Der Berner Bär wählt – mit Interesse über den Bärenpark hinaus

Mehr und mehr klärt sich die Situation vor den Berner Regierungs- und Grossratswahlen vom 28. März 2010. Aus mehreren Gründen kommen
diesen Wahlen kantonale und nationale Signalwirkungen zu.

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Neue Wahlkreise für die Grossratswahlen machen die Einschätzung der Berner Kantonalwahlen 2010 unsicherer.

Ausgangslage bei den Regierungsratswahlen
Rot-Grün will die Mehrheit in der Kantonsregierung verteidigen. SP und Grüne haben ein Wahlabkommen unterzeichnet und empfehlen die bisherigen 4 RegierungsrätInnen wechselseitig. Bei den Grossratswahlen gehen sie Listenverbindungen ein. Die Grünen erwägen, im Einzelfall auch mit den Grünliberalen Verbindungen zu schliessen.

Im bürgerlichen Lager ist die Blockbildung erschwert, denn es gibt verschiedene Wege zur Wende im Regierungsrat. SVP will auf jeden Fall den Lead auf der rechten Seite und empfiehlt die BDP-Kandidatin nicht. Eine Allianz mit der FDP reiche für den Mehrheitswechsel. Doch der Einzelgang kann zu drei oder vier Sitzen in der Exekutive führen. Bei drei ist es möglich, dass die SVP zwei, die FDP einen und die BDP keinen hat. Denkbar ist auch, dass alle drei Parteien wie bisher je einen bekommen. Bei vier Sitzen dürfte der Gewinn über den speziell berechneten Jura-Sitz erfolgen und an die FDP gehen. Zwei SVP, zwei FDP sind dann wahrscheinlich; 2 FDP und je eine SVP und BDP nicht ganz auszuschliessen.

Letzte Vorbereitungen bei den Grossratswahlen
In der Regel nehmen nur gut 30 Prozent der Wahlberechtigten an den kantonalen Wahlen teil. Schon kleinere Zusatzbeteiligung können die Parteiengewichte nachhaltig durcheinander bringen. Deshalb wird es, wie schon 2006 um die Mobilisierung der Wählerschaft gehen. 2006 verloren die SVP, die SP und die FDP, während die Grünen, die EVP und beschränkt auch die CVP zulegten.

Achten wird man sich vor allem auf die BDP und Grünliberalen. Wo sie bei den jüngsten Gemeindewahlen antrat, machte sie vorwärts. Sie brachte es minimal auf 5 bis 10 Prozent, maximal auf fast 20 aus dem Stand heraus. Kantonal ist ein tiefer, zweistelliger Wert beim Wähleranteil denkbar. Dabei ist unklar ist, auf wessen Kosten das geht. Bei den kommunalen Wahlgängen bekam man den Eindruck, dass sich die SVP trotz BDP meist recht gut hielt, während im bürgerlichen Zentrum verschiedene Gruppierungen, meist aber die FDP, die Zeche bezahlten. Diese ist zwischenzeitlich bürgerlichen Listenverbindungen gegenüber skeptisch, will solche entweder mit allen oder mit niemandem. Letzteres würde der Eigenprofilierung am meisten wünschen.

Mit Veränderungen in den Wahlentscheidungen ist vor allem auch Mitte-Links zu rechnen. Die Grünliberalen haben sich namentlich in den grossen Städten platzieren können. Sie erreichen da schnell einmal 5 und mehr Prozent der Stimmen. Kantonal dürfte der Wert indessen tiefer liegen, weil sie auf dem Land kaum vertreten sind. Dabei machte es auf komunaler Ebene eher den Eindruck, das gehe zu Lasten der SP als der Grünen. Ein Teil der Wählenden stammt aber auch aus dem Zentrum, wo man sich selber am liebsten sieht.

