Meine drei Bilder zu den Parlamentswahlen im Herbst

Jenseits von Zahlen über Parteistärken in Kanton, Umfragen und Wahlbörsen: Ich sehe drei Perspektiven, wie die Parlamentswahlen im Herbst ausgehen könnten.

Tagesschau vom 10.04.2011

Lange war es einfach, das Grundmuster Schweizer Parlamentswahlen vorherzusehen. Es dominierte die Polarisierung zwischen rechten und linken Parteien. 2007 stimmte das so nicht ganz: Es legten nur noch SVP und GP zu, während die SP verlor. Dafür gewan die CVP ein wenig, und mit der glp etablierte sich gar eine neue Partei in ihrem Umfeld.

Perspektive 1: Umgruppierung der Mitte

Das ist nach den Zürcher Wahlen die naheliegendste Perspektive: Die Polarisierung ist gestoppt; die Veränderungen finden im Zentrum statt. Rechte und linke Parteie wachsen nicht mehr, dafür haben neue Kräfte im Zentrum die grösste Chancen. Sie nehmen den traditionellen Parteien enttäuschte WählerInnen weg. Zu relevanten Effekten der Neumobilisierung kommt es nicht. Polarisierende Themen gibt es kaum, herausragende Kommunikatoren, die den Wahlkampf aufmischen würden, ebenfalls nicht. Es dominiert das Klein-Klein der Revialitäten an den Parteigrenzen. Die Medien verhalten sich insgesamt neutral; sie verstehen sich als Plattform für alle, vor allem für eingemittete Kräfte.

Perspektive 2: Verstärkung der Pole
Nationale Wahlen zeichnen sich, anders als kantonale durch Polarisierungen entlang von Streifragen ab. Sie lancieren den Wahlkampf, zwingen zu Stellungnahmen, die personalisiert kommuniziert werden. Medial kommt an, wer sich am klarsten positioniert und eine Alternative zum politischen Gegner formuliert. Stilmässig dominiert die Abgrenzung; es kommt zu verbreitetem negative campaigning. Das erschwert der Mitte das Leben, deren Parteien am äusseren Rand Wählende verlieren. Zudem nehmen in beschränktem Masse Neuwählende teil, welche ebenfalls die Pole verstärken. Diese müssen aber bei jeder Aktion damit rechnen, nicht nur sich zu mobilisieren, sondern auch die Gegenseite, sodass am Ende rechte und linke Parteien gewinnen, das Zentrum verliert.

Perspektive 3: Sieg der SVP

Das ist die einfachste Perspektive. Es gewinnt nur eine Partei, während sich die anderen halten oder verlieren. Hautpgrund: Nicht das Wechselwählen entscheidet, sondern die Mobilisierung ist massgeblich. Und auf die kann nur eine Partei relevant setzen; die SV. Denn nur sie hat sich jahrelang in der Mobilisierung geübt. Ihr geht es dabei gar nicht mehr um einen bestimmten politischen Gegner, sondern um die anderen, die das verhasste System repräsentieren. Vor Augen hat die Partei bisherige Nichtwählende auf der rechten Seite des Spektrums, Misstrauische, die eine Abkehr von der Konkordanz, eine Regierung unter Führung der SVP wollen. Die Partei setzt ganz auf eine erhöhte Beteiligung, die ihr nützt, wenn sie in ihrem Potenzial mehr wächst als in allen anderen. Die SVP setzt deshalb voll und ganz auf Identifikation mit Personen wie Christoph Blocher, und macht aus Ueli Maurer einen Bundesrat im Märtyrium.

Eine Prognose ist das nicht; jedoch zeichnen sich drei Szenarien ab, deren Eintretenswahrscheinlichkeit nun von Woche zu Woche analysiert werden kann. Die Implikationen auf die Parteistärken sind ja mitkommuniziert.

Claude Longchamp

Warum Wahlbefragungen Sinn machen!

Sicher, es gibt Einfacheres als an der Schwelle zum Wahlkampf 2011 Wahlumfragen zu empfehlen. Ich mache es an den heutigen 3. Aarauer Demokratietagen gerade deshalb. Mit der Absicht, den Blick für Stärken und Schwächen von Tools in Wahlkämpfen zu schärfen.

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Wahlbefragung zeichnen ein Bild der politischen Schweiz – und sind damit mehr als Prognosen.

Die 10 letzten Anfrage, die ich in Sachen Wahlen 2011 von Medienschaffenden, PR-Agenturen und politischen Parteien erhalten habe, lauten zusammengefasst:

. Wie wählt der Mittelstand?
. Wann entscheiden sich die Wählenden verbindlich?
. Hat die BDP ihre WählerInnen eher von der SVP oder von FDP/CVP?
. Beteiligen sich Frauen immer noch weniger an Wahlen als Männer?
. Wie gross ist die Internetnutzung in politischen Kampagnen?
. Welche Themen kommen bei der Bürgerschaft an, welche nicht?
. Stimmen und Wählen AuslandschweizerInnen anders als InlandschweizerInnen?
. Wer wählt nicht?
. Ist Bäumle für die WählerInnen sympathisch?
. Haben Promi mehr oder weniger Wahlchancen?

