Meinungsumschwung gegenüber Bundespräsident Merz bestätigt

Wirklich überrascht ist man nicht, wenn man das heutige Politbarometer von “Sonntagszeitung” und “Le Matin” sieht. Doch hat man nun eine Bestätigung für den geradezu rapiden Meinungsumschwung der SchweizerInnen gegenüber ihrem gegenwärtigen Bundespräsidenten. Eine Rückblick auf die Ursachen.

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Doris Leuthard und Eveline Widmer-Schlumpf sind die gegenwärtigen Zukunftspolitikerinnen im Urteil der Schweizer Stimm- und Wahlberechtigten.

Im Herbst 2008 erlitt FDP-Bundesrat Hans-Rudolf Merz einen Herzstillstand. Doch kehrte er nach einigen Wochen absenz voller Optimismus ins Leben und in die Politik zurück, und wurde er turnusgemäss neuer Bundespräsident für das Jahr 2009.

Trotz Krisensignalen auf den globalen Finanzmärkten, horrenden UBS-Stützzahlungen und Aengsten der SchweizerInnen, ihre Arbeitsstelle zu verlieren, ritt Bundespräsident Merz im ersten Politbarometer des Jahres 2009 auf einer Popularitätswelle. 78 Prozent der repräsentativ ausgewählten Stimm- und Wahlberechtigten fanden im Februar dieses Jahres, er sei ein Politiker, der inskünftig eine wichtige Rolle einnehmen solle.

Die Aushandlung von Doppelbesteuerungsabkommen wegzukommen wie auch die Libyen-Krise wegen der vorübergehenden Verhaftung des Sohnes von Staatschef Moammar al-Qhadafi wären solche Profilierungsmöglichkeiten gewesen. Doch sie missrieten dem Appenzeller gründlich: Das erste Betätigungsfeld galt als reine Notmassnahme, um von der grauen Listen der OECD gestrichen zu werden. Und das zweite geriet zum totalen Fiasko für den unerfahrenen “Aussenpolitiker” Merz.

Genau das zeigt nun auch das Politbarometer, das Isopublic aufgrund einer Befragung in den letzten zwei Wochen bei 1002 repräsentativ ausgewählten Personen erstellt hat. Die Superwerte von Merz im Frühling sind auf 59 Prozent im Juni gesunken und haben zwischenzeitlich einen Tiefststand von 47 Prozent erreicht. Von der ersten Stelle unter den amtierenden Bundesräten wurde er bis an die sechste Stelle durchgereicht. Damit ist er nur noch vor seinem Parteikollegen Pascal Couchepin, der seinen Rücktritt bereits genommen hat.

Claude Longchamp

Bundesratsthermometer ohne nachvollziehbare Grundlage

“31 Prozent Stimmen für Urs Schwaller”, das ist das Hauptergebnis des “Wahlbarometers” auf dem “Newsnetz”. Der Freiburger Ständerat führt damit das Feld der möglichen Nachfolger von Pascal Couchepin recht klar an. Doch kann er sich darauf irgend etwas einbilden? Nein, füge ich bei und begründe es auch gerne.

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Seit einem Monat läuft auf der Internetplattform der grossen Zeitungsverlage in der Schweiz ein Online-Befragung, wen man am liebsten als Nachfolger von Pascal Couchepin im Bundesrat hätte. Der CVP-Kandidat Urs Schwaller startete gut, wurde in der Folge aber von Fulvio Pelli überholt. So rasant dessen Aufstieg war, so klar wurde er in der Folge auch wieder auf die Plätze verwiesen. Die Gewinner der vierten Woche sind denn Schwaller von der CVP und Broulis von der FDP.

Ganz falsch erscheinen mir die groben Trends dieser Temperaturmessung nicht. Sie spiegeln die dominante Polarität zwischen FDP und CVP in der Nachfolgediskussion, und sie zeigen, dass die verschiedenen Kandidaten aufgrund unterschiedlicher Ausgangslage verschiedene Taktiken verfolgen.

Darüber hinaus kann der Barometer aber kaum Anspurch auf Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse beanspruchen. Sie stehen in erster Linie für die Teilnehmenden an der Online-Umfrage, ohne Anspruch auf Repräsentativität.

