Kurzer Rückblick auf heute (I)

Der Stoff war wohl etwas viel. Ich werde mich beschränken. Klar zu kurz gekommen ist die Produktion und Diffusion von Wissen in der Wissensgesellschaft. Ich werde das an geeigneter Stelle nachholen.

Aus der heutige Präsentation und Diskussion zum Einstieg in die Veranstaltung “Empirische Politikwissenschaft in der Praxis” ziehe ich die folgenden inhaltlichen Schlüsse, die behalten werden sollten:

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Sir Raimund Popper, geistiger Vater des kritischen Rationalismus lehrt uns die Lebenseinstellung, wonach ich mich irren kann, du recht haben kannst, und wir gemeinsam uns auf die Suche nach Wahrheit machen sollten.
Quelle: http://blog.b92.net/arhiva/node/4960

1. Zum Selbstverständnis der Politikwissenschaft heute
. Der Politikbegriff in der Politikwissenschaft ist dreigeteilt: Er umfasst Strukturen, Prozesse und Inhalte.
. Die Grundbegriffe der Politikwissenschaft sind Ideologie, Norm, Macht und Kommunikation.
. Politische Theorien sollen dreierlei leisten: Tatsachenfestellungen ermöglichen, Prognosen erlauben, und Handlungsvorschläge entwickeln.
. Die Systemtheorie in der Form der Autoposesis ist die wichtigste übergeordnete Theorie der Sozialwissenschaften.
. Politik ist in dieser Perspektive das Teilsystem, das allgemeinverbindliche Entscheidungen trifft.
. Politikforschung untersucht in erster Linie das Handeln politischer Akteure, dessen Voraussetzungen und Wirkungen.

2. Wissenschaftstheoretische Voraussetzung der empirischen Forschung
. Die vorherrschende Wissenschaftstheorie der modernen emprischen Sozialwissenschaften ist der kritische Rationalismus.
. Theorien müssen auf expliziten Begriffen basieren und logisch konstruiert sein. Sie dienen der Verknüpfung von Gegenstandstheorien.
. Wissenschaftliche Gegenstandstheorien müssen empirisch geprüft sein.
. Die Deduktion oder Ableitung von Hypothesen aus der Theorie ist der Königsweg der Forschung, denn nur das garantiert Erklärung.
. Die Induktion oder Herleitung von Theorie aus gesicherten Beobachtung ist dann sinnvoll, wenn es keine Theorien gibt.
. Verifizierte Hypothesen stützen die Theorie, falsifizierte müssen zur Revision der Theorie führen.

3. Das Menschenbild in den sozialwissenschaftlichen Handlungstheorien

. Das Menschenbild in den verschiedenen Sozialwissenschaften ist sehr verschieden. Es gilt stets zu fragen, wie adäquat eine Theorie für die eigene Problemstellung ist.
. Oekonomische Handlungstheorien sind in politischen Analyse bei klar definierbarem Nutzen und wenig Restriktionen geeignet. Sie vermitteln jedoch kaum Annahmen zu kultur- und persönlichkeitsbezogenen Einflüssen auf das Handeln. Sie basieren auf eine idealisierten Informationsverständnis.
. Psychologische Handlungstheorien sind vor allem geeignet, den Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsentwicklung und Handlungen aufzuzuzeigen.
. Soziologische Handlungstheorien eignen sich, um normative und kulturelle Einflüsse auf Handlungen zu untersuchen.
. Spezifisch politikwissenschaftliche Handlungstheorien gibt es kaum. Die Politikwissenschaft bedient sich in der Regel der Modelle anderer Disziplinen, meist in Verbindung von Oekonomie und (Sozial)Psychologie oder Soziologie.

Ich hole hier noch drei Gedanken zur Wissenschaft in der Wissenschaftsgesellschaft nach, die in den Unterlagen angelegt sind, aber nicht behandelt wurden:

4. Wissenschaft in der Wissensgesellschaft
. In der Wissensgesellschaft wird die Rolle der Universitäten in der Wissenproduktion durch andere Institutionen konkurrenziert, die angewandte Forschung und anwendbares Wissen herstellen und vermittelen.
. Angewandte Forschung will die politische Praxis durch die Erhöhung rationaler Entscheidungen verbessern. Sie leitet sich entweder aus der Grundlagenforschung her, oder wird durch die politische Praxis direkt aktiviert.
. In der Anwendungsforschung begegnen sich Wissenschaft und Politik am besten auf pragmatische Art und Weise zur Bestimmung geeigneter Ziele und Mittel. Häufig bestimmt jedoch die Politik die Ziele der Forschung und die angewandte Forschung optimiert die Mittel, die eingesetzt werden sollen. Selten ist das verhältnis umgekehrt und die Wissenschaft bestimmt die politischen Ziele.

