dem Ende der napoleonischen Kriege. Er will auch nicht einfach erzählen, wie vielerorts Versicherungen entstanden, die kollektive und private Vorsorge anbieten, oder politische Programme lanciert wurden, die Privathaushalte animieren, sich auf Immobilienbesitz zu spezialisieren.

Denn im Kern des Buches geht es Ferguson um eine Abstammungslehre des Geldes. Das tönt ein wenig darwinistisch – und es ist es bisweilen auch. Denn es hat mit Fergusons Auffassung von Geschichte zu tun.

Aehnlich wie Herbert Spencer sieht Ferguson die Entwicklung der Gesellschaft als Evolution vom Einfachen zum Höheren. Anders als beim britischen Soziologen ist bei ihm das was sich durchsetzt, nicht einfach gut, aber besser. Deshalb ist die jeweilige Gegenwart immer die beste als bisherigen.

Ferguson verfällt nicht in die Falle früherer Fortschrittsoptimisten, von einer linearen Entwicklung der Menschheit, der Gesellschaften und der Wirtschaften zu sprechen. Vielmehr braucht er mit Bezug auf das Geld die eingängige Formel, dass die Finanzgeschichte Zickzack-förmig verlaufe, die Geldentwicklung sich dabei aber wie ein Sägeblatt immer tiefer ins Holz fresse.

Die Verbesserungen des Geldes als Münze, als Papiergeld, als Guthaben entstehen dabei anders als in der Natur nicht durch äussere Schockwellen, welche die Umwelt veränderten und Anpassungen der Organismen verlangten. Vielmehr leiten sie sich aus den Schwächen der bisherigen Finanzorganisationen ab, die in Schüben schöpferischer Zerstörung durch leistungsfähigere ersetzt werden müssen. Was sich dabei in Konkurrenz behaupte, diversifiziere die Angebote und verbreite sich aufgrund einer eigenen Auslese nach Massgabe der Nützlichkeit.

Geld, schliesst der Historiker seine Einsichten in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sei immer nur ein Spiegel, der dem Menschen stets und überall zeige, was man wertschätze. Dass dabei Schönheit und Makel zum Ausdruck komme, liege nicht am Geld, eher am Menschen, der unfähig sei, vorauszusehen und sich vernünftig zu verhalten.

Die Lektüre des Buches ist zu allererst ein Genuss. Denn es schreibt ein Autor, der selber belesen ist, es erzälht ein Historiker, der das Vertrauen der Banker geniesst und deren Welt auch aus den privatesten Archiven kennt, und es spricht in Wort und Bild ein Kommunikator, dessen Bücher längst kein Selbstzweck mehr sind, sondern eher Nachschlagemöglichkeiten für TV-ZuschauerInnen oder KonsumentInnen von Video-Botschaften aus dem „Hause Ferguson“.

Doch dann überfällt einem nach 300 Seiten Gelesenem doch die Frage, ob man nicht nur faktenreich durch die Geldgeschichte geführt, sondern auch geschickt abgelenkt worden ist.

Gerade die Metapher der Evolution des Geldes in Analogie der Evolution der Natur verleitet nämlich zur Vorstellung, dass Alles nur natürliche Auslese sei, vor allem aber keine Interessen den Umgang mit Geld antreibe. Gerne hätte man deshalb auch gelesen, wie gerade auch ausserhalb der Geldinstitute ein Diskurs um das Wesen und die Wirkungen von Banken, Versicherungen, Obligationen, Aktien, Optionen, Derivaten entstand, der durchwegs kritischer ausfällt, als wenn man im Cockpit eines Bulldozers sitzt, der sich durch die Umgebung pflügt, im Einzelnen von schöpferischen Zerstörungen spricht, die für die allgemeine Entwicklung nötig sei.

Oder eben: das Buch ist geschliffen wie ein Brilliant, der leuchtet, ohne dass die Botschaft wirklich einzuleuchtet!

Niall Ferguson: Der Aufstieg des Geldes. Die Währung der Geschichte, 2009 (englisches Original 2008)

Das ökosoziale Manifest

Roger de Weck kennt den Kapitalismus – und kritisiert ihn. Zum Beispiel in seinem jüngsten Buch “Nach der Krise”, das sich wie ein ökosoziales Manifest liest.

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Roger de Weck, designierter Generaldirektor der SRG

Der St. Galler Oekonom, Sohn des ehemaligen Präsidenten der SBG (heute Teil der UBS) schreibt als Journalist mit Vorliebe über die Rolle der Banken im Kapitalismus – meist auch kritisch. Denn mit der jüngsten Finanzkrise ortet er gerade unter den führenden Geldwirtschafter einen dreifachen Wandel: Nicht mehr weniger Regulierungen, weniger Staat und weniger Rücksichtnahme auf die Verlierer seien angesagt, seit die Banken selber ins Wanken geraten sind. Gefragt sei der Staat Tag und Nacht und Regulierungen sind keine Strangulierungen mehr, sondern Stützen im Konkurrenzkampf. Und wer die Banken nicht stützen wollen, wolle den Untergang der ganzen Wirtschaft.