Die Signifikanzen der Wahlen

Das nationale Interesse an den Berner Kantonalwahl ist mehrfach: Zunächst geht es um das Abschneiden der BDP in einem der drei Gründungskantone. Bei den Regierungsratswahlen ist sie in der Defensive, bei den Grossratswahlen dürfte sie Wahlsiegerin werden. Das ist denn auch der Hauptgrund, weshalb die SVP ihre Wahlziele aus der eigenen Optik definiert hat und mit einer frühzeitig lancierten Kampagne bereits zum Jahres die Aufmerksamkeit auf sich ziehen will. Nach der leichten Trendwende bei den Nationalratswahlen 2007 könnte eine Schwächung der Berner SVP ihre Position in der SVP Schweiz mindern, ja das Winner-Bild der SVP Schweiz trüben.

Man wird Ende März auch auf das prekärer gewordene Verhältnis zwischen Rot und Grün schauen. Bei den Regierungsratswahlen sind die Aussichten vorhanden. Die neue SP Schweiz-Führung kündigte an, ab 2010 wieder zur Siegerpartei werden zu wollen. Da sind die Wahlen in der Stadt Zürich und im Kanton Bern der Momente des Tatbeweise. Ohne das dürfte der Konkurrenzkampf zwischen SP und Grünen mit Blick auf 2011 klar zunehmen. Die Grünen, die erstmals seit 1990 wieder als Regierungspartei antreten, sehen sich durch die gemässigteren Grünliberalen herausgefordert – auch das ein Signal für die nationalen Wahlen 2011.

Der Berner Bär wählt also, und man schaut auch ausserhalb des Bärenparks genau hin!

FDP: zurück zu den Wurzeln!

Kürzlich hielt die FDP des Kantons Bern ihr Kick-off Meeting für alle Kandidierenden bei den Regierungs- und Grossratswahlen 2010 ab. Die Wahlkampfvorbereitung trafen sie ohne mich, doch hatte die Parteileitung mich geladen, den Kadern der Partei zum Abschluss dieses Prozess den Spiegel von Aussen vorzuhalten. Die Ausführungen stiessen auf reges Interesse und überwiegenden Zuspruch.

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Die power ambition um die policy ambition erweitern – meine Empfehlung an die FDP des Kantons Bern – über die kommenden Wahlen hinaus!

Hier die zentralen Thesen, und hier die schriftliche Referatsfassung.

1. Der Freisinn von 1848 umfasste 70 Prozent der Volksvertreter. Als breite Volksbewegung der Staatsgründergeneration integrierte er zahlreiche Strömungen bürgerlicher und bäuerlicher Schichten, hatte Platz für Unternehmer, Staatsmänner, Techniker und Philosophen. Nur beim eigentlichen politischen Gegner, den Katholisch-Konvervativen, konnte der Freisinn von damals nicht punkten.

2. Ausgerechnet die FDP, die Partei, die den Freisinn von 1848 am direktesten repräsentiert, wandte sich in den 1980er Jahre dem angelsächsische Vorbild folgend vom Staat, den man selber geschaffen hatte, und in dem man ununterbrochen in der Mehrheitsallianz war, ab. Für diesen Wechsel hat die FDP bei den Wahlen seit 1983 gebüsst. Sie hat sie mehrheitlich verloren.

3. Die FDP schaut in der Regel tatenlos zu, wie neue politische Kräfte auf dem Hu­mus des Freisinns spriesen. Sie lässt die Zweige der neuen Pflanzen links und rechts an ihr vorbei wachsen – und beklagt danach die Polarisierung. Das ist die fal­sche Analyse, die in der Abgrenzung vorgenommen wird, statt integrative Ansätze zu entwickeln.

4. Bei der FDP realisiert man die power ambition bestens. Das ist gut für eine Partei, denn ihre Aufgabe ist es, auf demokratischem Weg an die politische Macht zu gelangen. Doch vermisst man die policy ambition – das Engagement für das eigene Programm. Die FDP ist heute eine Regierungspartei, die zu ausschliesslich von der Fraktion geführt wird. Sie ist zu wenig eine Volkspartei, in sich die Teile des Volks, welche FDP wählen, wohl fühlen und ausdrücken können.