Zum Schluss nochmals den Leitsatz der Veranstaltung insgesamt: Der Praxisbegriff ist doppelt: In der Grundlagenforschung meint man damit die Empirie, im Gegensatz zur Theorie, in der angewandten Forschung versteht man jedoch das Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Lehre und praktischer Politik.

Ich freue mich auf die Fortsetzung. Wir sprechen dann über die Wahlforschung als Anwendungsfeld.

Claude Longchamp

Empirische Politikforschung in der Praxis (I)

(zoon politicon) Am Freitag startet meine Vorlesung in St. Gallen. Sie trägt den Titel “Empirische Politikwissenschaft in der Praxis“. Sie findet im Rahmen der Masterausbildung zu “International Affairs and Government” statt.

Die Vorlesung will in das Denken, Forschen und Handeln von PolitikwissenschafterInnen einführen, die im wachsenden Feld der angewandten Forschung tätig sind. Konkret will ich den Unterschied aufzeigen zwischen dem (theoretischen) Wissen, das die Politikwissenschaft hat, und dem (praktischem) Können, das man als Politikwissenschafter in der Praxis haben muss.

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Schema zur Strukturierung der Anwendungsfelder in der Vorlesung “Empirische Politikwissenschaft in der Praxis” (anclickbar)

Ich baue die Vorlesungsteile auf folgendem Schema auf: In der Wissenschaft teilt man die Tätigkeiten normalerweise zwischen Theorie und Empirie auf, also zwischen rein rationalen Ueberlegungen, was Sache ist, und den Erfahrungen, die man als Mensch mit der Sache macht. Das leistet empirische Forschung. In der Praxis ist diese Unterscheidung wichtig, weil sie hilft, ungeprüftes und geprüftes Wissen zu unterscheiden. Danach ist sie aber nicht mehr die massgebliche Differenzierung: Vielmehr gilt nun das geprüfte Wissen als Lehre, von der man durch die Anwendung zur Praxis kommt. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf Probleme, die vorhanden sind, sinnvolle Antworten vorschlägt.

Politik basiert häufig nur auf der Kombination von Erfahrungen der PolitikerInnen einerseits, und der Praxis, die sie daraus ableiten. Forschung wird in Sachfragen beigezogen, nicht aber für die politische Arbeit selber. PolitikwissenschafterInnen in der Praxis wollen gerade das aufbrechen. Angewandte Politikforschung nun, die Lehren, die die Politikwissenschaft erarbeitet hat, mit dem Argument, die Rationalität von Entscheidungen prozessmässig zu erhöhen.

Aufbauend auf dieser These zur Vorlesung hat die Veranstaltung 6 Bestandteile:

1. Einleitung: Was ist empirische Politikforschung in der Praxis
2. Anwendungsfeld 1: Wahlen
3. Anwendungsfeld 2: Volksabstimmungen
4. Anwendungsfeld 3: Politische Kultur und Wertewandel
5. Gruppenarbeiten: Präsentation und Diskussion
6. Schlussfolgerungen

Jeder Vorlesungstag besteht aus je 4 Stunden Unterricht in Form einer Vorlesung resp. von Gruppendiskussionen.

Am ersten Freitag behandle ich die Einleitung abschliessend. Die Unterlage dazu kann hier abgerufen werden.

Ich freue mich auf die Veranstaltung, auf die aktive Teilnahme von StudentInnen, und bin auch offen für Anregungen, die via den Blog von Aussen kommen!

Claude Longchamp

Vorlesung vs. Vortragung

(zoon politicon) Die Vorlesung stammt aus der Zeit der wachsenden Hörerschaft an der Universität, die sich ein Buch nicht leisten konnte. Also liess man sich vorlesen. Der Vorlesende wiederum war sich so sicher, nicht gegen die Zensur zu verstossen. Denn vorgelesen wurde nur aus zugelassenen Bücher.

Das ist heute alles anders.

Aber es werden unverändert Vorlesungen gehalten. Der Dozent spricht, die Studenten hören zu, und schreiben mit, wie wenn sich nie etwas verändert hätte.

Im Idealfall gibt es heute ein vollständiges Skript. Das erleichtert die Nachbereitung der Veranstaltung und die Vorbereitung von Prüfungen. Ersteres ist unverändert löblich, letzteres ist dient meist nur dem Training des Kurzzeitgedächtnisses.

So sind die wenigen Neuerungen zu begrüssen, keine Texte mehr, sondern nur noch Gedankenstützen in Folienformen abzugeben. Sie zwingen zu erhöhter Aufmerksamkeit während den Veranstaltungen. Und so regen sie an, zwischen Nachvollzug bestehender Unterlagen und und Aufnahme des Gesagten zu unterscheiden, denn das muss in den Unterlagen mit eingene Worten und Gedanken ergänzt werden.