Was hat sich in den letzten 20 Jahren bei Schweizer Wahlen geändert?

Zwei konnte ich nicht beamnworten: Ob es einen Unterschied zwischen Wählenden im In- und Ausland gibt, kann man nicht beantworten, weil man aus Datenschutzgründen keinen Zugang zu den Adressen der politisch eingeschriebenen AuslandschweizerInnen bekommt, und ob Bäumle im Wahlvolk ankommt oder nicht, weil wir das noch nie überprüft haben. Ob Promis mehr oder weniger Wahlchancen haben als Normalo, kann man in Umrissen auch mit anderen als Umfragedaten beantworten. Der Rest ist typisch demoskopischer Alltag.

Die Nachfrage nach teilnahme- und parteirelevanten Informationen aus BürgerInnen-Sicht an unserem kommt daher, dass die politische Statistik in der Schweiz in Vielem unterentwickelt ist. Manchmal ist es ein einfaches Interesse, das zu Anfragen beim gfs führt. Bisweilen sind es SchülerInnen und StudentInnen, die sich ein realistisches Bild der Schweizer Wählerin, des Schweizer Wählers verschaffen müssen. Oder es besteht ein professioneller Bedarf, möglichst präzisere Entscheidungsgrundlagen: Wer Kampagnen führt, will wissen, was das Potenzial seiner Aktion ist, welche Gruppen man auf der sicheren Seite hat, und wo noch verbreitete Unsicherheit besteht.

Erfahrungsgemäss gibt es drei Möglichkeiten, zu relevanten Antworten zu kommen:

. Man unterhält sich mit seinen peers, Arbeitskollegen oder im Familienkreis, und man macht sich so ein Bild, was im nahen Umfeld Sache ist.Vorteil: hohe Authentizität; Nachteil: die Antworten hängen von der eigenen gesellschaftlichen Stellung ab.
. Man liesst Zeitungen aufmerksam, um mehr über seine Umwelt zu erfahren: Vorteil: Erweiterung des Gesichtsfeldes; Nachteil: immer mehr Trendiges, immer weniger Gesichertes.
. Man macht es so wie in der Sozialforschung, greif auf Studienmaterial zurück: Vorteil: geprüfte Information; Nachteil: aktualisiert nicht immer verfügbar.

Mein Bild der Politik mache ich mir immer als Mix aus den drei Informationsquellen: Was ich den Massenmedien entnehme, nährt meine Fragen. Was ich in Studien finde, revidiert vorläufige Antowroten oder sichert sie. Was ich von letzterem in meinem Alltag wieder finde, ist für mich veranschaulicht.

Genau das zu tun empfehle ich allen, die Wahlbefragungen für sich nutzen wollen. Sie sind ein Teil der Virtualität von heute, lassen aber Bezüge zur Realität herstellen. Man nimmt sie über Medien zur Kenntnis, widersprechen lieb gewordenen Medieninterpretation jedoch häufig.

Was mich immer wieder wundert, wenn Medienschaffende uns kontaktieren und wenn wir ihre Berichte lesen: Die Neugier nach Ergebnissen in Recherchegesprächen ist häufig breit. Die Publikationen focussieren dann meist eine Frage: Sind die Prognosen richtig oder falsch? Den Rest verwendet man am liebsten ohne Quellenangaben in den eigenen Berichten.

Dies Verengung beeinflusst sogar die Fragestellungen, die man für Referate an wissenschaftlichen Tagung gestellt bekommt. So auch für meinen Beitrag in Aarau. Ich will mich dem weder entziehen, noch dabei stehen bleiben. Deshalb werde ich zu Prognosen von Wahlen reden, aber auch zum Nutzen von Umfragen in der Mediengesellschaft.

Hier die Referatsunterlagen.

Claude Longchamp

Weshalb man immer weniger aus kantonalen Wahlresultaten herauslesen sollte.

Die Zeitungen sind voll von Uebersichten zu den kantonalen Wahlen, um etwas über den Ausgang der nationalen Parlamentsneubestellung zu erfahren. Doch kann man aus diesem Vergleich immer weniger Zuverlässiges erfahren – wenn man beispielsweise von den Trends bei der Wahlbeteiligung abstrahiert.

Nehmen wir die SVP: Bis 1991 war sie national und kantonal etwa gleich stark. Die Differenz lag bei maximal 2 Prozentpunkten. Da machten Vergleiche Sinn. Seither öffnet sich eine Schere. Zwischen 1995 und 1999 legte die Partei national massiv zu, ohne dass es kantonal ein Pendant dazu gab. Seither beträgt der Unterschied in der Parteistärke rund 8 Prozentpunkt und ist das Verhältnis zwischen Kantons- und Bundesergebnissen instabil geworden. Da ist grösste Vorsicht angesagt.

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Vergleichbares findet sich bei der Grünen Partei. Bis 1999 war man national und kantonal ähnlich stark. 1 Prozent betrug der Unterschied damals. Dann beschleunigte sich der nationale Aufstieg. Zwischenzeitlich ist man gesamtschweizerisch rund 3 Prozent stärker als in den Kantonen. Trend hier: ungebrochen auseinander laufend. Deshalb auch ein Warnruf.