5. Von der FDP heute unzweifelhaft sichtbar ist ihr Programm als Steuerpartei. Beschränkt nimmt man sie auch als engagierte Wirtschaftspartei wahr. Nur punktuell profiliert ist die Partei dagegen in Fragen der Gesellschaftspolitik. Das muss ausgeglichen werden. Gerade in Bildungs- und Gesundheitsfragen haben die Kantonalparteien viel Spielraum.

6. Den Kanton Bern voranbringen zu wollen, heisst auch, die Lage der städtischen Zentren im Kanton, die Position des Kantons im Bund, und die Verankerung des Bundes im politischen Umfeld kritisch zu hinter fragen. Die Ambitionen der Freisinnigen sollte auch heute noch so stark sein, dass sie wie 1848 vorne bei der Entwicklung von starker Wirtschaft und guter Politik, von breiten Mittelschichten und bürgernaher Demokratie sind.

7. Einmal an die Macht gekommen, zerfiel die breite Volksbewegung recht rasch, wurde zur wirtschaftlichen und politischen Elite, die man nur eine Generation nach der Staatsgründung als Bundesbarone bekämpfte. Die demokratische Bewegung entstand und sie ist für Sie ebenso wichtig. Vergessen Sie nicht, dass Sie in Ihrem Parteinamen genauso wie ein „F“ auch ein „D“ haben. Die Erneuerung der FDP muss beiden Pfeilern ihres Parteiselbstverständnisses Rechnung tragen.

Claude Longchamp

Die SVP bremst die BDP aus

Mit den Nominationen für den Berner Regierungsrat ist Einiges geklärt worden. Bei den Empfehlungen bleibt aber unverändert Vieles unklar. Das wirft auch ein Licht auf die Chancen der BDP, sich auf kantonaler wie nationaler Ebene als Regierungspartei zu halten.

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Nationalrat Rudolf Joder, Parteipräsident der kantonalbernischen SVP, hält nichts von einer gemeinsamen bürgerlichen Unterstützung für die BDP

Rotgrün besetzt im Kanton Bern derzeit vier der sieben Regierungssitze; geht es nach dem Willen der SP und der Grünen soll das auch in Zukunft so bleiben. Auf bürgerlicher erhebt die SVP als grösste Partei im rechten Lager Anspruch auf zwei Sitze; gleiches will die FDP. Ds wäre ein Plus von je einem Sitz. Die BDP schliesslich möchte ihren Sitz behalten, den sie durch Parteiübertritt geerbt hat.

Im schlechtesten Fall machen die drei bürgerlichen Parteien drei Sitze im Berner Regierungsrat, im besten fünf. Vier sind nötig, um die Wende einzuleiten, welche die Wirtschaftsverbände erwarten.

Ganz in diesem Sinne ist vor Kurzem die FDP vorstellig geworden. Wenn die anderen Parteien Gegenrecht halten, wolle sie alle bürgerlichen KandidatInnen zur Wahl empfehlen. Die BDP schloss sich dem postwendend an. Denn die beiden kleineren bürgerlichen Parteien können davon nur profitieren.

Nun lässt die SVP des Kantons Bern selbstbewusst verlautet, dass sie nicht mitmacht. Ein Support für die FDP reiche für die Wende. Die BDP-Kandidatin brauche es hierzu nicht. Ihre Partei habe sich vor Jahresfrist von der SVP abgespalten; seither politisiere sie in Konkurrenz zur SVP.

Die SVP bleibt damit sich selber treu. Denn nach ihrer Leseart ist die BDP nur ein Zwischenspiel – entstanden durch die Wirren nach der Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat. Sie soll so schnell wie möglich wieder von der Bildfläche verschwinden: als Erstes im Regierungsrat, als Zweites im Ständerat und danach auch in den kantonalen und nationalen Volksvertretungen.

