Für PolitikerInnen ist bisweilen schnell alles klar: Umfragen, vor politischen Entscheidungen veröffentlicht, beeinflussen das Ergebnis. Die Wissenschaft nimmt das als Hypothesen auf und überprüft ihre Trifftigkeit. Dabei kommt sie zu anderen Schlüssen als der politische common sense.
Eine Zusammenstellung der diesbezüglichen Forschungsresultate hat jüngst Alexander Gallus, Politikwissenschafter und Professor an der Universität Rostok, der sich auf Demoskopiewirkungen spezialisiert hat, geliefert und sie zuhanden des Deutschen Bundestages resp. der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht.
Zunächst unterscheidet Gallus mögliche Beeinflussungsfelder; namentlich sind das die Beteiligung und die Entscheidung selber. Dann sichtet er Hypothesen, die hierzu entwickelt wurden. Speziell erwähnt er bei den Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung:
. Mobilisierungs-Effekte: Demnach förderten Umfragen, speziell bei unsicherem Ausgang, die Beteiligung an der Entscheidung.
. Defätismus-Effekt: Demnach verringerten Umfragen die Mobilisierung der veraussichtlichen Verlierer.
. Lethargie-Effekt: Demnach verringerten Umfragen die Beteiligung der angenommenen Gewinner.
. Bequemlichkeits-Effekt: Demnach verringerten Umfragen die Beteiligung von Unschlüssigen.
Bezogen auf die Auswirkungen auf die Entscheidfindung selber unterscheidet der Autor zwei Effekte:
. Bandwagon-Effekt: Demnach kommt es zu einem Meinungwandel zugunsten des voraussichtlichen Gewinners.
. Underdog-Effekt: Demnach kommt es zu einem Meinungwandel zugunsten des voraussichtlichen Verlierers.
Die Arbeitshypothesen lassen sich mit den Theorien des rationalen Wählens resp. mit Identifikationstheorien auch begründen. Doch, und das ist nach Ansicht von Gallus massgeblich, hat die bisherige Demoskopie-Forschung keine stichhaltigen Beweise für für die Trifftigkeit der Hypothesen liefern können. “Handfeste Belege für die Richtigkeit dieser Vermutungen konnten bislang freilich nicht erbracht werden”, fast er den Stand der Dinge zusammen. Das gelte, so der Autor, sowohl für die Beteiligung wie auch für die Entscheidungen selber.
In der Schweiz ist das nicht anders. Das bisher grösste Forschungsprojekt, das sich speziell mit Umfragen vor Abstimmungen beschäftigte, das auch mit Mitteln des Schweizerischen Nationalfonds gefördert wurde, kam zu einem Null-Ergebnis. Belegbar sind einseitige Auswirkungen auf die Meinungsbildung nicht.
Oder anders gesagt. Zu jedem Beispiel, das erwähnt nach der jüngsten Abstimmung erwähnt wird, gibt es ein Gegenbeispiel.
Man kann es auch mit Oswald Sigg halten “Umfragen und Trendmeldungen im Vorfeld von Abstimmungen gehören nicht zu unserer Demokratie. Wir können ja abstimmen, da brauchen wir nicht noch Umfragen, die uns sagen, wie angeblich das Volk denkt. Alle beteiligen Kreise sollten sich darauf einigen, nur noch bis fünf Wochen vor einer Abstimmung – wenn die Abstimmungsdiskussion beginnt – Umfrageergebnisse zu veröffentlichen.” denn egal ob und wie die Beeinflussung stattfindet, der Mann hat ganz recht dass ja die Abstimmung selber die verlässlichsten Umfrage sind (und naturgegeben weder 20% daneben liegen können noch sich selber nachträglich beeinflussen können 🙂
genau! Bin ich gleicher Meinung.
Aber die Neugierde lässt doch manchennachschauen, und die Umfrager wollen auch was verdienen …
Verbieten ist ja jetzt in …
Im Ernst: Und wer verbietet dann dass es auf facebook Gruppen gibt die wie diesmal gesehen von sich behaupten das Volk zu sein weil sie ein paar 1000 Mitglieder mehr haben als die Gruppe der Gegenseite.
Echt kurzsichtig gedacht der Vorschlag!
@Hans
so gesehen kann jedes Resultat in Frage gestellt werden.
Es ist aber auch meine Meinung, dass Resultate besser abgestützt sein sollten, z.B. mit Stimmzwang, Stimmbeteiligung über 80%, Mehrheit von über 60%.