„Kapitalismus als Religion“ ist eines sieben Kurzessays, die der Freiburger Kulturkatholik in Anlehnung an Walter Benjamin 2009 verfasst und zu einem 100seitigen Band zusammengefasst hat. Darin begründet er, wie die Reformation des Kapitalismus aussehen müsse. Angestrebt wird ein ausgewogener Kapitalismus, der sich vom real existierenden absetzt. Vielmehr skizziert de Weck, wie der Kapitalismus demokratisch, nachhaltig und stabil werden könnte. Auf dieser Basis fragt er sich, was nach der jüngsten Krise ein liberaler Kapitalismus sei, der im globalen Rahmen funktionieren könne.

In seinem Manifest geisselt der vormalige Chefredaktor des Zürcher „Tages-Anzeiger“ resp der Hamburger „Die Zeit“ die Gier der Manager, die sich aus dem Ungleichgewicht von Kapital und Arbeit entwickelt habe, das Marktdenken verabsolutiert und die Funktionen des Staates verniedlicht habe. Die Umkehr, die er fordert, begreift genau das als Macht der Oekonomie, der eine Gegenmacht gegenüber zu stellen sei, damit sich auch nicht-ökonomische Werte behaupten könnten.

Demokratie, schreibt der langjährige Kolumnist der Sonntagszeitung, müsse Vorrang vor der Oekonomie bewahren, und die Politik brauche Unabhängigkeit vor Wirtschaftsinteressen. Eine kompetente und leistungsfähige Verwaltung sei unabdingbar, und dürfe als stabilisierender Garant des Staates nicht einfach verhöhnt werden. Auch die Wirtschaft wird in die Pflicht genommen, wenn es um mehr Stabilität geht. Geldhäuser müssten viel mehr Eigenkapital hinterlegen, um für die Risiken, die sie eingehen, mitzuhaften, Spekulation sei zu verbieten, genauso wie Gehalts- und Bonusexzesse. Nicht die Bereicherung müsse belohnt werden, sondern die Investitionen in Volkswirtschaften und Unternehmen. Staat Eigennutz seien soziale und ökologische Ziele angesagt, die auf Eigentum basierten, das verpflichte.

„Liberal“, sagt der führende Intellektuelle in der Schweiz, sei eine Grundhaltung, die es vermeide, staatlicherseits in den Markt zu intervenieren, sich aber nicht scheue, ihn zu regulieren. Oder noch klarer: Wer Staatshilfe beanspruche, müsse mit der Enteignung leben. Denn das was wir heute hätten sei faktischer Staatskapitalismus, verkleidet in neoliberale Ideologie, wenn die Sonne scheine, und Staatsinterventionismus, wenn es regne. Das zu überwinden, werde auf nationalstaatlicher Ebene misslingen, weshalb es eine Weltwirtschafts- verbunden mit einer Weltwährungspolitik brauche, die davon ausgehe, dass alle lebensnotwenigen Ressourcen einen Preis bekämen.

Insbesondere in der Schweiz gilt Roger de Weck als „Linker“. Das rührt daher, dass er einen EU-Beitritt der Schweiz befürwortet. Weltanschaulich trifft das Etikett nicht zu, wie die Lektüre seines Buches „Nach der Krise“ zeigt. Denn der designierte Generaldirektor der SRG sucht nicht die Ueberwindung des Kapitalismus. Vielmehr strebt er einen reformierten Kapitalismus an, der von der Kurzfristigkeit der Bonuskultur und ihrer Implikationen befreit, langfristig ausgerichtet, ökologischen Zielen, sozialen Zwecken und der menschlichen Entwicklung dienlich ist.

Das bringt er in präzisen Worten zu Papier und zwischen zwei Buchdeckel, wie man es sich in der rasch wachsenden Literatur zur jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise wünschen würde. Beim besprochenen Buch hätte man sich gewünscht, dass nicht nur der Ueberbau skizziert worden wäre, sondern auch die Träger der Veränderungen benannt und die Kräfte, die sie stützen, analysiert worden wären.

Immerhin: 1848 verfassten mit den Deutschen Karl Marx und Friedrich Engels ein Philosoph und ein Unternehmer das Kommunistische Manifest. 2009 schrieb mit dem Schweiz Roger de Weck ein Intellektueller das Manifest der ökosozialen Marktwirtschaft.

Buchbesprechungen im dialogischen Zeitalter

Er schrieb ein Buch. Ich besprach es. Nun kommentiert Bastien Girod alle Rezensionen zu seinem “Green Change”. Ein Hauch von Internet-Dialog entsteht so.

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Interaktion ist Kommunikation unter Anwesenden, sagte der Soziologe Niklas Luhmann. Dank Interaktionssystemen wie Internet gibt es auch dialogische Kommunikation unter Abwesenden. Neuerdings sogar im Bereich von Büchern und Buchbesprechungen.

Bastien Girod ist als Neuerer bekannt geworden. Kaum war er Nationalrat, mischte er mit seiner Offroader-Initiative vorne mit und fand er selbst bei Automobilfans interessierte Gesprächspartnern. Vor kurzem kam sein erstes Buch auf dem Markt, und schwupps kündigte der erfolgreiche Umweltwissenschafter an, nach Utrecht gehen zu wollen, um dort ungestört forschen zu können. Auf die Politik in der Schweiz will er aber nicht verzichten.