Dafür bräuchte es eine Definition der Teilnahmeberechtigten. Diese ist bei offenen Online-Umfragen nie gegeben. Dann wäre auch eine Stichprobenbildung von nöten, die allen Berechtigten die gleiche Chance einräumen würde. Auch bei diesem Kriterium versagen Umfrage auf e-Plattformen kläglich. Schliesslich müsste gewährleistet sein, dass jede Personen je ausgewiesenem Zeitintervall nur ein Mal gewählt würde. Selbst diese einfache Vorgabe ist beim Wahlbarometer auf Newsnetz nicht gewährleistet.

Andere Umfragen dieser Art stellen wenigstens das klar: Sie erheben keinen Anspruch auf Repräsentativität. Die Verwendung des Titels “Wahlbarometer” suggeriert zudem, wie das “Wahlbarometer” der SRG SSR idée suisse vor Nationalratswahlen verallgemeinerungsfähige Aussagen über den (jeweiligen) Stand der Meinungsbildung zu liefern.

Vor Fehlschlüssen wird gewarnt!

Claude Longchamp

Der Bundesrat im internen Härtetest

Die welsche Zeitschrift “Illustré” veröffentlichte diese Woche erstmals ihre Umfragewerte zur Akzeptanz der BundesrätInnen seit Beginn der Finanzkrise. Fazit: Der Bundesrat als Ganzes hält sich, 4 seiner 7 Mitglieder erleiden aber teilweise massive Einbrüche in ihrer Akzeptanz.

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Die Beurteilung des Schweizer Bundesrates im längerfristigen Trend

Ueli Maurer, der neue SVP-Bundesrat, erscheint erstmals im Bundesratsbarometer, das MIS seit 1996 zwei Mal jährlich auf der Basis einer Bevölkerungsbefragung erstellt. Er konnte sich gleich auch Platz 3 hieven. 75 Prozent der abgegebenen Beurteilungen über ihn waren positiv. Damit ist sein Start klar besser geglückt als seinerzeit der von Christoph Blocher.

Ueberflügelt wird der Neue aus der SVP allerdings durch die Abtrünnige aus der SVP. Denn Eveline Widmer-Schlumpf, heute BDP, ist nur ein gutes Jahr nach ihrer umstrittenen Wahl in den Bundesrat zur anerkanntesten Magistratin der Schweiz aufgestiegen. 89 Prozent (+7%punkte) der Bewertung fallen bei ihr positiv aus.

Zwischen den beiden befindet sich Doris Leuthard. Die CVP-Bundesrätin kennt immer noch Spitzenwerte, wenn sie auch erstmals an Zustimmung verlor (79%; – 8%).

Von der Aktualität leicht profitieren konnte dagegen Micheline Calmy-Rey (66% positiv; +2%punkte). Bei der SP-Bundesrätin scheiden sich die Geister aber entlang der Sprachgrenzen und auch zwischen Stadt und Land zusehends.

Der grösste Verlierer ist Pascal Couchepin, der kaum mehr Unterstützung unter den BürgerInnen hat (22% positiv, -18%punkte) und eindeutig das Schlusslicht im Barometer der Bundesregierung markiert. Viel an Zustimmung (61%; – 18%) eingebüsst hat auch der andere FDP-Bundesrat, Hans-Rudolf Merz. Der Spitzenplatz während seiner krankheitsbedingten Abwesenheit ging unter den akuellen Umständen klar verlustig.

Moritz Leuenberger schliesslich, der SP-Vertreter aus Zürich, bringt es noch auf 58% Zustimmung, was im Vergleich 6 % weniger sind und auch nur zum Platz 6 reicht.

Der Bundesrat als Ganzes hielt sich übrigens, obwohl die Umfrage unmittelbar nach der Bekanntgabe der neuen Bankgeheimnispolitik am 13. März 2009 erfolgte: 55% der Antworten aus der Repräsentativ-Befragung waren positiv, 4 Prozent mehr als vor 6 Monaten. Vom Spitzenwert im April 2000, der bei 78% lag, ist man allerdings weit entfernt.

Claude Longchamp

Frühere Umfragen von MIS hierzu.

“Weltwoche” verliert am meisten LeserInnen

Die “Coop-Zeitung” hat am meisten LeserInnen überhaupt. “20 Minuten” führt bei den Gratisblättern und der “Blick” liegt bei den Bezahlzeitungen an der Spitze. Diese kennen fast durchwegs rückläufige Zahlen, die Wochenzeitungen stagnieren und die Gratiszeitung wachsen unverändert.