Das hier aufgegriffene Thema ist nicht nur eine innerbernische Angelegenheit. Denn nächsten Jahr stehen für die BDP entscheidende kantonale Wahlen auch ïn Fraubünden und Glarus an. Da wird sich zeigen, wie stark die jüngste politische Gruppierung in der schweizerischen Parteienlandschaft ist. Umfragen sprechen von 3 bis 4 Prozent WählerInnen-Anteil. Ohne eine sichtbare Steigerung wird es 2011 für die BDP eng, um den Anspruch der Partei auf den Sitz von Evelyne Schlumpf im Bundesrat verteidigen zu können. Enger, als der Partei lieb sein kann.

Claude Longchamp

Rotgrüne Zufriedenheit

Die vier Bisherigen RotGrünen in der Berner Regierung treten wieder an. Sie setzten auf Zufriedenheit, individuelle Themenprofil und story-telling, um die einzige linke Regierungsmehrheit in einem Flächenkanton zu verteidigen.

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Sie können gut lachen: Die vier Rotgrünen in der Berner Kantonsregierung haben keine starke Gegnerschaft zu fürchten (Bild: Berner Zeitung)

Barbara Egger-Jenzer tritt zum dritten Mal an, um die SP in der Kantonsregierung zu vertreten. Nach ihrem Glanzresultat vor dreieinhalb Jahren zweifelt niemand daran, dass sie wiedergewählt wird. Bei den drei Männern, die 2006 in die Regierung einzogen, ist das nicht ganz so sicher. Philipp Perrenoud, der Vertreter des Jura, hat kaum ernsthafte Gegnerschaft zu befürchten; er dürfte als bestgewählter Vertreter der Sprachminderheit ebenfalls wieder einziehen. Bernhard Pulver und Andreas Rickenbacher lagen bei ihr ersten Wahl sehr nahe beeinander; ihr sehr gutes Abschneiden führte zur linken Regierungsmehrheit im Kanton Bern. Doch müssen sie sich verbessern, um sicher wiedergewählt zu werden.

Gestern präsentierten sich alle vier Bisherigen gemeinsam den Medien und bekräftigen ihre Absichten, die rotgrüne Akzentsetzung in der bernischen Politik verteidigen zu wollen. Sie setzten auf die Zufriedenheit mit ihrer Arbeit, und auf die Unabhängigkeit ihrer Regierungsarbeit von Parteiinteressen. Alle vier waren bestrebt, sich individuell mit verschiedenen Themen zu profilieren. Egger-Jenzer und Rickenbacher mit ihrer bisherigen Regierungsarbeit, Perrenoud und Pulver mit ihren Absichten für die nächste Legislatur. Vermittelt wurden Leistungsausweise, persönliche Kompetenzen und Einsatz für die Regionen des Kantons. Damit setzten die vier auf solid verankerte Erwartung in der linken Wählerschaft.

Darüber hinaus wurde ein Hauch neuer Kommunikationsstil spürbar: Erzähle Deine Geschichte, haben ihren die Berater im Obama-Zeitalter empfohlen. So legte beispielsweise Rickenbacher seine Ambivalenz gegenüber der vollamtlichen Regierungsarbeit offen, weil sie ihm zu wenig Zeit für die Familie lasse. Und Egger-Jenzer meinte, 8 Jahren sein nicht genug, selbst wenn sie wisse, dass sie sich in den nächsten vier Jahren hintersinnen werde, warum sie sich das antue.

Alles in allem dominierte Zuversicht in der Ankündung für den Wahlkampf. Die bürgerlichen Parteien treten ungeeint an, einzelne KandidatInnen können keine Regierungserfahrung vorweisen, und eigentliche Fehler hat man der einzigen linken Mehrheit in einem schweizerischen Flächenkanton nicht nachweisen können.

Claude Longchamp

Die BDP ist der Zwickmühle

Urs Gasche, vormals SVP-Regierungsrat und seit 2008 einziges Mitglied der neu gegründeten BDP in der Berner Kantonsexekutive tritt nach 9 Jahren Arbeit als Finanzdirektor auf Ende Legislatur von seinem Amt zurück. Damit bringt er vor allem seine neue eigene Partei in ein Dilemma und nützt er am ehesten seiner alten.