Für die Sessionen als grüner Nationalrat will der Teilzeitauswanderer bald schon regelmässig pendeln. Den Abstimmungskampf zur Initiative will aber aus der Ferne führen – genauso wie den Wahlkampf zu seiner Wiederwahl als Zürcher Volksvertreter in Bern. Dafür will er seinen Auftritt im Internet ausbauen. Dialogisch kommunizieren nennt man das wohl, denn die WählerInnen-Ansprache funktioniert via Internet gleich, ob man in der Schweiz oder in den Niederlanden ist. Denn das Internet ist ein Interaktionssystem, das dialgoeische Kommunikation unter Abwesenden erlaubt.

Konsequent dialogisch ist Girod schon mal, wenn es um seinen Erstling unter den grünen Fachbüchern geht. Die NZZ hat es rezensiert, der Tagi auch. P.M. und P.S. taten das gleiche, wie ich auch. Die meisten lobten das Buch, aus Gründen der Aktualität, aber auch konzeptionell. Insbesondere der Ausbruch aus dem unvollständigen Glück, das sich in entwickelten Gesellschaften ausbreitet und nach einer politischen Befreiungsaktion ruft, fand die Aufmerksamkeit der Rezensenten. Natürlich gab es auch Kritik, vor allem aus dem konkurrierenden SP-Lager. Bemängelt wurde der Unterschied zwischen kollektivem und individuellem Glück.

Nun, Girod wirkt auch hier als Neuerer. Denn auf seiner Webseite bespricht er gegenwärtig die Besprechungen. Und erteilt den Notengebern Noten. Das ist keck, und mediumsgerecht, denn kein anderes Mittel der Kommunikation wurde bei seiner Einführung so für seinen (potenziell) dialogischen Charakter gelobt, wie das Internet. Einen Hauch davon kann man aktuell anhand des “Green Change” erleben.

Bauchentscheidungen

Mehr Information sei immer gut, habe ich in meinem Studium noch gelernt. Das war noch zu Zeiten der kognitiven Revolution. Zwischenzeitlich haben wir schon längst den emotional turn erlebt, auch in der Forschung, und mit ihm wird die Intuition als Entscheidungsprinzip wieder mehr geschätzt.

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“Früher ging man davon aus, möglichst viele Informationen zu sammeln und auszuwerten. Aber das ist nicht immer richtig und sogar häufig irreführend. Wir waren die Ersten, die emprisch nachweisen konnten, dass intuitive Prinzipien bei gewissen Fragestellungen zu besseren Fragestellungen führen als komplexe statstische Softwarepakete.”

Gerd Gigerenzer, der dies sagt, ist Professor für Psychologie. Er gehört zu den meist zitiertesten seines Fachs im deutschsprachigen Raum. Seine Karriere führte ihn von München über Konstanz, Salzburg, Chicago nach Berlin.

Gigerenzers Thema sind Heuristiken. Damit meint man eine menschliche Fähigkeit, Probleme gut zu meistern, auch wenn man wenig Zeit und wenig Informationen hat.

Das Prinzipien sind einfach: Wenn Zukunft verhersagbar ist, sollte man alle verfügbaren Informationen nutzen. Denn es gilt, Fehlschlüsse zu vermeiden. Oekonomische Modelle einerseits, statistische Verfahren andererseits sind dann die leistungsfähigsten Instrument. Wenn die Zukunft indessen aufgrund ihrer Komplexität nicht vorhersagbar ist, schlägt der Professor vor, sich auf seine Intuition zu verlassen. Denn hilft einem zu erkennen, was Wesentlich ist, und danach sollte man handeln, während man den Rest auch ignorieren kann. Die meisten Probleme, so dozierte der Fachmann, liegen aber dazwischen, sodass es durchaus Sinn machem dass sich die Forschung damit beschäftige, wann welches Vorgehen geeigneter ist.

Richter, Aerzte und Manager gehören zu den Gruppen, die am häufigsten bei Gigerenzer Rat suchen. Typischerweise sind das alles Macher, meist eine solide Grundausbildung hinter sich haben, im Alltag aber viel häufiger entscheiden müssen, als sie es gelernt haben. Denn ihre Beruf verlagen sowohl “Wissen” wie “Können”, Analyse wie Anwendung.

“Bauchentscheidungen”, wie es der Psychologe nennt, gibt es aber auch in der Politik. Man verlässt sich auf seine Erfahrung, wenn man abstimmen muss. Immer über alles Bescheid wissen, ist nicht nur aufwendig, es ist gelegentlich auch nicht möglich. Oder führt zur informierten Entscheidungsunfähigkeit, der nicht ganz unbekannten Ueberforderung von Sachverständigen.

Regierungsvertrauen ist eine solche Möglichkeit der Komplexitätsreduktion in der Politik. Parteibindungen ist eine weitere. Genauso, wie darauf achten, was Politiker, die man kennt und schätzt empfehlen.

Machen wir uns nichts vor: Wenn uns etwas interessiert, informieren wir uns ausgiebig, meist auch langfristig. Dann sind wir befähigt, eine gründlich durchdachte Entscheidung zu fällen. Wenn uns dagegen etwas nur mässig anspricht, wollen wir rasch entscheiden können, und meiden wir den Umgang über die Informationsbeschaffung und -verarbeitung.