Die Unterschiede an den Polen haben in erster Linie mit Unterschieden in der Beteiligung zu tun. An den meisten kantonalen Wahlen nimmt rund ein Drittel teil; Trend negativ oder stabil. Bei nationalen Wahl zeigt sich das Umgekehrte: Trend nach 1999 zunehmend, zwischenzeitliches Niveau bei rund der Hälfte. Wenn die beiden Gruppen parteipolitisch identisch sind, ist das ein Mega-Zufall!

Ausgelöst wurde die Veränderungen in nationaler Parteikampagnen. Sie sind in den letzten 12 Jahren lauter und markiger geworden. Sie haben einen Gegner, gegen den man polemisiert. Das hat die nationale Politik mächtig polarisiert. Die Gegensätze entstehen über Sachfragen. Vermittelt werden sie über medial hochpräsente Kommunikatoren, die das Agenda setting betreiben und ihre Parteien wie Marken positionieren.

Was davon zeigte sich bei den jüngsten Zürcher Wahlen? – Gab es ein überhaupt ein von Parteien lanciertes Streitthema? Hat man überragende Kommentatoren bei der SVP und den Grünen gesehen? Pflegte überhaupt jemand die Parteien als Erkennungsmarke? Ich jedenfalls habe nichts davon bemerkt, denn medial dreht sich alles um die Regierungsratswahlen, die einzig der Reaktorunfall in Japan etwas störte. Trotzdem bin ich überzeugt, dass wir das mit Blick auf die nationalen Wahlen in Kürze wieder finden werden.

Der Nationalisierung parteipolitischer Kommunikation hat die CVP am wenigstens etwas entgegen zu setzen. Unverändert ist sie in den Kantonen stärker als im Bund. Sieben Prozent Unterschied galten lange als Faustregel. Nur hilft der Verweis auf die Lage in den Kantonen nichts, um die Lage in der Nation zu verstehen. Einzig nach dem Verlust des 2. Bundesratssitzes ging, abweichend vom allgemeinen Gang der Dinge, ein Ruck durch die Partei. Doris Leuthard richtete sie wieder auf. Vom Leuthard-Effekt im Jahre 2007 ist kaum mehr etwas übrig geblieben.

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Bei der FDP gilt ähnliches. Kantonal steht man besser da als national. Doch weisen beide Trends seit den 80er Jahren nach unten. Eine Wende ist nicht in Sicht, stabilisiert hat sich die FDP im interkantonalen Vergleich über die Fusion mit den Liberalen. Das liess die FDP in der Romandie erstarken. Der Tatbeweis auf nationaler Ebene steht noch aus. Die Positionierung der Partei rechts der Mitte lässt angesichts der erwachten Oeko-Diskussion in eben dieser Mitte wenig Gutes erwarten.

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Am speziellsten sind die Verhältnisse bei der SP. Zwischen 1995 und 2003 erneuerte sie sich elektoral erheblich. Die Lokomotive sass in Brig und bewegte die nationalen Parteigremien Tag für Tag; in den vereinigten Kantonen blieben die Veränderungen stets geringer. Da kam es 2006/7 zum eigentlichen Einbruch in Bern und Zürich. Gesamtschweizerisch fand er 2007 bei den Nationalratswahlen statt. Kantonal konnte die SP den Rückgang 2010 stoppen. National schwankt sie zwischen linker Programmtik und Pragmatik in der Regierung, weshalb der Wahlausgang im Herbst offen ist.

Oder anders gesagt: Nationale Wahlergebnisse sind volatiler geworden als die kantonalen. Die Unterschiede in den Parteistärken sind in erster Linie ein Folge der Mobilisierungsfähigkeit von Wahlen und Parteien. Da haben die Polparteien Vorteile. Bei kantonalen Wahlen ist das weniger wichtig. Da entscheiden in erster Linie unzufriedene ParteiwählerInnen im Zentrum, ob ihre bisherige politische Bezugsgruppe gewinnt oder verliert.

Wer mit dem Rechenschieber Prozentzahlen extrapoliert, könnte im Wahlherbst eine Ueberraschung erleben! 1 Prozent mehr Wahlbeteiligung als bei kantonalen Wahlen öffnet den Raum für maximal 3 Prozentpunkte Veschiebungen der Ebene der Parteistärken! Und die Wahlbeteiligung wird am 23. Oktober viel höher sein als bei den kantonalen Wahlen.

Claude Longchamp

Schweizer Parlamentswahlen 2011 auf wikipedia

Der Basisartikel zu den Schweizer Parlamentswahlen 2011 auf wikipedia ist geschrieben. Jetzt muss er noch regelmässig weiterentwickelt werden. Wer beteiligt sich?

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Ich habe in den letzten Wochen, wie angekündigt, einige Zeit damit verbracht, das Geschehen im Zusammenhang mit den Wahlen 2011 in der Uebersicht zu sichten und systematisieren. Die Arbeit ist es wert gewesen, denn bis jetzt mangelt es an Uebersichten zu den Wahlen 2011 in der Schweiz. wikipedia bietet hierfür eine ideale Plattform, die weltweit für solche Zwecke genutzt wird, und auch bei den letzten Parlamentswahlen in der Schweiz nützliche Dienste geleistet hat.