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Urs Gasche, seinerzeit für die SVP in den Berner Regierungsrat gewählt, jetzt für die BDP politisierend, verändert mit seinem Rücktritt die Ausgangslage für die bürgerlichen Parteien.

Die Ausgangslage für die BDP, im Kanton Bern nach 2010 weiterhin eine Regierungspartei zu sein, hat sich verschlechtert. Denn die junge Partei befindet sich seit gestern in der Zwickmühle:

Setzt sie für die Nachfolge von Urs Gasche die populäre Thuner Städträtin Ursula Haller ein, hat sie zwar die beste Chance, weiterhin Regierungspartei zu sein. Da Regieren im Kanton Bern ein Vollamt ist, müsste Nationalrätin Haller aus dem nationalen Parlament zurücktreten. Wegen der seinerzeitigen Wahl Hallers auf der SVP-Liste hätte die BDP keinen Anspruch auf Nachfolge, womit sie der Fraktionsstärke unter der Bundeskuppel verlustig ginge.

Setzt die Kantonalpartei auf eine andere Kandidatur (z.B. Parteipräsidentin Beatrice Simon oder Grossrat Lorenz Hess), schadet sie der Mutterpartei nicht, die für das Generalsekretariat auf das Bundesgeld der Fraktionen angewiesen ist, risikiert sie aber aus der Berner Regierung auszuscheiden. Denn an die Stimmkraft von Ursula Haller, die eines der besten Ergebnisse im ganzen Kanton geliefert hatte, kommt wohl keine der möglichen BewerberInnen heran, die jetzt genannt werden. Da die BDP über keine Hausmacht verfügt, die alleine nicht für einen Regierungssitz ausreicht, ist sie jedoch genau darauf angewiesen.

Mit der neuen Situation vor den Regierungsratswahlen 2010 im Kanton Bern steigen die Chancen der anderen bürgerlichen Parteien, insbesondere der SVP, ihre Minimalziele zu erreichen, denn die neue Zusammensetzung auf der rechten Seite könnte 2 SVP und 1 FDP lauten. Gleichzeitig sinkt auch die Wahrscheinlichkeit (nochmals), dass es zu einer Wende in den Mehrheitsverhältnissen kommt. Gut möglich, dass Rotgrün sogar das Finanzdepartement von Gasche übernimmt.

So können sich SP und Grüne mindestens für die Regierungsratswahlen (erneut) die Hände reiben!

Claude Longchamp

Bürgerliche verzichten auf gemeinsamen Griff nach der Mehrheit in der Berner Regierung

In der Berner Kantonsregierung stehen sich 4 Rotgrüne und 3 Bürgerliche gegenüber. Das ist die einzige linke Mehrheit in der Exekutive eines schweizerischen Flächenkantons. Die Aussichten, dass das so bleibt, ist diese Woche gestiegen.

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Kantonsberner Regierung bis 2010; nach den jüngsten Entscheidungen der SVP könnte mit gleichen Verhältnissen zwischen links und rechts weiter gehen.

Machtpolitisch besteht die Herausforderung der Bürgerlichen bei den kantonalen Wahlen 2010 darin, die Mehrheit in der Exekutive zu ändern. Denn im Parlament hat man sie recht sicher. Am einfachsten geht das im Kanton Bern mit einem Angriff auf den garantierten Jura-Sitz, der an den bestplatzierten Bewerber geht, auch wenn er das absolute Mehr verfehlt.

Die Ueberlegungen im Bernischen Handels- und Industrieverein gingen schon länger in Richtung “Kampf um Jura-Sitz“. Die FDP schloss sich ihnen weitgehend an und zeigte sich gewillt, mangels Alternativen entsprechende Nominationen selber vorzunehmen. Die BDP signalisierte, sich passend zu verhalten, wenn der Bisherige im Amt bleiben will..