Im Fall der Minarett-Initiative würde das aber auch nicht helfen, denn es wurde ja emotional nicht über die Minarette als Bauten abgestimmt, auch nicht nur übder Muslime, sondern meiner Meinung nach über Überfremdung, Einwanderung, Kriminalität, Frauenunterdrückung, Arbeitsplatzsicherheit usw.
Und wie man jetzt weltweit sieht, ist das Resultat eine echte herausforderung aller Regierungen.
Und auch der Regierungen der muslimischen Länder, die auf einmal die Menschenrechte entdeckt haben.
Was habt ihr gegen Meinungsumfragen? Ich für meinen Teil finde sie noch recht interessant, obwohl ich bei Abstimmungen/Wahlen weder auf Umfragen, Politiker oder Medien höre, mich nicht manipulieren lasse, sondern auf mein selbständiges Denken zurückgreife.
Meinungsumfragen kommen den Politikern zugute, je nach Ergebnis können die noch ein wenig forcieren (die Leute manipulieren!)
Die Ergebnisse vom gfs.bern waren bis anhin +/- recht exakt. Woran es bei dieser Minarett-Initiative gehapert hat werden wir sicher noch erfahren.
@ Recolb
Wenn ich Dich richtig verstehe, so wären Meinungsumfragen exakter, wenn es einen Stimmzwang gäbe bei einer Stimmbeteiligung von 80%. Wie kommst Du da drauf? 40% oder 80% ergeben schlussendlich ein Resultat auf 100% hochgerechnet.
Aber wenn Du schon von Stimmzwang schreibst: Was hältst Du von 100%-tigem Stimmzwang? Heutzutage ist es ja so einfach abzustimmen. Sei es nun brieflich, die kranke Mutter kann ihrem Sohn ihre Abstimmungsunterlagen mit an die Urne geben und schlussendlich ist es doch immer wieder nett, wenn man alte Bekannte an der Urne für einen kurzen Schwatz wiedertrifft.
Wär doch eine Idee zum überlegen: 100% Stimmzwang, der, der nicht geht zahlt eine Busse, sagen wir nun mal von Fr. 100.–. Das mal 4 gäbe bereits Fr. 400.– pro Nase und Jahr. Und dieses eingesackte Geld stecken wir in die AHV, die ja in ca. 15 Jahren marode gehen wird, wenn nicht flugs eine andere Lösung gefunden wird.
So wie Du schreibst, gabs von Dir ein Ja zur Minarett-Initiative, somit bist Du laut Hans Fehr (Arena) fremdenfeindlich, sprich Rassist. Auch ich gehöre zu diesen 57.5% Rassisten.
Wie wird ach Ali, mein Freund aus Basel eingestuft? Ist der nun abtünnig, weil er dem Sinn der Minarette in der Schweiz nichts abgewinnen kann? Den Minaretten allgemein nichts abgewinnen kann, weil er das Wozu nicht sehen kann. Ist Ali ein Abtrünniger, weil er für die Gleichbehandlung von Mann und Frau ist? Wird Ali nun schief angesehen, weil er findet weder Burkas noch Kopftücher hätten etwas mit dem Koran, der Religion zu tun?
Solche, wie Ali einer ist, wünsche ich mir, aber genau Solche wie Ali einer ist, haben wir hier in der Schweiz. Aber schaut den Club, Arena etc., denn diese studierten Leute wollen unsere Muslime in ein Schema pressen, in das sie schon lange nicht mehr reinpassen und vermutlich auch nicht wollen.
at rehcolb
ich bin total gegen regelungen, dass die beiteiligung hoch sein muss, das etwas gilt.
das tönt auf den ersten blick komisch, hat aber gute gründe.
so wie es jetzt ist, zählen das ja und das nein, das ist wenigstens numerisch eindeutig
wenn die die stimmbeteiligung 60 prozent sein müssten, entscheidend, die 41 prozent, die nicht gehen, und wir wissen nicht einmal warum sie nicht gegangen sind. vermutlich aus ganz viel verschiedenen gründen, und dieses potpurri legt dann den volkswillen fest.
ist das besser?
@ate
Nein, ich habe nicht gesagt, dass die Meinungsumfragen besser wären. Das ist ja völlig nebensächlich. Ich meine bloss, die Abstimmungen sollten die Volksmeinung wiedergeben, und bei kleiner Stimmbeteiligung habe ich zweifel, ob dem so ist.