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Meine Hypothese: Voreingenommener Journalismus ist in Hintergrundsmedien nicht gefragt.

Den grössten Einbruch im Jahresvergleich hatte gemäss neuesten Wemf-Zahlen die “Weltwoche”. Sie verlor innert 12 Monate 12 Prozent ihrer Leserschaft. 345’000 sind es aktuell noch. Die Zeitschrift ist denn auch im Umbruch: Kündigungen und Entlassungen häufen sich seit Anfang Jahr, sodass man sich schon fragt, ob die WeWo eine Autorenzeitung bleibt.

Ursachenforschung betreibt die Wemf, welche die Zahlen regelmässig erhebt und veröffentlicht, nicht. Wahrscheinlich ist, dass die simple Polarisierung “Mainstream-Antimainstream” nicht mehr trägt; von einer Hintergrundszeitung wie der Wewo erwarteten man kritischen, aber unvoreingenommen Journalismus, der nicht ideologisch befangen ist. Dafür spricht auch, dass die WOZ am zweitmeisten verliert.

Eines wird aus der Uebersicht der Wemf auch deutlich: Das Ueberleben einer Zeitung ist heute nicht nur von der Zahl der Leserschaft abhängig. Vielmehr kommt es auch auf die Inserate und Verlagsstrategien an.

So wurde “Cash-Daily”, die Zeitung mit dem grössten Wachstum an LeserInnen, eingestellt, bevor die erhobenen Wemf-Zahlen erschienen.

Claude Longchamp

Boulevard-Demoskopie: viel gleich gut!

Das Urteil sei brutal: Die sieben Bundesräte der Schweiz seien ungenügend. Das jedenfalls im Urteil von 18’000 Menschen in einer Blick-Umfrage. Ich halte dagegen: Die hier zitierte Umfrage ist in keinerlei Hinsicht zuverlässig.

hbc51fke_pxgen_r_700x700Grosse Zahl von Meinungsabgaben, unkontrollierte Auswahl, inszenierter Unmut: Das ist Boulevard-Demoskopie, die zwangsläufig ohne Aussagewert ist.

Man kennt das Vorgehen: PolitikerInnen, am besten Regierungsmitglieder, geraten warum auch immer unter Druck. Die Medien nehmen das auf und kritisieren sie emotional.Von der Redaktion gefragte ExpertInnen verstärken den medialen Eindruck. Und zum Schluss gibt es eine Online-Umfrage. Das ist Boulevard-Demoksopie in Form einer Medienkampagne.

Online-Umfragen sind per se nicht repräsentativ. Sie bilden weder die erwachsene Bevölkerung, noch die Stimmberechtigten ab. Sie reflektieren, was die LeserInnen der Plattform, auf der die Umfrage stattfindet, meinen. Und sogar das wird nun eingeschränkt sichtbar. Denn Online-Umfrage lassen in der Regel auch mehrfache Teilnahme interessierter Personen zu. Damit kann man das Gewicht der eigenen Bewertungen erhöhen. Der Versuch, die Gesamtheit der UserInnen zu erfassen, wird gar nicht erst unternommen.

Repräsentative im demoskopischen Sinne meint nicht, dass man ein Bevölkerungssegment möglichst zahlreich vertritt. Repräsentativ sind Umfragen nur dann, wenn alle Einzelteile aus der Grundgesamtheit die gleichen Chancen haben, mit ihrer Meinung berücksichtigt zu werden. Sie ergibt sich nicht von alleine; sie muss hergestellt werden, denn Repräsentativität ist ein Auswahlverfahren. Und: Die Genauigkeit repräsentativer Umfragen hängt von der Zahl Befragter ab. Je mehr es sind, desto kleiner wird der Unschärfebereich.

Grosse Zahlen von Teilnehmenden in Online-Umfrage sagen dagegen gar nichts aus. Vielmehr gaukeln sie Genauigkeit nur vor. Denn grosse Befragtenmengen ohne repräsentative Auswahl nützen gar nichts.