Beschäftigt habe ich mich mit dem Wahlmodus, den Neuerung beim e-voting, der Ausgangslage, den Trends in Umfragen, den Ergebnissen der kantonalen Wahlen, den Rücktritten im National- und Ständerat sowie mit den Wahlzielen der hauptsächlichen Parteien. Damit wurde die Basis gelegt, um den anziehenden Wahlkampf zu beobachten:

Wie entsteht das Meinungsklima …,
was sind die zentralen Streitthemen …,
wir wirkt als übergeordneter Kommunikator …,
wen schicken die Parteien ins Rennen …,
wie wird geworben und mobilisiert …,

sind Themen, die zu behandel sind, um zur finalen Frage zu gelangen: Was werden die Ergebnisse der Parlamentswahlen 2011 sein?

Was bis jetzt dabei heraus gekommen ist, auf Fakten und deren Vernetzung reduziert, kann man auf wikipedia nachschlagen. Die deutsche Fassung ist schon ziemlich gediehen, jedenfalls weiter als die französische und englische.

Wenn es weitere unabhängige WahlbeobachterInnen gibt, die sich an der Arbeit beteiligen wollen, sind sie herzlich willkommen. Die ersten Diskussion haben bereits eingesetzt.

Claude Longchamp

Mindestens 9 Rücktritte machen die Ständeratswahlen interessant

Neun bisherige StänderätInnen treten im Herbst nicht für einen Wiederwahl in die Kleine Kammer an. Das macht die Ständeratswahlen schon mal interessant – teilweise auch über die jeweilige Kantonsgrenze hinaus.

Tagesschau vom 27.02.2011

Momentan konzentriert sich alles auf die Ersatzwahl für die Bernerin Simonetta Sommaruga, letzten Herbst in den Bundesrat gewählt. Adrian Amstutz, Vizepräsident der SVP, und Ursula Wyss, Fraktionschefin von der SP, treffen im 2. Wahlgang aufeinander.

Neun Demissionen auf Ende Legislatur versprechen Spannung bei den Ständeratswahlen im Herbst. Doppelrücktritte gibt es in Graubünden und Thurgau. In den Kantonen Uri, Schaffhausen, Luzern, Aargau und Solothurn kommt es zu Einervakanzen. Weitere Demissionen sind nicht ausgeschlossen.

Gefordert sind gegenwärtig die CVP, FDP und SVP. Sie verzeichnen je drei Demissionen. Bei der SVP erfolgt jene im Kanton Aargau nicht ganz freiwillig, denn Maximilian Reimann wäre gerne geblieben, doch seine Partei entschied anders.

Kein Risiko dieser Art will die CVP im Kanton Schwyz eingehen, wo der Bisherige Bruno Frick privater Turbulenzen zum Trotz wieder nominiert wurde.

In verschiedenen Kantonen zeichnen sich Wahlen mit mehreren nationalen Schwergewichten ab. Das gilt beispielswesie für St. Gallen, wo Eugen David von der CVP wieder antritt, indessen mit der Demission von Erika Forster-Vanini in den Reihen der FDP gerechnet wird. Als möglicher Ersatz gehandelt wird Fast-Bundesrätin Karin Keller-Sutter von FDP. Seine Kandidatur angemeldet hat auch Paul Rechsteiner, SGB-Präsident und SP-Nationalrat. Es wird damit gerechnet, dass die SVP hier einen Stzgewinn anstrebt, allenfalls mit Parteipräsident Toni Brunner.

Auch im Kanton Aargau kommt es zu einem Kräftemessen auf höchstem Niveau. Christine Egerszegi-Obrist von der FDP will es noch einmal wissen, während 4 PolitikerInnen die Nachfolge von Reimann antreten möchten: Nationalrat Ulrich Giezendanner von der SVP, Pascale Bruderer, alt-Nationalratspräsidentin von der SP, Geri Müller, Nationalrat der Grünen, und Kurt Schmid, Präsident des kantonalen Gewerbeverbandes, Kandidat der CVP.

Zu einer Kampfwahl kommt es möglicherweise auch in Schaffhausen. Thomas Minder, Initiant des Volksbegehrens gegen Abzockerei im Management, hat sein Interesse angemeldet, als Parteiloser Nachfolger des abtretenden FDP-Ständerates zu werden.

In Graubünden könnte es zu einer parteipolitischen Verschiebung kommen. Gefährdet ist nach der Parteispaltung namentlich der freiwerdene SVP-Sitz. Christoffel Brändli, der Zurücktretende, empfiehlt die Kandidaturen aus CVP und FDP zur Wahl.

Das Interesse an den Ständeratswahlen 2011 hat verschiedene Ursachen: So war die Mobilisierung via Persönlichkeiten in jüngster Zeit ein Erfolgsgarant für Parteien. Ständeratsbewerbungen bieten sich mit der Medienaufmerksamkeit und der Personenidentifikation gerade zu an.

Vorbei scheint, dass man als bestandenes Mitglied einer kantonalen Exekutive in der zweiten Karriere-Hälfte als Ständerat nach Bern darf. Gefragt sind bekannte und profilierte PolitikerInnen, die ihre Kandidatur als Teil einer nationalen Wahlkampfstrategie ihrer Parteien sehen.