Das Beste ist aber immer noch die frei gehaltene Rede während einer Vortragung. Denn sie gelingt nur, wenn der Dozent den Stoff bis auf den Grund beherrscht und ihn mit Ueberzeugung vermitteln kann. Und das ist der Anfang der Bildung und ihrer Vermehrung!

Claude Longchamp

Neuerliches Angebot zu “Public Affairs” in der Schweiz

Nach den guten Erfahrungen mit dem ersten Kurs, schreibt die Zürcher Hochschule für Wirtschaft (HWZ) zum zweiten Mal einen Kurs zu “Public Affairs Management” aus, der zu einem Certificate of Advanced Studies (CAS) führt.

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“Blick auf die Realitäten” – symbolisch für die Aufgabe, die sich die HWZ Zürich, auch auf dem Gebiet der Public Affairs stellt

Der neuerliche Kurs richtet sich an Führungsverantwortliche aus dem Bereich Corporate Communications, an SpezialistInnen des Issues Managements, der Politikberatung, des Campaignings und des Lobbyings und an Kaderleute mit politischen Funktionen. Er ist aber auch für VetreterInnen von Regierungen, Behörden, Parteien, Gemeinden, NGOs, PolitikerInnen und JournalistInnen offen. Aufgenommen werden nur Personen mit einem Universitäts- oder Fachabschluss resp. mit drei Jahren Berufserfahrungen in der Kommunikation, die ein Aufnahmegespräch erfolgreich bestehen.

Der Kurs besteht aus vier Modulen:

. Grundlagen des Public Affairs Managements
. Spezielle Public Affairs Managementaspekte
. International Affairs
. Politikfeld-Analysen I + II.

Der Kurs wurde von Ronny Kaufmann, PA-Verantwortlicher der schweizerischen Post konzipiert; es unterrichten insgesamt 24 weitere ExpertInnen des Fachs, unter anderen auch der Blogschreiber.

Trainiert weden

. analytische Kompetenzen
. Managementkompetenzen
. Selbst- und Sozialkompetenzen
. Strategisches Denken und
. politisches know-how.

Der Kurs umfasst 21 Tage und dauert vom 29. August 2008 bis zum 19. Dezember 2008. Kursort ist Zürich. Vom 23.-25. Oktober 2008 findet eine Studienreise nach Brüssel statt.

Detaillierte Auskünfte erteilt der Studienleiter Ronny Kaufmann (ronny.kaufmann@fh-hwz.ch).

Unterlagen zum Kurs ausdrucken

“Public Affairs” – ein Begriff ist im Kommen

(zoon politicon) “Public Affairs” ist als Begriff schwer im Kommen. Als 1998 das damalige Standartwerk “Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft” erschien, beschäftigte man sich noch kaum damit. Heute vergeht kein Tag, ohne dass ich mich mit irgend einem Aspekt der Public Affairs konfrontiert sehe.

Symbol der werdenden europäischen Oeffentlichkeit: das European Center of Public Affairs in Brüssel (ECPA)
Das Symbol der werdenen europäischen Oeffentlichkeit: das European Center for Public Affairs (ECPA) in Brüssel

Die enge Definition: Oeffentlichkeitsarbeit von Profit-Organisationen
Folgt man Peter Köppl, der an der Universität Wien als Lehrbeauftragter für Oeffentlichkeitsarbeit ist und Partner in einer renommierten PA-Agentur wirkt, hat in seinem Buch “Power Lobbying” Public Affairs, kurz “PA”, eine eindeutige Aufgabe:

Es ist die Beeinflussung von Regierungen und öffentlicher Meinung, soweit sie als Vertreter der Gesellschaft in oder gegenüber der Politik ein Klima erzeugen, das die Ziele eines Unternehmens tangiert.

PA wächst nach Köppl aus dem politischen Lobbying, dem Versuch der direkten Beeinflussung von politischen Entscheidungen heraus, und kann als indirekte Beeinflussung der Entscheidung durch Oeffentlichkeitsarbeit verstanden werden. PA ist also eine Erweiterung des Lobbying, das sich in PA einerseits und Government Relations (GR) auflöst.

Bezogen auf Firmen ist PA für die Interpretation des Unternehmensumfeldes nach Innen, aber auch für dessen Steuerung nach Aussen zuständig, die professionell nach den Prinzipien des betriebswirtschaftlichen und marktingmässigen Managements betrieben wird.