Doch jetzt macht die SVP einer gemeinsamen bürgerlichen Strategie für eine Wende in der Kantonsregierung einen dicken Strich durch die Rechnung: Sie beansprucht als grösste bürgerliche Partei im Kanton zwei Sitze in der Berner Regierung für sich selber, verzichtet aber auf eine Kandidatur für den Berner Jura. Mit ihrer zweiten Kandidatur will sie das politische Vakuum im Oberland schliessen, das derzeit in der Berner Regierung besteht.

Mit der gestrigen Entscheidung der SVP ist ein gemeinsamer Griff des bürgerlichen Lagers in der Berner Kantonsregierung strategisch in die Ferne gerückt. Denn entweder sistiert die FDP ihre Absicht, im Berner Jura um die Mehrheit zu kämpfen, womit der Eindruck entstünde, die FDP kuscht vor der SVP. Zudem würde die zentrale Frage des Wahlkampfes weg vom kleinen Kantonsteil im Jura hin zum grossen im “übrigen” Kanton verlegt. Oder man tritt auf der rechten Seite mit fünf Kandidaten für vier Sitze an, und das verteilt auf drei verschiedenen Parteilisten.

Gemäss Parteileitung der SVP ist die Wende im Regierungsrat gar kein strategisches Ziel mehr. Denn es geht ihr in erster Linie um den Führungsanspruch im bürgerlichen Lager. Und sie will in den Gemeinden, in denen sie bei der Parteispaltung die ganze Sektion an die BDP verloren hat, einen Aufbauwahlkampf in eigener Sache führen. Denn darin ist man sich bei der SVP einig: Der BDP gibt man mittelfristig keine Ueberlebenschance, also stellt man sich jetzt schon auf die Zeit danach ein.

Vorsichtig gesagt heisst das auch: Wenn’s gut geht, kämpft man miteinander; wenn’s eng werden sollte, tritt man auch gegeneinander an!

Nur im besten Fall gibt das eine bürgerlichen Mehrheit in der Berner Kantonsregierung. Im schlechtern Fall für die Bürgerlichen endet das in den bisherigen drei Sitzen mit Wechseln auf der personellen oder parteipolitischen Ebene im eigenen Lager. Dabei kann es sein, dass der bestehend SVP-Regierungsrat gekippt wird oder eine andere Partei ganz aus der Regierung fällt.

Wie das Beispiel zeigt sind die Gemeinsamkeiten im bürgerlichen Lager des Kantons Bern gering geworden. Sachpolitisch mag das für Mehrheit im Parlament reichen, machtpolitisch steht man sich bei Wahl gegenseitig in der Quere. Rotgrün kann von den jüngsten Entwicklungen im bürgerlichen “Lager” nur profitieren!

Claude Longchamp

RR-Wahlen 2010: Wie die Machtfrage im Kanton Bern lautet!

In genau einem Jahr wählt der Kanton Bern seine Regierung neu. Dabei geht es um die Frage, ob sie seit 2006 bestehende, rot-grüne Mehrheit erhalten bleibt, oder ob es 2010 eine Rückkehr zu einer bürgerlich dominierten Regierung kommt. Meine erste Auslegeordnung.

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Von rechts nach links, von links nach rechts, oder alles beim Alten? – Berner Regierungsrat bis am 28. März 2010

Meine Unsicherheit
Zwar steht das Datum der Regierungsratswahlen, der 28. März 2010, hieb- und stichfest im Kalender der Berner PolitikerInnen eingraviert. Doch wissen wir alle nicht, in welchem Umfeld diese Wahlen stattfinden werden.

Denn man weiss nur wenig zuverlässiges über die konjunkturellen Aussichten, die Arbeitslosenrate, das allgemeine Klima, das nächsten Frühling herrschen wird. Ja, man weiss nicht einmal, welche Medien den kantonalen Wahlkampf prägen werden: Die BZ? der Bund? Oder werden es die ersten Berner Wahlen sein, die von Tagi bestimmt werden? All das wird um so wichtiger sein, weil 2010 die Regierung erstmals nach dem Wahlrecht bestimmt wird, das vorgedruckte Wahlzettel untersagt. Die Bekanntheit der Bisherigen, vermittelt durch Redaktionen und Inserate, werden umso wichtiger sein.