Bei Umfragen auf Medien-Plattformen kommt hinzu, dass die Neuigkeiten während der Befragungszeit einen Einfluss haben. Im aktuellen Fall geht es nicht nur um das, was real passierte. Der Unmut wurde redaktionell auch inszeniert. Etwa mit fünf Rücktrittsforderungen, die während der Befragung plakativ propagiert wurden.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Es sei nicht gesagt, dass es gegenwärtig mit der Schweizer Bundesregierung keine Schwierigkeiten geben. Was die BürgerInnen dazu meinen, kann man jedoch auf die hier gezeigte Art in keiner Art und Weise zuverlässig erschliessen.

Claude Longchamp

Zum Vergleich: Die Ergebnisse der letzten, veröffentlichten Repräsentativ-Befragung in dieser Sache.

Thuner Politforum beschreitet neue Wege in der Tagungskommunikation

Fast schon üblich ist es, dass an den Thuner Politforen mit der Tagungskommunikation neue Schritte gewagt werden. Ein kurzer Einblick in Ergebnisse des jüngsten Experiments.

Vor kurzem war ich am 4. Thuner Politforum Referent. Das Thema der Tagung lautete: “Top oder Flop: Erfolgsfaktoren in der Politik”. Die meisten der 300 TeilnehmerInnen waren GemeindevertreterInnen aus dem Kanton Bern. Ich war im abschliessenden Modul eingeteilt, wo es um Polarisierung und Vermittlung in der Stadtpolitik ging.

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Gerhard Tschan, der Komiker der Tagung, überzeugte mit seinen unterhaltsamen Auftritten am Thuner Politforum am meisten! (Foto: cal)

Der Inpout an der Tagung ist gewaltig, weshalb der Wechsel in der Form wichtig ist. Gerhard Tschan, der bekannteste Komiker aus Thun, lockerte mit viel Erfolg die zwei Tage dauernde Veranstaltung regelmässig auf. Ein Videoteam der Schweizerische Gesellschaft für Verwaltungswissenschaften fragt bei den wichtigsten ReferentInnen nach der der zentralen Botschaft. Und alle RednerInnen, die nach Thun kommen, wissen, dass sie in einer Publikumsbefragung evaluiert werden.

Gefreut habe ich mich natürlich über meine Beurteilung. Sie zeigt mir, dass die freie Rede, weder durch ein Podium noch durch übermässig viele Folien behindert, unverändert attraktiv ist. Und auch, dass ein deutlicher Appell für kooperative Politik gut ankommt.

Aus der grossen Zahl von Evaluierungsergebnissen seien hier die Spitzenresultate aufgelistet.

1,10 Gerhard Tschan, Komiker
1,29 Claude Longchamp, Experte
1,32 Iwan Rickenbacher, Experte
1,45 Gunther Stephan, Experte
1,53 Hans-Ueli von Allmen, Politiker/Tagungsleiter
1,54 Reto Steiner, Experte
1,56 Eveline Widmer Schlumpf, Politikerin/Bundesrätin
1,57 Franz Fischlin, Moderator Podium
1,66 Peter Wälchli, Politiker
1,94 Andreas Ladner, Experte

(Mittelwerte bei einem Range von 1-4)

Auf den ersten Blick nicht ganz unproblematisch war für mich persönlich der Video-Auftritt, denn man war hierzu im Voraus nicht informiert worden. Zudem passten die Fragen gar nicht zu meinen Ausführungen. Immerhin, so ist man gezwungen, spontan zum Tagungsthema stellung zu nehmen; für die Vermittlung von möglichst klaren Aussagen vielleicht gar nicht die schlechteste Form. Doch urteilen Sie selber, denn hier können Sie einen Eindruck in die Tagungsresultate gewinnen.

Claude Longchamp

Der politische Raum in der Konjunkturpolitik der Schweiz

Unser Institut hat jüngst die Akzeptanz konjunkturpolitischer Programme untersucht. Dabei wurden unter anderem 10 Forderungen getestet, um die Höhe der Zustimmung, aber auch die wichtigsten Konfliktlinien unter den StimmbürgerInnen zu bestimmen.

Beides ist statistisch mit gängigen Prüfverfahren aus der uni-, bi- und multivariaten Statistik leistbar, für die Ergebniskommunikation aber wenig geeignet. Genau da bieten sich die Stärken der multidimensionalen Skalierung an, die komplexe statistische Ergebnisse visuell darstellt.