PA ist damit ein Teil der Unternehmensführung selber. Anders als das Lobbying, das personen-, allenfalls institutionenzentriert ist, sich an politischen Abläufen orientiert, ist PA auf die Oeffentliche Meinung gerichtet, gelegentlich gezielt, meist aber umfassend ausgerichtet, und funktioniert interaktiver: Das Ziel ist gegeben, der Weg hierzu ist jedoch vielfältig und definiert sich aus den Arenen, inden denen gesellschaftliche oder politische Diskussion stattfinden, die für das Unternehmen relevant werden können.

Die weite Definition: Politikmanagement von nichtstaatlichen Organisationen
Ueberblickt man die gegenwärtige Literatur zu Public Affairs ist das Begriffsverständnis von Peter Köppl jedoch nur eines der gängigen im deutschsprachigen Raum. Zu den Eigenheiten der Definitionen zählt nämlich, dass sie PA auf eine Tätigkeit von Firmen beschränkt. Das scheint mir für die Praxis zu eng zu sein; Tätigkeiten, die zur PA zählen finden sich nämlich auch in ganzen anderen Organisationen, namentlich in zahlreichen Non-Profit-Organisationen: Verbände gehören dazu, die firmenübergeordnete Interessen organisieren, aber auch solche, die nicht aus der Privatwirtschaft selber abgeleitet werden können. So zeigen heute Spitäler, Universitäten und Verwaltungen sehr wohl Trendenzen, die in Richtung PA verweisen.

Marco Althaus, Politologe, vormals SPD-naher Wahlkämpfer, dann in der Oeffentlichkeitsarbeit Niedersachsens resp. eines Interessenverbandes tätig, heute Akademischer Direktor des Deutschen Instituts für Public Affairs in Berlin, gibt denn auch in dem von ihm mitherausgegebenen “Handlexikon Public Affairs” eine allgemeinere Umschreibung von PA.

Den Anstoss sieht er in Veränderungen politische Kampagnen, der sich nun auf alle Formen der Oeffentlichkeitsarbeit auszuwirken beginnt. In der Definition von Althaus ist PA heute das strategische Management von Entscheidungsprozessen an der Schnittstelle zwischen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. PA organisiert die externen Beziehungen von Organisationen, vor allem jene zu Regierungen, Parlamenten und Behörden. Das gilt für alle Ebenen der politischen Entscheidfindung. So verstandene PA ist über dem klassischen Lobbying. Es ist die direkte Interessenvertretung, aber auch auch die Beeinflussung der Oeffentlichen Meinung.

Althaus erhebt den Begriff des Politikmanagements zum Definitionskriterium von PA schlechthin. Da PA ohne Politikmanagement nicht funktioniert, muss es in der Grundlegung berücksichtigt werden. Organisation und Kommunikation sind die beiden, gleich starken Säulen der PA in der Demokratie, hält er im wegweisenden Artikel innerhalb seines Handbuches fest.

Die Verortung für die Schweiz
Damit trifft er ein Verständnis von PA, das auch in der Schweiz zunehmen Verbreitung findet. So streicht auch Fredy Müller, der derzeitige Präsident der Schweizerischen PR Gesellschaft, den Mangel des Politikmanagements im politischen System der Schweiz heraus und macht genau das zu einer zentralen Aufgabe aller Organisationen, die mitter Public Affairs effektiv auf politische Entscheidungen direkt oder indirekt Einfluss nehmen wollen.

Claude Longchamp

Links:
Meine Einführung in die PA an der HWZ
Die Ausführungen von Fredy Müller zum Politikmanagement in der Schweiz

PS:
Der oben zitierte Oesterreicher Peter Köppl ist nicht zu verwechseln mit dem Schweizer Peter Köppel, ebenfalls Kommunikationsfachmann, der unter anderem PA-Mandate für die Wissenschaft wahrnimmt.

Politische Steuerung vs. politische Intervention

“Lobbying” als politikwissenschaftliche Kategorie ist ein Begriff, der aus dem amerikanischen Kontext stammt. Zunächst ist er eng mit dem dortigen Parlament, seinen Hearings, den Interessengruppen und dem Wettbewerb der politischen Ideen verbunden, denn dieser wird durch professionelle Fürsprecher, den Lobbyisten, verbunden.

Peter Köppl hat mit seinem Buch “Power Lobbying” ein Standardwerk in der deutschen Sprache vorgelegt.

Lobbying als Beeinflussung
Lobbying ist sind demnach spezifische Formen der Beeinflussung von Entscheidungen, die Parlamente, Regierungen und Verwaltungen treffen, jedoch nicht durch diese selber, sondern durch Aussenstehende, sei es durch direkten Kontakt mit den Entscheidern oder indirekt, durch die Beeinflussung von Entscheidungsgrundlagen wie etwa der öffentliche Meinung.