Meine Sicherheit
Meine These lautet: Die härteste Form der Polarisierung gibt es im Wahlkampf 2010, wenn die bisherige rotgrüne Mehrheit einer bürgerlichen Viererlisten gegenüber steht, angeführt von SVP, unterstützt von FDP und BDP. Denn so wird die Machtfrage klar und deutlich gestellt. Dabei gibt es sogar eine erfolgversprechende Taktik: Rotgrün nicht flächendeckend zu attackieren und damit die Basis der Mehrheit zu mobilisieren, sondern mit einer starken SVP-Kandidatur aus dem Berner Jura den SP-Vertreter aus diesem Kantonsteil anzugreifen.

Jede andere Version verringert die Wahrscheinlichkeit einer neuen Mehrheit im Berner Regierungsrat, ohne sie ganz auszuschliessen. Den Hebel in Händen haben also SVP, FDP und BDP.Sie müssten ganz gezielt vorgehen, und es müsste ihnen gelingen, weitere Kandidaturen aus anderen Parteien rechts der Mitte zu verhindern.

Der Stand der bürgerlichen Dinge
So wie es im Moment aussieht, kommt es nicht dazu. Das behagt den Wirtschaftsverbänden gar nicht. Ihnen ist nicht nach drei SVP-Kandidaturen zu Mute, eine Konkurrenz zwischen SVP und FDP um den Jura-Sitz möchten sie verhindern, und bei der BDP wüsste man nicht, woran man wäre, würde der einzige Bisherige, Urs Gasche, verzichten.

Entsprechend gibt man sich unter den bürgerlichen Tenören vorsichtig: Denkbar seien Einzelgänge der Parteien, unwahrscheinlich erscheine eine Siebner-Liste. Von einer kompakten Viererliste redet man, wenn überhaupt, nur im Konjunktiv.

Der Stand der rotgrünen Dinge
Rotgrün weiss, dass 2006 die überraschende Regierungsmehrheit aus einer Bedrohungslage durch bürgerlichen Ueberheblichkeit heraus entstand. Denn die mobilisierte besser als alles andere. Das städtische Publikum wollte im Kanton nicht ganz durch das ländliche bestimmt werden. Also ging man etwas geschlossener als sonst wählen. Und das brachte den unerwarteten Sieg.

Sichtbare Fehler hat die neue Mehrheit nicht gemacht; viel neues Profil hat sie aber auch nicht entwickelt. Man ist auf den individuellen Leistungsausweis aus. Denn alle wissen, dass der linken Regierungsmehrheit eine rechte Parlamentsmehrheit gegenüber steht. Ein eigentliches Wende-Moment bedroht rotgrün deshalb nicht. Und ein Projekt aus Rotgrünmitte ist im Kanton nicht sichtbar. Eher problematisch sind für Rotgrün die innere Demobilisierung der SP, die Aufweichung des Lagers durch die Grünliberalen, das Fehlen eines zündenden Projektes im rotgrünen Spektrum. “Keine Experimente in unsicheren Zeiten” könnte zum bernisch nachaltig wirksamen Slogan werden.

Pferderennbahnstimmung als journalistische Form der Dramatisierung

Die Zeitung “Bund” eröffnet heute den Wahlkampf 2010, nimmt eine Reihe der Befunde zur Ausgangslage auf, lässt andere (wie das Ende der eigenen Existenz) weg. Man konzentriert sich dabei auf das probate Mittelchen der Spannungserzeugung. “Falls von den rot-grünen Regierungsmitgliedern”, sagt der Politologie Georg Lutz, eines über die Klinge springen müsste, käme es zu einem sehr knappen Entscheid.”

Pferderennbahn-Stimmung ist das schon alle Mal; eine Analyse noch nicht!

Claude Longchamp