Claude Longchamp

Politbarometer gleicht sich Wahlbarometer an

Mit dem heutigen Politbarometer der Sonntagszeitung werden die Stärken der Parteien demoskopisch neu bestimmt. Auffälligstes Ergebnis: Die Resultate sind fast identisch mit denen im herbstlichen Wahlbarometer der SRG. Neue Parteien haben Chancen zu gewinnen, während SVP und Grüne wenigstens gegenwärtig nicht mehr so mobilisiert sind wie 2007.

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Entwicklung der Parteienstärke gemäss Umfragen der SOZ 2007-2010

Das letzte Wahlbarometer von SRG/gfs.bern fand unmittelbar nach den Bundesratswahlen statt; das Politbarometer berücksichtigt zudem die Auswirkungen der Volksabstimmungen vom 28. November 2010. Darin liegen – politisch gesprochen – Welten. Denn im ersten Moment waren FDP und SP in Fahrt; jetzt ist es die SVP.

Dennoch sind die Unterschiede in den Parteistärken der beiden Befragungen gering – besser gesagt gering geworden. Bei der SP beträgt die Differenz zwischen beiden Messungen 1 Prozentpunkt, bei der BDP 0.9 Zähler. Je 0.6 Prozentpunkte sind es bei den Grünen und den Grünliberalen. Halb so viel resultiert bei der CVP, und bei FDP und SVP weichen die Resultate gerade um 0,1 Einheiten ab.

Die Uebereinstimmung war in den letzten 2 Jahren nicht immer so. Noch im September 2009 sah die Sonntagszeitung SVP und SP fast gleich auf. Der SVP wurden massive Verluste nachgesagt, der SP einige Gewinne. Nun hat sich das im neuesten Politbarometer ins Gegenteil verkehrt.

Das hat vor allem mit dem Score der SVP bei Isopublic zu tun, die von einer Umfrage zur anderen 3,3 Prozentpunkte zulegte. Aber auch die SP wird neu eingeschätzt, hat sie doch 1,9 Prozentpunkte weniger als noch vor drei Monaten.

Die Analyse für diese Sprünge bleibt allerdings weitgehend aus. Bei der SVP wird man den Abstimmungssieg in Sachen Ausschaffung vorbringen können. Bei der SP kann man an das Parteiprogramm erinnern. Fakten, ob das stimmt, gibt es leider nicht. Denn die Parteienprofile in Gesellschaftsgruppen werden nicht analysiert. Anders als das Wahlbarometer verzichtet das Politbarometer auch auf eine Wählerstromanalyse, genauso wie man in der Sonntagszeitung nichts über die Höhe der Teilnahmeabsichten am unterstellten Wahlgang erfährt.

Damit bleibt die Frage offen, ob man hier von Trends über Messinstrumente hinweg sprechen kann.

Formulieren wir es deshalb positiv: Die schweizerischen Wahlumfragen sehen (knapp ein Jahr vor den Wahlen) BDP und GLP als aussichtsreiche Wahlsiegerinnen. SP, FDP und CVP sind weitgehend stabil, während Grüne und SVP nicht mehr von der Mobilisierung wie 2007 profitieren können.

Was nicht ist, kann noch werden. Denn die einzig brauchbare Prognose ist die, die nicht eintrifft, weil man noch rechtzeitig gehandelt hat!

Claude Longchamp

Wahljahr 2011: Wie es die NZZ am Sonntag sieht

2011 ist das grosse Wahljahr in der Schweiz. Was bringt es uns? – Eine kommentierte Uebersicht nach der morgendlichen Lektüre der liberal-konservativen NZZ am Sonntag.

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Der neue Bundesrat: garantiert ein Thema im Wahljahr

Mehrere Artikel der heutigen NZZamSO-Ausgabe beschäftigen sich mit dem Wahljahr – und legen unterschiedliche Schlüsse nahe. Der Reihe nach!

Stefan Bühler und Markus Häfliger blicken sachlich auf den 23. Oktober 2011 und identifizieren acht Brennpunkte:

. Initiativen-Flut: Wie noch nie werden Unterschriften für Volksinitiative gesammelt. Alle grossen Parteien bis zur EVP nutzen die Möglichkeit als Wahlkampf-Vehikel. Das Volksrecht werde so zum Marketing-Instrument.
. Testwahl im Frühling: Kantonale Wahlen gibt es in Baselland, Zürich, Luzern und Tessin, wo die Kantonsparlamente noch vor den nationalen Legislativwahlen neu bestimmt und relevante WählerInnen-Trend benenne werden.
. BDP als Unbekannte: Die BDP muss erstmals zu einer nationalen Wahl antreten. Zuerst geht es darum, ob sich die Partei national etablieren kann, dann ob sie in der Bundesregierung bleibt.
. Atomisierung der Mitte: Die Mitte formiert sich neu – neben der BDP buhlt auch die GLP um ihre Stimmen. Tradtionellerweise sehen sich CVP und EVP dort, während sich die FDP wieder vermehrt abgrenzt. Die Allianz der Mitte entwickelt zwar Einfluss auf den Bundesrat, aber kaum auf Wahlen.
. Neue Konkurrenz für SVP: Rechts der SVP entwickelt ausgehend vom Genf MCG eine neue xenophobe Partei, In den welschen Kantonen macht sie der meist noch jungen SVP Konkurrenz.
. Abwehrschlacht der CVP: Die SVP will vor allem im Ständerat angreifen, um die Vorherrschaft der CVP zu brechen. Entsprechend ist mit Polarisierungen bei Ständeratswahlen zu rechnen, wo die SVP erstarkt, in der kleinen Kammer aber nicht vertreten ist.
. Wahlkampf-Joker der SP: Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey könnte in der September-Session des eidgenössischen Räte zurücktreten, um dem Wahlkampf der Partei Schwung zu verleihen.
. Die Konkordanzfrage: Bei den Bundesratswahlen am 14. Dezember stelle sich die Konkordanzfrage, wofür es drei Szenarien gäbe: den Ersatz der BDP durch die SVP, Opposition der SVP aus Verärgerung über die Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf und der geordnete Uebergang zu einer gewollten Mitte/Links- oder Mitte/Rechts-Regierung.