Der amerikanische Begriff wird zunehmend auch auf andere politische Systeme übertragen, da sich die Phänomene in vergleichbarer Form zeigen, selbst wenn die strukturellen Voraussetzungen des Lobbyings in der UNO, der EU oder auch der Schweiz sehr unterschiedlich sind. Zudem wird er immer mehr in der Oeffentlichkeit verwendet, meist undifferenziert und negativ besetzt. Gerade auch deshalb ist eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Begriff nötig.

Lobbying als Intervention
Im vorherrschenden Denken wird Lobbying in der Regel mit der Intervention verbunden. Wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle oder umweltorientierte politische Akteure intervenieren in einem laufenden Prozess, um nach Möglichkeit ihre Interessen durchzusetzen. Das entspricht der gängigen Vorstellung der Ausübung von Macht, die Max Weber entwickelt hat. Demnach sind jene Akteure mächtig, die in einer Entscheidung ihre Interessen, auch gegen den Willen anderer Durchsetzen können, egal, worauf das basiert.

In der politikwissenschaftlichen Analyse des Lobbyings hat man dieses vereinfachende Verständnis gleich doppelt hinterfragt: Mit der ersten Erweiterung wurde die Machtdefinition selber modifiziert. Mächtig ist auch oder vor allem, wer laufende Prozesse stoppen oder noch nicht verhandene Abläufe für eine Entscheidung anstossen kann. Die Verhinderung von Entscheidungen, aber auch ihre Initiierung sind demnach wichtige Vorgänge des Lobbyings. Nur schon das wird gerne vergessen. Die zweite Erweiterung des Lobbyingverständnisses, die im Alltag gerne übersehen wird, betrifft nicht eine einzelne Entscheidung, sondern die Beeinflussung politischer Akteure als solche. Der Begriff der Intervention versagt hier fast gänzlich. Besser ist der der Steuerung!

Lobbying als Steuerung
Politische Steuernde sind in der klassischen Betrachtungsweise der Politikwissenschaft, die Fritz Scharpf entwickelt hat, Regierungen. Sie sind die Akteuere, und sie verfügen über spezifische Ressourcen. Sie stehen Gesteuerten gegenüber, die Steuerungsrestriktionen unterliegen. Je nach Verhältnis von Ressourcen und Restriktion ergibt sich ein bestimmtes Verhältnis der Steuerungsfähigkeit resp. der Steuerbarkeit. Politisches Versagen ist so nicht zwingend Akteursversagen aufgrund der Unfähigkeit zu steuern; es kann auch von der Nicht-Steuerbarkeit der Wirtschaft, der Gesellschaft, der Kultur oder auch der Natur herrühren.

Nun kann die Begrifflichkeit der politischen Steuerung auch auf das Lobbying in einem umfassenden Sinne angewendet werden. Lobbying ist demnach nicht mehr nur Intervention, sondern Steuerung. Sie ist nicht mehr nur der Versuch, Entscheidung direkt zu beeinflussen. Vielmehr ist sie Lobbying die Steuerung der relevanten politischen Akteure in einem umfassenden Sinne.

Claude Longchamp

Peter Köppl: Power Lobbying. Das Praxishandbuch der Public Affairs, Wien 2003

Wahlen in der Mediengesellschaft

Aus dem Kurs “Politische Kommunikation für die Verwaltung” nehme ich einen überraschenden, aber umso wichtigeren Eindruck mit: Die Gespräche mit den Teilnehmenden, vor allem zum etablierten sozialwissenschaftlichen Wissen über Wahlen, Wählende und Wahlkampagnen, aber auch meine Verarbeitung zeigten mir, in welchem Masse heute politische Kommunikation in einer von Massenmedien geprägten Gesellschaft stattfindet, ohne dass man das in der Forschung genügend reflektiert.

Die Phänomene
Das Bundesamt für Statistik rechnete jüngst nach, dass sich in der Schweiz noch nie so viele Menschen bei einer Wahl geäussert haben wie 2007 bei den Parlementswahlen.- Selbstverständlich, die Wahlbeteiligung war schon höher als die 48,3 % vom vergangenen Oktober. Berücksichtig man aber gleichzeitig die Zahl der wahlberechtigten Männer und Frauen, kommt man absolut gesehen auf hächste je erreichte Zahl von EntscheiderInnen.
Die Wahlergebnisse sprechen zudem eine deutliche Sprache: Die kantonalen Eigenheiten in den Wahlergebnissen sind zwar nicht ganz verschwunden; sie sind aber, analog zur ganzen Entwicklung seit den 90er Jahren, rückläufig. Mehr und mehr kristallisiert sich ein gesamtschweizerisches Parteiensystem mit SVP, FDP, CVP, SP und Grünen als den hauptsächlichen Trägern der verschiedenen politischen Richtungen heraus.