Produziert werden dabei zweidimensionale Karten, die sich ähnlich wie Landkarten lesen. Kennen zwei Städte, die auf einer Karte weit auseinander liegen, meist nur geringe Gemeinsamkeiten, ist das auch bei Indikatoren aus Befragungen so. Was nahe beeinander liegt,ist dagegen verwandt, das heisst es wird von vergleichbaren Menschen befürwortet (oder abgelehnt).

konjunktur

Die Anwendung auf unsere konjunkturpolitische Abklärung ist obenstehend abgebildet. Dabei entspricht die x-Achse der Zustimmungshöhe zu den Forderung. Was im Westen der Karte erscheint, geniesst eine dezidierte Zustimmung, während bei Forderungen im Osten das Gegenteil der Fall ist.

Entscheidender noch ist die y-Achse, den sie zeigt auf, von wo die politische Zustimmung überdurchschnittlich erfolgt. Forderungen mit sehr hoher Befürwortung befinden sich auf dieser Dimension in der Achsenmitte. Forderung mit einer mittlere Zustimmung können aber eher rechts, linke oder Mitte-Potenziale ansprechen, während Forderung, die mehrheitlich abgelehnt werden von den eindeutig von den politischen Polen stammen.

Die Resultateinterpretation lautet demnach:

Erstens, von den gegenwärtig diskutierten konjunkturpolitischen Massnahmen kennen die Sicherung der Arbeitsplätze, die Befristung von Massnahmen und die Vermeidung von Steuererhöhung die höchste und parteipolitisch kaum profilierte Zustimmung. Aehnlich ist die Bewertung von Forderungen, wie nachhaltige Investition im Bau zu tätigen resp. die Ausagendisziplin beizubehalten, wenn sich auch hier minimale Einflüsse aus der links/rechts-Positionierung der Befragten ergeben.

Zweitens, mehrheitsfähige Positionen mit einem eindeutig überdurchschnittlichen rechten Zustimmungsprofil sind Forderungen wie sozialpolitische Ausgaben in Krisenzeiten schwächen den Wirtschaftsstandort Schweiz resp. wie nur jene Massnahmen zu realisieren, die kurzfristig eine gesicherte Wirkung zeigen. Umgekehrt kann man festhalten, dass die Ankurbelung der Wirtschaft durch Sozialausgaben eine mehrheitsfähig linke Massnahme darstellt. Dazu gehört auch, dass man mit Mehrausgaben Rezession verhindern kann.

Drittens, schliesslich gilt, dass Steuersenkungen als Massnahme gegen die Wirtschaftskrise in der Schweiz als eindeutig von rechts unterstützte Forderungen identifiziert werden können, deren Zustimmung keine Mehrheit findet, weil sie klar aus dem rechten politischen Lager unter den StimmbürgerInnen kommt.

Das MDS-Verfahren erstellt solche Uebersichten über Häufigkeit und zentrale Konfliktlinie, die aus einer Mehrzahl von Indikatoren abgeleitet werden müssen, rasch und zuverlässig, sodass sie als gültige Objektivierung politischen Forderungen im politischen Raum verwendet werden können.

Claude Longchamp

Ganzer Bericht

Noten für DozentInnen

Ab dem kommenden Herbstsemester befragt die Leitung der Universität Zürich die Studierenden zur Qualität ihrer Veranstaltungen online. Vorerst geschieht dies nur an einzelnen Instituten. Innert zwei bis drei Jahren sollen diese Umfragen jedoch an allen Bachelor- und Masterstudiengängen folgen.

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Das “wie” einer Veranstaltung an der Uni Zürich soll inskünftig vermehrt aus Sicht der Studierenden zum Thema werden.

Dozierende und Studierende sollen nicht nur über das jeweilige Fachgebiet miteinander ins Gespräch kommen, sondern auch darüber, wie der Stoff vermittelt wird. Bewertet werden soll inskünftig, ob der Stoff nachvollziehbar präsentiert wurde, ob die Veranstaltung lebendig gestaltet war, ob der/die DozentIn gut vorbereitet war, und ob er/sie sich persönlich engagiert hat.