Diskret bleiben die beiden Autoren gegenüber der FDP, deren zwei Sitze im Bundesrat gefährdet sind, sollte sie bei den Parlamentswahlen erneut verlieren und hinter die CVP zurückfallen. Schwierig wird es für die FDP, wenn die Schweizer Wirtschaft schwächelt und die Bilateralen in eine Sackgasse führen. Dann dürfte die grosse europapolitische Debatte mitten im Wahljahr einsetzen und zwischen SVP und SP polarisieren und die FDP in die Arme der SVP treiben.

Desweitern äussert sich Chefredaktor Felix Müller zum Generalthema: Wenn Probleme fehlen, erfinden Parteien solche, ist seine These. Denn das Land habe die Finanzkrise so gut gemeistert und sei von der Schuldenkrisso schwach betroffen, sodass der Erfolg bei der Aufwertung des Frankens als Fluchtwährung resp. bei der Belastung der Infrastruktur durch Einwanderung zu schaffen machten. Die Oppositionsparteien in der Regierung seien hierzu aktiv, aber untauglich: Die SP habe sich ein surreales Parteiprogramm zur Ueberwindung des Kapitalismus verpasst, während die SVP die Schweiz im Ausland lobe, im Inland aber zu immerwährenden Tiraden aushole. Beides bringe das Land nicht weiter, weshalb man aus Mücken Elefanten mache – ganz nach dem amerikanischen Motto: Im Wahlkampf nützt, was die WählerInnen emotionalisiert!

Irgendwie wird man den Eindruck nicht los, da wasche einer die Schweiz weisser als sie ist. Ueberhaupt fällt auf, dass sich niemand mit der offensichtlichsten Eigenheit des Wahljahres beschäftigt: Gerade eine Volksabstimmung werden wir haben – ansonsten wird das Feld der Themenfindung vor dem Wahltag ganz den Parteien und Medien überlassen.

Claude Longchamp

Vom teuersten Wahlkampf aller Zeiten

“Den teuersten Wahlkampf aller Zeiten” kündigen die Tageszeitungen von heute an. Die grosse Buchstaben können aber nicht darüber hinweg täuschen, dass man sehr wenig über Geld in Wahlkämpfen weiss. Eine Auslegenordnung.

Tagesschau vom 27.12.2010
Quelle: Tagesschau

3 Millionen Franken will die CVP für die Wahlen 2011 ausgeben, 2,6 Millionen sind es bei der FDP. Damit will man auf die SVP reagieren, won der man sagt, sie haben 2007 15-16 Millionen in ihren Superwahlkampf investiert. Eigenangaben der SVP erhält man nicht, genauso wenig wie von der SP. Informell hört man Zahlen rund um 1,5 Millionen. Das spricht dafür, dass 2011 mehr ausgegeben wird als noch 2007, gemeinhin dem bisher teuersten Wahlkampf aller Zeiten.

Auch wenn die Aussagen einige Evidenz für sich beanspruchen darf, kann man nicht darüber hinweg sehen, dass es kaum etwas Zuverlässiges über die Wahlkampffinanzen in der Schweiz gibt. Das hat damit zu tun, dass es keine generelle Pflicht zur Oeffentlichkeit zu Parteifinanzen gibt, und dies gerade in Zeiten geldintensiverer Wahlkampagnen von besonderem Nachteil ist.

Die Erfahrungen mit dem Thema lassen mich aus fünf Gründen vorsichtig sein mit den erwähnten Zahlen:

Erstens weichen Fremd- und Selbstangaben fast immer voneinander ab; diese sind chronisch tiefer, jene höher, wobei auch Absicht dahinter steckt: Geld bei Wahlen ist ein Thema der “anderen”.
Zweitens kommt es erheblich darauf an, ob man spezifsichen Kampagnenbudgets kommunziert, oder aber auch die versteckten Aufwendung in den ordentlichen Budgets miteinbezieht, denn Parteisekretariate arbeiten in Wahljahren überwiegend für den Jahreshöhepunkt im Oktober.
Drittens wird nicht sauber zwischen nationalen und kantonalen Budgets unterschieden; diese sind vor allem bei föderalistisch strukturierten Parteien regelmässig höher.
Viertens gibt es unterschiedlichen Praxen, wenn es um das Geld der KandidatInnen geht; deren Einsatz reicht von sehr wenig bis ausgeprochen viel, namentlich wenn es sich um aussichtsreiche Aufbaukandidaturen handelt.
Fünftens und vielleicht am wichtigsten ist die Fragen nach der Herkunft der Gelder, nicht zuletzt weil Grossspenden viel eher mit Erwartungen verknüpft sein dürften als Kleinspenden.