Gestern habe ich am IPMZ transfer, der Praxisabteilung des Zürcher Uniinstituts für Publizistik und Medienwissenschaft unterrichtet. Und ziemlich genau das für meine Teilnehmenden aus dem Bereich der Behördeninformation empfohlen. Gestern da kannte ich Gerd Gigerenzer noch nicht, denn erst heute habe ich in der Zeitung über ihn gelesen, – und war sofort mit ihm einverstanden!

Doch ist auch das wohl nur eine Bauchentscheidung. Und so erinnere ich mich an die griechische Philosophie zurück, die zwischen Wissen und Meinen unterschied. Letzteres ist das, was man nicht wissen kann. Bei allem, was man wissen kann, ist es die Aufgabe der gerade der Wisenschaften, das Meinen durch Wissen zu ersetzen.

Grünes Glücksstreben

Bastien Girod ist ohne Zweifel einer der kreativsten JungparlamentarierInnen bei den Grünen. Rechtzeitig um die programmatische Debatte vor den kommenden Wahlen beeinflussen zu können, legt er unter dem Titel “Green Change” ein Buch zur Zeitdiagnostik vor, dass er keck “Strategien zur Glücksmaximierung” nennt.

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Drei Teile hat das 200seitige Werk des jungen Zürcher Umweltwissenschafters: Der erste ist dem ökologischen Engagement für Veränderungen gewidmet. Es wirkt ein wenig wie ein grünes Handbuch für angehende PolitikerInnen. Der zweite Teil, das eigentliche Herzstück, analysiert die Glückbilanzen welt- und schweizweit. Dabei stützt sich Girod in vielem auf die Glücksforschung des Zürcher Oekonomen Bruno S. Frey. Der dritte Teil widmet sich den Folgerungen grüner Politik, wie sie der Nationalrat schon jetzt vor Augen hat.

Girod grenzt sich von Verständnis ab, wonach wegen eines angenehmen Zufalls man Glück gehabt habe. Ihm geht es um ein “gewolltes glücklich sein resp. werden”, das er aus einer allgemeinen Lebenszufriedenheit einerseits, der spezifischen Befindlichkeit anderseits ableitet. Die Maximierung dieses Glücksbewusstsein rückt er in die Nähe der Nachhaltigkeitsforderungen, wie sie die Oekologen schon lange fordern.

Hierfür behandelt der Autor die wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Faktoren, die glücklich machen, zieht er Bilanz zum “hier und jetzt” in der Schweiz und fragt nach auf anregende Art und Weise der Perspektive für das “morgen” und “anderswo”. Dann outet sich Girod als (gemässigter) Linker, der zur Emanzipation aufruft. Denn die Menschen auch in Staate mit hohem Glückempfinden müssten sich “aus dem Gefängnis des bisherigen Glücks” befreien.

Chancen sieht Girdo darin, dass das Menschbild der Wirtschaft und Politik zu einseitig sei, und ökologische aufgeklärte Menschen nicht nur egostisch, sondern auch anteilnehmend handeln wollen. Das zentrales Potenzial erscheint ihm in grünen Märkten, die neuartiges Wachstum versprechen würden, welche die Grünen in deren dynamischen Phase schnellstmöglich beeinflussen sollten.

Für den so begründeten grünen Wandel benennt er im abschliessenden Teil die Leitlinien, beschreibt er das Leben in der nachhaltigen Gesellschaft, und macht er Vorschläge mit welchen Allianzen, das alles zu bewerkstelligen sei. Vielleicht ist das der umstrittenste Buchteil, sicher aber der praktischste: Denn Girod postuliert, die Grünen dürften sich nicht alleine auf eine grün-soziale Allianz (“Solidarität und Fairness”) bschränkten, sondern müssten auch eine grün-liberale (“Green Economy”) und eine grün-konservative (“Umwelt- und Naturschutz”) suchen. Dabei sind ihm grüne Strömungen in den verschiedensten Parteien als Allianzpartner willkommen.

Der Schluss ist dann ein Appel für Girods grünes Glücksprojekt ohne Berühungsängste: Einspannen will er die zukunftsfähige Wissenschaft, die selbstbewussten Lobbyisten und populäre Sportlerinnen, Musiker und Kulturschaffende. Menschen wie Melanie Winiger, Stress und Co. sollen daran arbeiten, dass jede und jeder seinen Beitrag zum Green Change bewerkstelligen wird – bei den Wahlen 2011 und darüber hinaus.

Das Buch “Green Change” ist ideenreich gemacht, flüssig geschrieben, bisweilen aber salopp in der Herleitung und Begründung der Gedanken. Trotzdem gehört zum Anregendsten, was man gegenwärtig zu neuen grünen Projekten aus Schweizer Sicht lesen kann. Diskussionen hierzu sind erwünscht!

Links/Rechts-Polarisierung, Parteibindungen und Werthaltungen bei Wahlen und Abstimmungen

Zu den wichtigen Veränderungen der Schweizer Politik der Gegenwart zählt ihre parteipolitische Polarisierung. Wer sich klar positioniert und das im Alltag zu kommunizieren weiss, gewinnt Wahlen, und der scharfe Gegensatz prägt auch eine wachsende Zahl von Sachentscheidungen.

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Genau dem ist Thomas Milic , heute Lehrbeauftragter für politische Psychologie an der Uni Zürich, in seiner Dissertation jüngst nachgegangen. Entwickelt hat er seine Fragestellung aus der internationalen Literatur. Ueberprüft hat er sie aufgrund von Schweizer Wahl- und Abstimmungsnachbefragungen.