(Deine %-Rechnung verstehen wohl nur Frauen… gg)
Das mit fremdenfeindlich oder rassist ist eine Leier, die es nicht besser wissen. Bei 20% Ausländern (und zusätzlich wohl noch 10% eingebürgerte) kann höchstens noch von Selbstzerfleischung geredet werden. (Hans Fehr hat seine zeit überschritten, weil er selbst der eigenen Partei Schaden zufügt). Zudem gilt es ja die Probleme zu lösen, die mit der Überfremdung einhergehen, und darauf warte ich noch, auch von rechts kommt da nichts.
@cal
Ich sagte zwar Stimmbeteiligung 80%, (besser wäre natürlich gegen 100 bei hartem Stimmzwang, wie Ate meint).
Und bei einem Verhältnis von < 60/40 sollte die Abstimung ungültig sein. (meinte ich…)
Es ist dem Stimmenden ja immer noch überlassen, leer einzulegen.
So weiss man aber zumindest, wer kein Intresse hat, Boykotte ausgeschlossen.
Man könnte ja auch verbieten, die Resultate der Meinungsumfragen vor der Wahl veröffentlichen zu dürfen ….
Die Frage nach dem Sinn solcher Umfragen und Prognosen müsste ja auch mal gestellt werden, ich bin gespannt auf die Antworten.
Und spätestens nach den Antworten frage ich, ob der Stimmbürger etwas von Umfragen und Prognose hat.
Eine positive Antwort habe ich: Die Prognosen passen ja immer nur einem von 2 Gegnern. Und deshalb kann dies zu mehr Information und Argumenten verhelfen. Die Frage ist nun, warum sich die Gegner erst nach derr Sbstimmung die besten Argumente an den Kopf schmeissen.
ups… nach der Abstimmung …
at rehcolb
ein kommentar weniger, ist manchmal mehr! zuerst denken, dann schreiben.
du kannst es nämlich, wie beim börsencrash-beitrag.
so ja …und nun?
Punkto Effekte würde ich doch gerne noch etwas zu sozialer Erwünschtheit hören, bzw. gab es möglicherweise eine Art von “Bradley-Effekt”? Es ist zwar möglich, dass SchweizerInnen ganz unverblümt diskriminieren wollen, andererseits lohnt es sich doch darüber nachzudenken inwiefern die Prognosen durch soziale Erwünschtheit verfälscht werden können. Die “Bekenner” haben sich möglicherweise erst angesichts einer komfortablen Mehrheit geoutet!
at uhaha
Danke für den Hinweis. Um es ganz ehrlich zu sagen: Ich habe während dem ganzen Abstimmungskampf damit gerechnet, dass der Bradley-Effekt in den Medien aufkommt. Vor einem Jahr, bei der Wahl Obamas, war die Diskussion in den amerikanischen Mendien allgegenwärtig, – und schwabbt auch auf die Schweiz über.
Dan Hopkins, ein amerikaniscer Politikerwissenschafter, der alle Umfragen hierzu gesichtet hatte, kommt zum genau gleichen Schluss wie die Studie oben. Einmal, vielleicht zweimal haben sich Hinweise ergeben dass dem so ist.
Doch, und das ist entscheidend, verallgemeinern lassen sie sich nicht. Die Menschen sagen in Umfragen auch zu diesen Themen nicht an sich Unwahres.
Obama wurde denn auch genauso gewählt, die amerikanischen Umfragen vor der Wahl lagen.
Mein Post dazu:
http://www.zoonpoliticon.ch/blog/495/immer-mehr-gute-aber-auch-schlechte-umfragen-bei-den-pradientschaftswahlen/
Daselbst auch der Link zu Hopkins.
ich glaube auch, dass ab und zu ein Denkzettel vepasst wird.
Und, diesmal war es wohl nötig, um die Regierung auf den Boden zurückzuholen. Leider sind nicht alle Politiker einsichtig …. und trötzeln noch. Macht aber nichts, die Wirkung ist da, und die verpufft dank der Presse nicht so schnell.
Tatsache ist doch, dass die Regierung und das Parlament die Probleme verschlafen hat oder mindestens aussitzen wollte.
Nun ja, Obama wurde zwar genauso gewählt, aber er hat auch bis zum letzten Moment eindringlich vor “Complacency” gewarnt. Das heisst, es ist eben doch hauptsächlich eine Frage der Mobilisierung und hier haben die Gegner der Initiative kläglich versagt. Zwar hat ja Levrat angeblich “gespürt” dass es so kommen würde, getan hat er allerdings nichts dagegen…
Was sollte er tun? Ich vermute, dass sie extra nichts getan haben, denn die Linke will die Ausländer ja auch nicht, aber sie will dazu nicht Stellung nehmen.
Die Regierung hätte vorsorgen müssen, auch beim Bankgeheimnis resp. den Besteuerungsabkommen.