Die Schweizer Medien haben das Thema Wahlkampffinanzen entdeckt. Sie folgen damit dem Trend in den USA. Die Präsidentschaftswahlen 2008 wurden einhellig als die teuersten bewertet; auch die mid-terms dieses Jahre bekamen dieses Attribut. Nicht selten wir die Problematik aber einseitig vorgeführt: Wer mehr investiert, gewinnt. Oder legt mindestens mehr zu. Das hat zwar bezogen auf die SVP so etwas wie eine primäre Evidenz, denn gleichzeitig legt sie seit 1995 regelmässig zu und hat sie ihren Wahlkampf amerikanisiert. Doch schon bei der FDP gehen die Tendenzen auseinander. Mindestens im Inseratebereich lag die Partei an zweiter Stelle, und dennoch verlor sie die Wahlen exemplarisch.

Wichtiger wäre es, mehr über den Zusammenhang zwischen Medienpositionierungen und Inseratevolumen zu erfahren. Denn das gehört, genauso wie die Wahlkampfausgaben der Parteien, zu den tabuisierten Themen der Medien. Zwar ist es sicher nicht so, dass hier die Nachfrage alleine das Angabot bestimmt, die Parteifinanzen die Medienpositionen bestimmen. Doch sind gerade in Zeiten, in denen Medien an allen Ecken und Ende sparen müssen, vergrösserte Kampagnenbudgets in erster Linie für die Medien relevant. Bekannt ist, dass kleine Zeitungen dringend darauf angewiesen sind, und der Verdacht liegt nahe, dass die Kommentierung von Parteien resp. die Brücksichtigung von KandidatInnen davon nicht unbeeinflusst ist.

Bisher zu wenig beigetragen zur Versachlichung der Diskussion hat die hiesige Politikwissenschaft. Zwar diskutiert sie seit den 80er Jahren Zusammenhänge zwischen Geld, Macht und Politik theoretisch, ohne dass seither gültige Instrumente zu ihrer empirischen Bestimmung entstanden wären. Das ist ein offensichtliches Manko, der sich auf der Intransparenz ableitet, diese aber nicht wirklich verringert. Immerhin, professionelle Wahlkampfmanager wie der frühere CVP-Generalsekretär Hilmar Gernet kündigen an, im Wahljahr sein Wissen, das in einer Dissertation zusammengetragen hat, auf den Tisch legen zu wollen. Das ist lobenswert, denn es ist der unerlässiche erste Schritt zur Regulierung des sensiblen Themas in der Wahldemokratie.

Claude Longchamp

Rück- und Ausblick auf aktuelle Wahlen in der Schweiz

Was nur bringt uns das Wahljahr 2011?

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In der Regel beschäftige ich mich mit Themen bevor sie medienaktuell werden. So auch bei Wahlen. 2010 war deshalb ein Jahr der Vorbereitung auf die Schweizer Wahlen 2011. National- und Ständerat, aber auch der Bundesrat werden gesamterneuert, wobei das Klima, indem die Wahlen stattfinden werden, von grösster Bedeutung sein dürften, sich aber erst in Ansätzen abzeichnet. So habe ich mich in diesem Jahr mit Wahlforschung, ihren Instrument, ihren Fragestellungen zur Parteien, Regierungsmitgliedern und Medien auseinander gesetzt. Anbei ein Querschnitt zu meinen vorläufigen Ergebnissen als Rück- und Ausblick.

Januar:
An der Grenze der Bi-Polarisierung angelangt
Februar:
Politische Internetnutzung erreichte 2009 neue Höchstwerte
März:
Die SVP vor der grössten Herausforderung ihrer Geschichte
April:
Mit Leidenschaft gegen den Zerfall der Medienkultur
Mai:
Von der Bi- zur Tripolarität des schweizerischen Parteiensystems
Juni:
Der Zorn der Zeit
Juli:
Drei Thesen zum angekündigten Rücktritt von Moritz Leuenberger
August:
Konkordanzen verschiedenster Art
September:
Bundesratswahlen: Wer wählt(e) wen?
Oktober:
Ständeratswahlen in der Schweiz – ein vernachlässigtes Feld der Wahlforschung
November:
Von unseren verschiedenen Seelen
Dezember:
BundesrätInnen im Wahlkampf

Frohe Festtage – auf jeden Fall!

Claude Longchamp

BundesrätInnen im Wahlkampf

FDP-Präsident lancierte heute eine heikle Diskussion. Er will, dass die FDP-Bundesräte im FDP-Wahlkampf 2011 eine sichtbare Rolle im Wahlkampf spielen. Solche Engagement können der Partei helfen, dem Bundesrat aber auch schaden.