Die zeitgenössische Veränderung
Lange herrschte in der Politikwissenschaft zur Schweiz die sog. Surrogatsthese vor. Demnach seien Positionierungen der BürgerInnen auf der Links/Rechts-Achse nur ein Ersatz für ihre Parteiidentifikation. Wer mit der SP sympathisiert, ist links; bei Verbindungen mit der CVP, ist man in der Mitte, und wer hinter der SVP steht, versteht sich als Rechte(r). Wer keiner Partei nahesteht, verortet sich mit Vorliebe im Zentrum. Dieser Vorstellung widersprochen haben vor allem WertforscherInnen: Mit der Entwicklung neuer Werte wie Oekologie oder Selbstverwirklichung verschwinde die Bedeutung der Parteibindung für die Selbstdefinition, argumentieren sie bis heute unverändert.

Milic gibt eine differenzierte Antwort: Typisch für die ideologischen Teile der Wählerschaft sind Parteibindung und Wertemuster, die zu einer eindeutigen Position auf der Links/Rechts-Achse führen. Bei den Un- oder Ueberparteilichen findet sich ähnliches, gibt es aber keine feste Parteibindungen. Und bei den Unpolitischen (mit oder ohne Parteibindungen) entsteht kaum eine ausgeprägte und konsistente Verteilung auf der Links/Rechts-Achse.

Die Surrogatsthese, folgert Milic, trifft bei BürgerInnen ohne ausgeprägtes politisches Interesse zu, während die These des Wertedeterminismus bei den Unparteilichen Gültigkeit beanspruchen kann. Miteinander kombiniert erscheinen beide These bei den ideologischen WählerInnen erfüllt.

Die Konsequenzen bei Wahlen und Abstimmungen

Die weltanschauliche Polarisierung zwischen den Parteien spricht die IdeologInnen unter den Wählenden an, die thematische Auseinandersetzung ist für die Ueberparteilichen wichtig, während die Unpolitischen wohl am meisten auf die Aktualität reagieren.

Komplexer sind die Folgen der Links/Rechts-Positionierung bei Abstimmungen. Hier bringt Milic nicht Ideologien, sondern Heuristiken ins Spiel – Entscheidungsroutinen, die mehr als nur einmal angewendet werden. Typisch hierfür sieht die Position zum EU-Beitritt, die in zahlreichen weiteren Themen Antworten gibt. Vertrautheit mit der Fragestellung einerseits, die Konflikthaftigkeit bei Auftauchen entsprechender Probleme sieht er für die Entscheidungen wichtiger an als Parteiparolen. Auf diese greift man vor allem dann zurück, wenn ein Thema unbekannt oder unwichtig ist.

Bei bekannten Themen folgt man nach Milic nicht blind einer Partei, orientiert sich aber an ihnen. Der Forscher vermutet, dass sich die BürgerInnen jenen Argumenten zuwenden, die von ihrer Partei kommen und die ihre eigenen Werthaltungen stützen. Kurz streift er auch die Bedeutung neuer Reizwörter, zu denen man “Privatisierung/Liberalisierung”, “Ueberreglementierung/Bevormundung” und “Verschwendung/Steuerlast” zählen kann. Sie dürften insbesondere für das wenig politische Publikum entscheidend sein.

Würdigungen
Die Links/Rechts-Dimension, eine Folge der Erschütterungen in europäischen Parteiensystem nach der Russischen Revolution, ist nach Milic als überlebensfähig, weil sie politische Komplexität reduziert. Doch ist sie periodischen Transformationen unterworfen, sodass die Inhalte ändern. Diese Veränderungen sind wichtiger als die Dimension selber. Neueinbindungen entstehen über neu auftretende Themen, die man mit Parteien in Verbindung bringt, und für bestimmte (Werte)Konflikte typisch sind.

Mit Grund, fügt er an: Denn links und rechts fehlt in der Schweiz letztlich das Affektive, dass Personen, Parteien und Werten eigen ist, weshalb sie mehr zu politischen Entscheidungfindung beitragen als Worthülsen.

Ich staunte, als ich mich das erste Mal mit den Thesen von Thomas Milic auseinandersetzte. “Ideologie im Stimmverhalten” hielt ich für überzeichnet. Gut fünf Jahre danach habe ich meine Meinung geändert, denn der Zürcher Politikwissenschafter hat so frühzeitig ein Thema aufgegriffen, das sich in der politischen Realität der Schweiz wandelt, âber weder von der Wahl- noch in der Abstimmungsforschung der Schweiz bisher systematisch untersucht worden ist. Mehr davon, vor allem für die Entscheidungsmechanismen der Unpolitischen angesichts der Offensive des Nationalkonservatismus beispielsweise wäre wünschenswert.

“Ja. Nein. Schweiz.”

Knapper geht ein Titel nicht. Vor allem nicht, wenn es sich um eine Doktorarbeit handelt. Doch in diesem Fall macht das Plakative Sinn. Denn die Zürcher Dissertation von Sascha Demarmels handelt von “Schweizer Abstimmungsplakaten im 20. Jahrhundert”. Ihr Thema sind Emotionen in der Massenkommunikation.