Die Noten für DozentInnen werden anonymisiert gesammelt, und das Mitmachen seitens der Studierenden ist freiwillig. Das soll schlechte Benotungen von StudentInnen bei Prüfungen als Folge ihrer Bewertungen für ihre DozentInnen verhindern.

Verhindert wird vorerst auch, dass die entstehenden Ranglisten der DozentInnen publik werden. Denn anders als bei den weltweiten Bewertungen der Universitäten, wird man nicht erfahren, wer der/die beste ProfessorIn an der Hochschule ist.

Zu erwarten ist allerdings, dass es bald schon einen Graumarkt-Bereich für entsprechende Informationen geben wird, wie man ihn etwa bei Spitalbewertungen schon länger kennt. Namentlich die Top-positionierten in Rankings sind deren besten Multiplikatoren. Früher oder später entstehen daraus Ranglisten, die öffentlich zugänglich gemacht werden. Zu erwarten ist dies nicht zuletzt auch, weil der Druck durch unkontrollierbare Ratings wie www.meinprof.ch immer stärker werden dürfte.

Zürich ist mit dem Projekt der Benotung von DozentInnen nicht Trendsetter in der Schweiz. In Fachhochschulen sind solche Rankings schon länger bekannt, an den Universitäten St. Gallen, Freiburg und Lausanne sowie an der ETH gibt es sie ebenfalls schon. Bern, Basel, Genf, Neuenburg und Luzern kennen das Instrument indessen noch nicht.

Claude Longchamp

Medienschaffende und PolitikerInnen: Egoisten oder Altruisten und sich?

Im Rahmen einer europaweiten Studie untersucht ein Forschungsteam des IPMZ der Uni Zürich erstmals die politische Kommunikationskultur der politisch-medialen Eliten in der Schweiz. Es liegt der Zwischenbericht der Professoren Otfried Jarren und Patrick Donges vor, der jetzt in die vergleichende Betrachtungsweise eingebracht werden soll. Eine kleine Uebersicht.

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Wechselseitige Brüche im Rollenverständnis von Politik und Medien ortet die Studie des IPMZ zur politischen Kommunikationskultur in der Schweiz

In Anlehnung an die politische Kulturforschung wird die politischen Kommunikationskultur in dieser Studie in 4 Dimensionen zerlegt:

. System: Interaktionsstruktur von Eliten aus Politik und Medien
. Input: Bedeutung der öffentlichen Meinung in der Politikvermittlung
. Output: Einstellungen zur politischen Oeffentlichkeitsarbeit und
. Selbstbild: Rollendefinitionen in der Interaktion der politisch-medialen Eliten

Zur Operationalisierung wurde eine Elitenbefragung konzipiert, realisiert bei 332 prominenten VertreterInnen aus Politik und Medien.

Die Kernergebnisse

Selbstbilder: In ihren wechselseitigen Rollenbildern unterscheiden sich politische und mediale Eliten massiv. Die PolitikerInnen nehmen Medien als marktkonforme Vermittler wahr, deren Hauptaufgabe es ist, möglichst viele NutzerInnen zu haben. Die Medienschaffenden definieren sich dagegen als Informanten der BürgerInnen, damit sich diese eine begründete Meinung bilden können. Das gilt notabene auch umgekehrt: Medienschaffende sehen im medialen Engagement der PolitikerInnen den Wunsch, die eigene Bekanntheit zu erhöhen, während PolitikerInnen das als Beitrag zur öffentlichen Information sehen.

System: Der Einfluss des öffentlichen Fernsehens, der Qualitätszeitung und der Boulevardpresse eingestuft. Geringer ist der Einfluss von Privatenfensehen und Online-Medien. Generell nehmen die politischen Auskunftsgeber mehr Einfluss wahr als die Medienschaffenden. Insgesamt fällt das Urteil beider Gruppen zum Einfluss der Medien auf die Funktionsweise der Demokratie positiv aus.

Input: Die Beurteilung von Umfragen fällt gemischt aus. Regelmässige Berichte werden recht positiv beurteilt. Der Journalismus, der sich auf Umfragen bezieht, gilt aber nicht als glaubwürdiger. Vor allem Medienschaffende bleiben hier skeptisch. Von beiden Gruppen werden Meinungsumfragen übrigens nicht als Hindernisse angesehen, um politische Vorhaben selbst bei einer kritische Bevölkerungsmeinung realisieren zu können.