Die These
Die hohe Mobilisierung einerseits, die Vereinheitlichung der Wahlergebnisse anderseits sind Ausdruck von Wahlen, die in erster Linie massenmedial geführt werden. Wahlkämpfe werden in, zu und gegen Medien geführt, die so vie vermittelte WählerInnen-Ansprache besorgen. Das persönliche Gespräch zwischen KandidatIn und WählerIn ist zwar nicht ganz verschwunden, aber fast bedeutungslos geworden.
Das hat eine Konsequenz: Ohne dieAnalyse des Wahlgeschehens in den Massenmedien, im redaktionellen wie im gekauften Teil, kann man Wahlergebnisse immer weniger verstehen.

Die bisherige Wahlforschung
Dennoch stützt sich gerade die politikwissenschaftliche Analyse von Wahlen immer noch auf die drei, mittlerweile klassischen Ansätze der Wahlforschung:

. auf den soziologischen Ansatz, der zurückliegende Konflikte ins Zentrum rückt, weil sie gesellschaftliche Spaltungen bewirkt haben, die in der Ausgestaltung des Parteiensystems weiterleben;
. auf den psychologischen Ansatz, der das Bedürfnis der Menschen, sich im öffentlichen Raum mit Vorbildern identifizieren zu können, betont, und deshalb die Symbolik von Parteien, ihren Wertehimmel, ihr Personal und ihre aktuellen Themenzüge untersucht,
. auf den ökonomischen Ansatz, der die Wählenden von ihren sozialen Kontexten befreit und ihre Entscheidungen auf reine Kosten/Nutzen-Ueberlegungen reduziert, denn so ist man überzeugt, zwischen der Wahl eines Katzenfutters und einer Partei gibt es keine wesentlichen Unterschiede.

Auch wenn die Kombination der Ansätze Verbesserungen in der Wahlanalyse liefert, bleibt das Grundproblem das Gleiche: Die Wählerperspektive alleine erklärt das Wahlergebnis nicht, denn es braucht auch die Medienperspektive.

Die neue Wahlforschung
Stefan Dahlem hat sich in seiner im Jahre 2001 erschienen Dissertation genau mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Die Wahlentscheidung für Parteie oder Kandidierende fürht er auf innere und äussere Faktoren der Wählenden zurück. Zu den äusseren gehören die wirtschaftliche Konjunktur, die soziale Lage und das politische Klima. Sie bilden die Realitäten mit denen sich die Massenmedien generell beschäftigen, und die die öffentliche Meinung prägen. Ihre Vermittlung erfolgt jedoch immer weniger durch personale Kommunikation, sondern durch mediale, die allenfalls im eigenen Umfeld verarbeitet wird. Die Wählenden entwickeln deshalb eine den Wahlen vorgelagerte Grundhaltung, mit der sie dem Geschehen begegnen: Dazu zählen ihre Gefühlslage, ihre Erfahrungen, ihr Wissen, aber auch ihre vorläufigen Verhaltensabsichten.
Auf dieser Basis verarbeiten sie nun das mediale Geschehen im Wahlkampf: Parteien leben von Persönlichkeiten, die sie medial repräsentieren. Sie inszenieren symbolisch Realitäten für die sie stehen wollen. Dabei müssen sie Werte kommunizieren, die zu ihrer Ideologie passen, denn dieser Mix lässt Parteiidentifikation entstehen. Aktualisiert wir diese Parteiidentifikation mit den wenigen Themen, die medial dominieren. Botschaften und Botschafter müssen sie besetzen, um eine generelles Meinungsklima entstehen zu lassen. Wem das am besten gelingt, der beeinflusst am stärksten die Wahlentscheidungen.

Meine Bilanz
Mit einer indivualistischen-rationalen Wahl, wie die Oekonomen glauben, hat das wenig zu tun. Mit einer gesellschaftlich vorbestimmten Entscheidung, wie die Soziologien unterstellen, wird man den aktuellen Trends auch nicht mehr gerecht. Vielleicht hilft noch der Ansatz der Psychologen, um zu verstehen, wie Wählende Wahlen als Mediengeschehen begegnen. Ohne eine vertiefte Beschäftigung mit den Erscheidungen des medialisierten Wahlkampfes selber kommt man jedoch nicht mehr weiter.
Eine Neuformulierung des Wahlforschung, die der Wahlentscheidung in den Mediengesellschaft gerecht wird, tut not!