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Der Anlass
Das politische Plakat ist ein Kind des 19. Jahrhunderts. Bei Schweizer Volksabstimmungen tauchte es nachweislich während der national(istisch)en Begeisterung im Jahre 1898 erstmals auf. Seine erste Blüte erlebte es mit dem Ersten Weltkrieg und dem Aufbrechen des sozialen Gegensatzes zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft.

Quantitativen Höhepunkte des politischen Plakatierens gibt es viele. In den 20er, 30er, 50er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Und heute. Das “schnelle Denken” (Daniel Kahneman), das gerade die politische Kommunikation der Gegenwart fördert, hat zu einem Revival des Plakates im Abstimmungskämpfen geführt. Konkret: Nie in der Schweizer Politgeschichte gab es so viele Abstimmungsplakate wie seit 2003.

Grund genug, sich wissenschaftich damit zu beschäftigen.

Die Studie
Sascha Demarmels, eine Kolleginnen an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaft, hat es als Erste eine Uebersicht zur politischen Plakatkommunikation gewagt. 2004 hat sie mit ihrer Doktorarbeit begonnen; in diesem Jahr ist sie in Buchform erschienen. Entstanden ist so eine knapp gehaltene Geschichte des politischen Plakates, die ein zentrales Thema verfolgt: die Emotionalisierung politischer Diskurse während Abstimmungskämpfen.

Auf Plakaten vermutet Sascha Demarmels Reizwirkungen auf drei Ebenen:

erstens auf der materiellen Ebene, wobei es um Farben und Schriften auf dem Plakat geht,
zweitens auf der kognitiven Ebene, wobei Ueberraschungen oder Widersprüche Aufmerksamkeit sichern soll, und
drittens auf der emotinalen Ebene, die kulturübergreifend, kulturspezifisch, gruppenspezifisch oder individuell erzeugt werden, um die Meinungen zu beeinflussen.

Letzteres ist am interessantesten, denn hier geht es beispielsweise um Schlüsselreize bei besonders plakatierbaren Themen wie “Kinder”, “Geld”, “Freiheit” und “Gerechtigkeit”. Es zählen aber auch Archetypen der politischen Kommunikation wie “Hintergangene”, “Uebermächtige”, “Gute und Böse” hierzu, die dank radikalen Vereinfachungen in Bild und Text eine klare Zuordnung im politischen Kampf ermöglichen. Die Emotionalisierungsstrategien beziehen sich auf den Raum und die Landschaften, die Mythen und Geschichten, und auf die eigene Gesellschaft. Denn sie schaffen gerade bei Volksabstimmungen Identifikationsmöglichkeiten, um kollektive und individuelle Adressaten wie “Arbeiter”, “Mieter”, aber auch “Schweizer” ansprechen zu können.

Die fast 1000 Plakate, welche Sascha Demarmels für ihre Doktorarbeit untersucht hat, erschliessen den Interessierte die ganze Palette der Plakatkultur in der Schweiz. Materielle Emotionalisierungen finden sich in 80 Prozent der Fälle; sie konstituieren die Kommunikationssorte quasi. Gut belegt sind Emotionalisierungen auf sozialer Ebene (in drei Viertel der Fälle, vor allem mittels Verunsicherung und Angst) resp. mittels Schlüsselreizen (in zwei Drittel der Fälle).

Auch wenn sie nicht einfach zu quantifizieren sind, die Autorin hält die kulturspezifischen Strategien der Emotionalisierung für die wichtigsten, insbesondere, wenn es um Mythen geht – klassischen wie “Tell”, “Gessler” und “Helvetia”, aber auch neue wie “Unabhängigkeit”, “Neutralität” und “Steuerparadies”.

Der Schluss
Drei Paradigmen von Botschaften bestimmen gemäss Studie die übergeordneten Themen, die mittels Plakaten in der Schweiz effektvoll vermittelt werden können: nationale Werte, ihre Kritik und der Zusammenhalt der Schweiz in der komplexen Welt. Das macht das Plakat seit mehr als hundert Jahren mit welchselnden Inhalten für die emotionale Kommunikation besonders attraktiv.

Diesem Hauptergebnis kann man ohne Zweifel zustimmen, selbst wenn man unterwegs Fragezeichen in der Durchführung des empirischen Teils der Arbeit hat. Das Verdienst der linguistisch ausgerichteten Studie ist es, das Plakat erstmals systematisch als Mittel der Emotionalisierung der Bürgerschaft untersucht zu haben.

Denn das ist gerade heute wieder von Belang, weshalb sich auch PolitikwissenschafterInnen ein Stück davon abschneiden und sich dem Thema schnell und gründlich beschäftigen sollten.

Claude Longchamp

“animal spirits” statt “rational choice”.

“Um zu verstehen, wie die moderne Weltwirtschaft in die Sackgasse geraten ist, müssen wir unser Wissen erneuern”, fordert der Nobelpreisträger von 2001 George Akerlof mit seinem Kollegen Bestsellerautor Robert Shiller. Wie andere Grössen ihres Faches, haben sie mit kritischer Distanz zum Geschehen herauszufinden versucht, was angesicht der Weltwirtschaftskrise schief gelaufen ist und ihre Folgerungen in einem nun auch auf Deutsch erschienenen Buch präsentiert.