Tagesschau vom 12.12.2010

Im Bundesbern weiss man es: Seit Bundesrat Ueli Maurer im Wahlkampf der Berner SVP auftrat, als wäre er noch schweizweiter SVP-Parteipräsident, scheiden sich die Geister. Denn die Berner SVP realisiert trotz Abspaltung der BDP ein gutes Wahlergebnis. Vielleicht aus deswegen wirft man Maurer hinter vorgehaltender Hand Bruch mit den Verhaltensregeln von Bundesräten in Wahl- und Abstimmungskämpfen vor.

Genau das nimmt nun Fulvio Pelli, FDP-Präsident, zum Anlass, von “seinen” Bundesräten im kommenden Wahlkampf mehr Präsenz gegenüber der WählerInnen-Basis und dem Wahlvolk zu verlangen. Man habe sich diesbezüglich geeinigt, verkündet er im heutigen “Sonntag”. Das ist, mit Verlaub, kein Problem wegen der FDP, indes ein generelles.

Der aktive Einsatz von Bundesratsmitglieder in Wahlkämpfen geht mit der Veränderung der politischen Kultur einher: Gezielte Kommunikation auf nationaler Stufe einerseits, politische Polarisierung auf der anderen Seite sind die beiden wichtigsten Stichworte.

BundesrätInnen eignen sich mit ihrer Medienpräsenz, Bekanntheit und Themennähe als Treiber der Kommunikation im Wahljahr ganz besonders. Entdeckt hat das Adolph Ogi 1991, der als erster Bundesrat die vornehme Zurückhaltung im Wahlkampf aufgab. Erstmals von einer Partei strategisch eingesetzt wurden die Bundesräte 1995 durch die SP. Otto Stich trat kurz vor den Wahlen zurück, und sein Parteipräsident Peter Bodenmann schlug anderntags 7 KandidatInnen für seine Nachfolge vor, womit er während Wochen den Wahlkampf beherrschte und seiner Partei nach einer langen Durststrecke einen grossen Wahlerfolg bescherte.

2007 erlebten wir den bisherigen Höhepunkt in dieser Entwicklung: Christoph Blocher, damals noch SVP-Bundesrat, überzeugte seine Partei, in der Schlussphase das Ausländerthema wieder in den Hintergrund zu rücken, dafür seine Person als einigendes und mobilisierendes Band rund um alle potenziellen SVP-WählerInnen ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu schieben. “SVP wählen, Blocher stärken” hiess der damalige Slogan, der zum bisher grössten Wahlerfolg einer Partei unter Proporzbedingungen für Nationalratswahlen führte. Immerhin, aus der vermeintlichen Volkswahl von Bundesrat Blocher wurde nicht. Keine zwei Monate später wurde er zur Ueberraschung aller vom Parlament aus dem Bundesrat abgewählt.

Das alles ist typisch für heutige Wahlkämpfe: Treiber sind die Parteien, die in erster Linie die Medien für sich gewinnen wollen. Denn sie sind ihr wichtigstes Verbindungsglied zu einer Wählerschaft, die parteipolitisch nicht mehr eindeutig einzuordnen ist, die zwar weiss, ob sie links oder rechts steht und das mit Werten in Verbindung bringt, nebst den Themen vor allem die Köpfe sehen will, welche sie vertreten werden.

Für eine Regierung, die vom Parlament gewählt wird und nach Konkordanzregeln funktioniert, ist das alles ein Problem. Es unterminiert die Rolle der BundesrätInnen als politisch Verantwortliche. Es verringert die Einheit des Gremiums, das die Schweiz führen soll. Nicht umsonst wächst der Ruf nach Persönlichkeiten im Bundesrat, die sich für das Land und die Sache einsetzen, nicht die Handlanger ihrer Parteien sind. Und es ist auch kein Zufall, dass Konkordanz in der Bevölkerung immer weniger mit Formeln für die parteipolitischen Zusammensetzung des Bundesrates zu tun hat, immer mehr aber mit dem versprochenen Willen, auch mit VertreterInnen anderer Parteien zusammenarbeiten zu wollen.

So bleibt die Bilanz der BundesrätInnen in Wahlkämpfen zwiespaltig. Als Kommunikatoren sind sie ohne Zweifel von Vorteil, für das Land und für ihre Partei. Ihr Vordringen ins Herz von Wahlkämpfen schwächt sie aber als Regierungsmitglieder, denn sie werden damit ohne Zweifel zu ParteipolitikerInnen, die zur Polarisierung beitragen. Nach den Kritiken aus den Reihen der Geschäftsprüfungskommission hat Bundespräsidentin Doris Leuthard gekonnter, und Besserung versprochen in der Zusammenarbeit des Bundesrates als Gremium.

Zudem hat man hat gerade mit den drei letzten Bundesratsersatzwahlen versucht, einer neuen Generation von Regierungsmitgliedern den Weg zu ebnen, die sich sachorientiert für die Weiterentwicklung der Schweiz einsetzt, und sich von den Hahnenkämpfen wie 2007 zwischen Blocher und Couchepin fernhält. Man würde gut daran tun, das konsequent weiter zu verfolgen, und den Einsatz des BundesrätInnen als parteiische Wahlkampflokomotiven im letzten Vierteljahr vor den Wahlen zu verringern. BundesrätInnen werden gewählt um zu regieren, nicht um zu inszenieren!

Claude Longchamp