Claude Longchamp

Stefan Dahlem: Wahlentscheidung in der Mediengesellschaft. Theoretische und empirische Grundlagen einer interdisziplinären Wahlforschung. Freiburg/München 2001

Weitere Bücher zum Thema sind:

Otfried Jarren, Patrick Donges (Hg.): Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft. Eine Einführung, 2. Auflage, Verlag für Sozialwissenschaften, 2006

Hans Mathias Kepplinger, Marcus Maurer: Abschied vom rationalen Wähler. Warum Wahlen im Fernsehen entschieden werden. Alber-Reihe Kommunikation, Band 30, 2005

Lobbying – eine neue politische Tätigkeit wird bekannter

Lobbying galt lange als verpönt. Es fand unter Ausschluss der Oeffentlichkeit statt. Es war das politische Tätigkeitsfeld, der grauen Mäuse.
Das ändert sich rasant. Die Tätigkeit wird öffentlich. Sie wird reglementiert. Und es beschäftigt sich die Wissenschaft mit ihr.
Sie sieht im Lobbismus eine Form der zielgerichtete Interessenvertretung in der Politik, in der Interessengruppen die Exekutive und Legislative direkt oder indirekt vie Oeffentlichkeit und Medien beeinflussen. Hierzu unterscheidet man zwischen Strukturen (den Lobbies wie Verbände, aber auch Firmen, Berater), Prozessen (Aufbau einer Stand-by-Struktur und operativer Aktionsformen) und Adressaten (Entscheidträger, Vermittler, Massenmedien).
Doch damit nicht genug: Das Lobbying wird bei Non-Profit- und Profit-Organisationen immer mehr eine institutionalisierte Tätigkeit, die neben die Unternehmenskommunikation oder das Marketing tritt. Sie soll, wie die beiden anderen Bereiche auch, den Auftritt einer Firma oder eines Verbandes verbessern, aber auch gegenüber Oeffentlichkeit, Politik und Markt schlagkräftiger machen. Dafür braucht sie zusehends eine Koordination, die mit dem Campaigning geleistet werden kann.

Mit meinem Kurs “Lobbying – eine Tätigkeit wird öffentlich” will ich ins Phänomen einführen, die Tätigkeit der Lobbyisten beschreiben, aber auch analysieren, wie sich der Lobbismus vor allem in der Schweiz, aber auch in den USA und der EU entwickelt.

Angeboten wird dieser intensive Tageskurs nächstmals am 25. Januar auf der Weiterbildungsstufie des “MAZ – Die Schweizer Journalistenschule”. Die Teilnehmenden an diesem Kurs sind weniger JournalistInnen selber, sondern OeffentlichkeitsarbeiterInnen, die selber Lobbying betreiben, oder im Umfeld dieser zeitgenössischen politische Tätigkeit arbeiten.

Claude Longchamp

Die Bemühungen, Lobbying als politische Tätigkeit bekannt zu machen, hat in der Schweiz vor allem der Freiburger Kommunikationsberaters Othmar Baeriswyl gefördert, der an der Universität Fribourg aus seiner reichhaltigen Praxis lehrt und einen Sammelband, verfasst von seinen Studierenden resp. von KollegInnen, herausgegeben hat.

Politische Kampagnen und ihre Wirkungen für die Verwaltung

IPMZ transfer, die Praxisabteilung des Instituts für Publizistik- und Medienwissenschaft der Universität Zürich, führt seit Längerem den Lehrgang “Politische Kommunikation der Verwaltung” als berufsbegleitendes Nachdiplomstudium durch.

Der Kurs, der 6 volle Arbeitstage dauert und das nächste Mal vom 17. Januar bis 29. Februar 2008 stattfindet, behandelt zunächst Themen wie Journalismus und Mediensystem als Rahmenbedingung der politischen Kommunikation sowie Grundverständnisse, Begriffe und Reflexionen der Verwaltungskommunikation. Vorgestellt werden auch Inhalte und Nutzung staatlicher Informationskampagnen, nachweisbare Wirkungen von Wahl- und Abstimmungskämpfen, die Instrumente der PR sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen der Verwaltungskommunikation.

Die Kursleitung hat der Medienwissenschafter Joseph Trappel, gleichzeitig Leiter des IPMZ transfer, inne. Dozenten für die einzelnen Module sind unter anderem Otfried Jarren, Heinz Bonfadelli, Roger Blum, Ulrike Röttger, Frank Marcinkowski, Vinzenz Wyss, Werner A. Meier, Urs Saxer, Patrick Dinges, Alessia Neuroni, Rolf Wespe und ich.

Selber bin ich für den Teil “Politische Kampagnen und ihre Erfolgsaussichten” zuständig, der in einem Halbtag als Vorlesung mit Uebung bewältigt wird. Ich werde dabei drei Thesen vertreten und diskutieren:

1. Wahlkampagnen sind weltweit gut untersucht. Man kennt ihre Elemente, ihre Dynamiken und ihre Wirkungen. Sie lassen sich deshalb auch am besten planen. In Kenntnis dieser Grundlagen, werden Wahlkämpfe auch für die Verwaltung nachvollziehbar, selbst wenn diese Kampagnenform nicht durch Verwaltungen geführt werden.