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Unter den Lösungen Akerlofs und Shillers fällt eine besonders auf: Der kühl-rational handelnden “homo oeconomicus” soll durch ein realistischeres Modell ersetzt werden. Denn die prominenten Autoren sind überzeugt, dass Volkswirtschaften zu Hysterien neigen, die in Exzesse, Manien und Paniken auarten, wenn sie sich selbst überlassen werden. Begründet sehen sie das in der ökonomischen Theorie, die in iher dogmatischen Form die Nutzenfunktionen gesellschaftlicher Normen ganz vernachlässige.

Ursachen der jüngsten Instabilitäten seien die “animal spiritis”, die Urinstinkte, die je nach dem in eine euphorische oder abgelöschte Grundstimmung verfallen können, schreiben die Oekonomen. Der Herdentrieb, der von der Börse ausgehe, verstärke danach den wirtschaftlichen Auf- oder Abschwung, – im Guten wie im Schlechten.

Die Banken hätten aus kurzsichtigem Eigenintresse heraus gehandelt, als sie Kredite für Hauskäufe an zahlungsunfähig mittel- und Unterschichten vergaben. “Es mag zwar sein, dass ein solches Vorgehen nicht illegal ist, doch in unseren Augen kann man die besonders marktschreierischen Geldhäuser durchaus als korrupt bezeichnen”, halten Akerlof und Shiller unmissverständlich fest.

Aus ihrer Sicht ist das Vorgehen dann ökonomisch sinnvoll, wenn klar definierte Eigentumsrechte und transparenten Informationen gegeben sind. Doch genau das sei mit der Entwicklung neuer Finanzinstrumente nicht gegeben gewesen und systematisch negiert worden. Und: “Wenn diese Bedingungen nicht garantiert werden können, entwickeln sich Märkte dysfunktional.”

Das haben in der Schweiz auch die Grossbanken erlebt, bei denen die Abschreibungen 2007 und 2008 drei Viertel des Eigenkapitals vernichteten, schreibt die “NZZ am Sonntag” heute. Der Analyse der beiden hier genannten Oekonomie-Professoren stimmt sie zu. Die Massnahmen, die auf ein weises, vom Staat geprägtes Laissez-faire hinaus laufe, hält sie jedoch für zu vage.

Claude Longchamp

George A. Akerlof, Robert J. Shiller: Animal Spirits. Wie Wirtschaft wirklich funktioniert, Campus Verlag 2009.

Die unvernünftige Vernunft

Die Krise auf den Finanzmärkte zwingt Investoren zu Lernprozessen und die Wirtschaftswissenschaft zur Hinterfragung ihrer Entscheidungstheorien. Das täte beispielsweise auch der Wahlforschung gut, die im Schwang der unkritischen Gedankenlosigkeit mitgegangen ist.

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Daniel Kahneman, Professor für Psychologie an der Princeton Universität, 2002 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet.

“Die weitaus schwächste Aktie der Welt ist jene der Logik AG, denn ihre Gesetze werden von der Börse nie verfolgt”, wetterte einst der Börsenguru André Kostolany. Mehr als der Vernunft folge die Börse der Erwartung, und in die mische sich der Herdentrieb.

Daniel Kahneman, der israelisch-amerikanische Psychologe, der 2002 als Nicht-Fachmann den Wirtschaftsnobelpreis erhielt, hat sich solchen Fragen angenommen und den rational handelnden Akteur, von dem die Oekonomie so gerne ausgeht, durch ein psychologisch determiniertes Subjekt ersetzt.

Ausgangspunkt von Kahnemans Ueberlegungen ist, dass sich die meisten Menschen für gute Autolenker halten, ihr Handeln rationalisieren und sich so überschätzen. Bei Männern kommt das typischerweise mehr vor als bei Frauen.

Das trifft auch auf Investoren zu. Zu deren grossen Fehlern gehört die Ueberreaktion im Moment. Kurzfristiger Aktivismus sei, sagt Dahneman, gerade in Zeiten der Unsicherheit, kein guter Ratgeber. Denn er wird durch Angst und Ueberreaktion bestimmt. Diese wiederum seine nicht unerheblich, weil soziale Ansteckung die Börse reagiere, wie der Herdentrieb in der Wissenschaft genannt wird.

Institutionelle Anleger sind, so die Forschung, von diesen Probleme etwas weniger befallen als private. Das hat mit ihrem gegenüber privaten Anlegern erhöht strategischen Verhalten zu tun, müssen sie doch ihre Entscheidung stärker begründen, und sind sie, wegen der Ausdrücklichkeit und Schriftlichkeit von Entscheidungen, kritisierbarer. Damit wächst die Chance von effektiven Lernprozessen statt nachträglichen Rationalisierungen.

Diese Einsicht in der empirischen Wirtschaftsforschung ist so gut, dass man sie auch in der Wahlforschung anwenden sollte. Denn da hat (dank dem Herdentrieb?) der rational-choice-Ansatz zwischenzeitlich eine zentrale Stellung inne. Unverkennbar sind seine Verdienste bei der Analyse individualistischer Entscheidungen; problematisch ist aber, wenn das tel quel mit vernünftigem Entscheiden gleichgesetzt wird, handelt es sich doch nicht um nicht mehr als wissenschaftliche Rationalisierungen.

Claude Longchamp

Meine Top Ten Buchliste zur politischen Kommunikation bei Wahlen

Et voilà: Einige meiner aktuellen Favoriten zur politischen Kommunikation im Zusammenhang mit Wahlen!