Output: Fernseh-Talkshows gelten schliesslich als wirkungsvollste Vorgehensweise, um Botschaften in der Oeffentlichkeit zu platzieren. Praktisch gleichwertig beurteilt werden gezielte Informationsarbeit der politischen Akteure gegenüber JournalistInnen. Generell gelten medienorientierte Strategien als geeigneter denn politikbezogene wie die Parlamentsrede.

Mein Kommentar

Das sicherlich spannendste Ergebnis betrifft die Selbst- und Fremdbilder der Eliten untereinander. Sie zeigen erhebliche Brüche. Dabei unterstellt man dem Parnter egoistische Motive, während man die eigenen altruistisch interpretiert. Es wird interessant sein, diesen kulturellen Wandel bald einmal im Vergleich mit anderen politischen Kommunikationskulturen vergleichen zu können.

Claude Longchamp

Profitieren die BundesrätInnen von der Finanzkrise?

Hans-Rudolf Merz (FDP) vor Doris Leuthard (CVP) und Eveline Widmer-Schlumpf (BDP). So lautet die Reihenfolge unter den BundesrätInnen, die in Zukunft eine grössere Rolle spielen sollten. Das jedenfalls geht aus dem neuesten Politbarometer hervor, das Isopublic für die Sonntagszeitung erstellt hat. Auf den folgenden Plätzen folgen Micheline Calmy-Rey (SP), Moritz Leuenberger (SP), beide vor dem neuen SVP-Bundesrat Ueli Maurer. Schlusslicht bildet Pascal Couchepin (FDP). Im Zeitvergleich wird klar: Fast von allen Bundesrätnnen wünscht man sich, dass sie inskünftig ein wichtige Rolle spielen.

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Eine wichtige Frage bleibt in der Isopublic-Befragung offen: Wie wirkt sich die aktuelle Bonus-Debatte in der Oeffentlichkeit auf das Ansehen der BundesrätInnen bei Wählerinnen und Wählern aus?

Die drei Erstgenannten polarisieren kaum. Drei Viertel wünschen sich, dass sie in Zukunft ein wichtige Rolle in der Politik einnehmen; ein Sechstel denkt das Gegenteil. Bei den drei Folgenden verschieben sich die Verhältnisse auf ungefähr zwei zu eins. Sie werden eine Stufe kritischer beurteilt. Im Negativen ist die Bilanz von Pascal Couchepin, denn er hat unter den Stimmberechtigten mehr GegnerInnen als BefürworterInnen.

Micheline Calmy-Rey ist dabei mit 96 Prozent Antworten, welche die 1231 repräsentativ ausgewählten SchweizerInnen in den drei Wochen vor der Volksabstimmung über die Personenfreizügigkeit gegeben haben, die bekannteste PolitikerIn, Ueli Maurer, mit 90 Prozent, der unbekannteste.

Die interessanteste Beobachtung betrifft die zeitliche Entwicklung der Einschätzungen. Fast alle BundesrätInnen haben sich seit Beginn der Finanzkrise verbessern können. Im Oktober 2008 kann sie, mit Ausnahme von Doris Leuthard, die praktisch unverändert beurteilt wird, weniger gute Werte. Den grössten Sprung nach vorne machte der jetzige Bundespräsident Hans-Rudolf Merz, bis zu den Wahlen 07 meist an 5. Stelle platziert. Mit +21 Prozentpunkte innert gut drei Monaten schaffte er, nach seinem Kollaps, eine spektakuläre Rückkehr.

Die Sonntagszeitung würdigt in ihrem Kommentar das bundesrätliche Engagement zur Bewältigung der Finanz- und Konjunkturkrise. Man habe das 68 Milliarde schwere Rettungspaket für die UBS geschnürt, und in zwei Etappen die Konjunktur mit verschienen Massnahmen, die 3 Milliarden Franken Wert seien, gestützt. Schliesslich sei man im Kreise der Bundesregierung bereit, das Aktienrecht stärker zu verschärfen, als es ursprünglich vorgesehen war. Damit habe man den Volksnerv getroffen.

Die Krise, die von den Finanzmärkten ausgegangen ist, lässt die Politik ansehensmässig profitieren. Das jedenfalls suggeriert die sonntägliche Publikation des Isopublic-Umfrage.

Claude Longchamp

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