2. Abstimmungskampagnen sind vor allem in der Schweiz recht gut untersucht. Es gibt anerkannte Konzepte der Analyse, empirische Regularitäten, aber noch keine eigentliche Theorie. Das hat vor allem mit der Variablität von Themen, Ausgangslagen und Kampagneformen zu tun. Dennoch kann man das Setting daraus, das Behörden direkt und indirekt betrifft, schon recht gut benennen, sodass eine rationale Kampagneführung durch politische Behörden möglich werden.

3. Eine geschlossene Sichtweise zur Wirkung der Themenkampagnen durch Verwaltungen, die es zu fast jedem Gegenstand und in fast jeder Form gibt, existiert noch kaum. Immerhin kann man aufgrund des vorläufigen Wissens und der Erfahrungen aus den ersten beiden Punkten plausible Hypothesen und Messinstrumente für ihre Verfi- oder Falsifizierung entwicklen. Das hilft der Verwaltung schon mal, Sinnvolleres von weniger Sinnvollem in der Planung, Durchführung und Evaluierung zu trennen.

Mein Modul ist zwar kommunikationstheoretisch angeleitet, aber aus der Praxis der Kampagnenanalyse auf nationaler, kantonaler und städtischer Ebene, die ich mir in den letzten 20 Jahren angeeignet habe, entstanden. Deshalb ist es keine Vorlesung zu Meinungsbildung und politischer Kommunikation für die Verwaltung auf der abstrakten und trockenen Ebene. Vielmehr ist es mir ein Anliegen, aus meiner grossen Erfahrung das herauszugreifen, von dem ich überzeugt bin, dass es sich bewährt hat und dass das Gesicherte auch verallgemeinert werden kann.

Entsprechend gehe ich eher induktiv vor, vermittle ich, gesichertes Wissen, wo es das gibt, und zeige anhand von Beispielen auf, was man heute in der Forschung zu politischen Kampagnen heute diskutiert.

Weitere Unterlagen zum Kurs und zu meinem Modul kann man unter www.weiterbildung.uzh.ch oder direkt beim Kursleiter trappel@ipmz.unizh.ch beziehen.

Claude Longchamp

Politische Kommunikation der Verwaltung

Am 24. Januar 2008 ist es soweit: Ich starte mit dem ersten Kurs in mein “Lehr-Jahr 2008”. Er findet im Rahmen der Weiterbildung der Universität Zürich statt. Veranstaltet wird er vom IPMZ transfer, der Link zwischen Theorie und Praxis des Zürcher Instituts für Publizistik- und Medienforschung.

Der ganze Kurs richtet sich an Externe der Universität, die als Führungskräfte oder Kommunikationsverantwortliche in der Oeffentlichen Verwaltung arbeiten. Er dauert 6 Studientage, und er findet zwischen dem 17. Januar und 29. Februar 2008 in Zürich statt.

Die Ausschreibung zum Kurs hält unter anderem fest: “Das Spannungsverhältnis im Dreieck “Verwaltung – Medien – Politik” steht im Mittelpunkt des Weiterbildungskurses. Die Erkenntnisse der Kommunikationswissenschaft sollen in dem Kurs für die Anliegen der Verwaltung erschlossen und nutzbar gemacht werden.”

Meinerseits werde ich über die Erfahrungen berichten, die öffentliche Informationsarbeit bei Volksabstimmungen bzw. in Themenkampagnen hat. Dabei geht es mir weniger um rechtliche oder auch politische Fragen, was man darf und was nicht. Vielmehr will ich vermitteln, was öffentliche Verwaltungen für Wirkungen erzielen, wenn sie kommunizieren. Ich stütze mich dabei auf rund 50 Fallstudien, die das Forschungsinstitut gfs.bern hierzu auf allen Stufen des politischen Systems der Schweiz gesammelt hat.

Die Ergebnisse der Forschung, die ich präsentieren werde, sind im Dispositionsansatz zusammengefasst worden. Diese resümiert meine Erfahrungen mit Meinungsbildungsprozesses unter Bedingungen kampagnemässiger Massenkommunikation, die ich im Wesentlichen zwischen 1992 und heute gesammelt habe. Seit 1998 biete ich diese Erkenntnisse für politische Akteure verschiedenster Provenienz in Kursform an.

Den Kurs am IPMZ findet so zum ersten Mal statt. Anmeldungen sind bis Anfang Januar 2008 möglich.

Claude Longchamp