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• Lilleker, Darren: Key Concepts in Political Communication. Verlag: Sage Publications, Beverly Hills 2006, 224 Seiten.
Das Buch ist eine systematische und leicht zugängliche Einführung in 50 Kernkonzepte, Strukturen und die professionelle Praxis der politischen Kommunikation. Systematisch beleuchtet der Autor in einer detaillierten Analyse sowohl praktische als auch theoretische Themengebiete der Materie.

• PR-Kampagnen. Über die Inszenierung von Öffentlichkeit, herausgegen von Röttger, Ulrike, Verlag: VS, Wiesbaden 2008, 380 Seiten.
Ulrike Röttgers Buch gilt als Standardwerk des erfolgreichen Campaignings. Unternehmenskampagnen, Wahlkampagnen, Sozialkampagnen: Namhafte und kompetente Autoren beleuchten alle Formen der öffentlichkeitswirksamen PR. Weiterer Pluspunkt der Untersuchung sind die lesenswerten Fallstudien zu aktuellen Kampagnen.

Lau, Richard R., Redlawsk, David P.: How Voters Decide. Information Processing in Election Campaigns, Verlag: Cambridge University Press, Cambridge 2006.
Die Autoren analysieren die vier primären Entscheidungsstrategien bei der Wahl eines erfolgversprechenden Kandidaten. Mit einer neuartigen Experimentiermethode untersuchen die Forscher individuelle und kampagnenbezogene Faktoren, die den Wähler bei der Wahl einer Entscheidungsstrategie beeinflussen.

• Brader, Ted: Campaigning for Hearts and Minds. Verlag: University of Chicago Press, Chicago 2006, 280 Seiten.

Emotionale Elemente eines Wahlkampfs erzeugen unterschiedliche Effekte in der Bevölkerung. Gerade die mediale Inszenierung der Kandidaten zielt aufs Herz des Wählers. Mit Umfragen und Experimenten nähert sich der Autor dem noch wenig erforschten Phänomen und liefert die erste umfassende wissenschaftliche Studie über den emotionalen Aspekt der Stimmabgabe.

Trent, Judith S., Friedberg, Robert V.: Political Campaign Communication. Principles and Practices, Verlag: Rowman & Littlefield, Lanham 2007, 448 Seiten

Die aktualisierte Ausgabe dieses Klassikers analysiert nicht nur die US-Wahlkämpfe aus den Jahren 1996 bis 2006. Trent und Friedberg berücksichtigen zusätzlich das Anfangsstadium des Wahlkampfs 2008. Ein neues Kapitel beschäftigt sich mit dem Internet, das gerade im amerikanischen Wahlkampf eine zentrale Rolle spielt.

• Podschuweit, Nicole: Wirkung von Wahlwerbung. Verlag: Reinhard Fischer, München 2007, 182 Seiten.

Wahlwerbung wirkt – wie genau, ist bis jetzt jedoch kaum erforscht. Anhand von Werbetrackingdaten analysiert die Autorin, wie die Bevölkerung im Bundestagswahlkampf 2002 Parteienwerbung wahrgenommen hat. Sie untersucht, wie Wahlwerbung sich in die Erinnerung einprägt, die Aufmerksamkeit erregt, die Entscheidung beeinflusst und verarbeitet wird.

Green, Donald P., Gerber, Alan S.: Get out the Vote! How to Increase Voter Turnout!, Verlag: Brookings Institution Press, Washington DC 2008.

Der Klassiker der Schlussmobilisierung: Wissenschaftliche Methoden und praxisorientierte Darstellung geben einen detaillierten Überblick der gängigen Methoden von Tür-zu-Tür-Wahlkampf bis Telefonaktionen – und bewerten klar den Wirkungsgrad der Techniken.

Pumarlo, Jim: Votes and Quotes. A Guide to Outstanding Election Campaign Coverage. Verlag: Marion Street Press, Chicago 2007, 160 Seiten.
Gute Wahlkampfberichterstattung will vor, während und nach der Kampagne koordiniert sein. Jim Pumarlo zeigt auf, in welcher Weise die Medien für Wahlkampfzwecke nutzbar gemacht werden können. Außerdem beschreibt er, wie die Meinung des Lesers durch die Wahlberichterstattung beeinflusst wird und sich dann im Wahlverhalten niederschlägt.

Perlmutter, David D.: Blogwars. The New Political Background. Verlag: Oxford University Press, Oxford 2008, 272 Seiten.

Perlmutter untersucht die rasant wachsende Rolle des Internets am Beispiel populärer Blogs und zeigt, warum vom Präsidenten bis zum Berater immer mehr Politiker auf das neue Kommunikationsmedium zurückgreifen. „Blogwars“ ist die erste vollständige Untersuchung über die neue kontroverse Kraft der Blogs in der Politiklandschaft.

• Balsiger, Mark, Roth, Hubert: Wahlkampf in der Schweiz. Ein Handbuch für Kandidierende, Bern 2007

«Wahlkampf in der Schweiz» ist eine Analyse, die auf einer Befragung von mehr als 1400 Kandidierenden basiert. Sie leitet daraus praktische Tipps ab, für Fragen wie: Welche Strategien sind im Wahlkampf erfolgreich? Was ist bei einer Kampagne zu beachten? Lohnt sich ein eigener Internet-Auftritt?