Rechne! (Bundesratswahlen 2008/1)

Samuel Schmid ist zurückgetreten. Am 10. Dezember 2008 finden damit Bundesratsersatzwahlen statt. Die Spekulation schiessen keine 24 Stunden nach dem Rücktritt ins Kraut. Dabei wäre es sinnvoll kühlen Kopf zu bewahren, und zurechnen. Denn nur das hilft, die kommenden Wahlen strategisch zu analysieren.

Wer hat wieviel Gewicht?
Um bei vollständiger Besetzung des Wahlgremiums, der Bundesversammlung, als neuer Bundesrat gewählt zu werden, braucht es 124 der 246 Stimmen. Ohne das geht nichts!

Keine der Fraktionen in der Bundesversammlung bringt es auch nur annähernd auf diese Zahl. Damit ist die Hoffnung, den Ausgang der Wahl parteiintern bestimmen zu können, für alle eine blanke Illusion.

Das trifft vor allem die SVP, die liebend gerne eine rein interne Nomination durchführen und die bevorzugte Kandidatur ohne wenn und aber durchs Wahlgremium durchdrücken würde.

Es gibt in der gegenwärtigen Bundesversammlung auch keine Allianz aus zwei Parteien, die mehrheitsfähig wäre. Konkret heisst das, weder ein Bündnis aus rot-grünen Parteien, noch aus SVP und FDP kann mit Sicherheit den Wahlausgang bestimmen.

Grüne, die gerne im Bundesrat wären, sind damit nicht nur auf alle Stimmen der Linken angewiesen. Sie brauchen auch jene der Zentrumsfraktion, und zwar fast vollständig geschlossen. Das gilt, in eingeschränkter Hinsicht auch für Wahlallianzen aus SVP und FDP. Auch ihre FavoritIn muss eine Minderheit der Stimmen aus dem CVP-Lager mobilisieren können.

Das ist die Logik der Mehrheitsfindung in einem Parlament, dass nicht mehr allein durch die Polbildung rechts und links bestimmt werden kann, sondern mit den Wahlen von 2007 eine neues Zentrum erhalten hat, das vor allem aus CVP besteht, und das durch EVP und Grünliberale verstärkt wird.

Mögliche Entwicklungen
Drei Szenarien sind denkbar:

Erstens, die Zentrumsfraktion löst sich als Block auf und verliert damit jedes Gewicht in der Wahl. Die Exponenten, vor allem am rechten Flügel sind dann die Königsmacheren.
Zweitens, sie erklärt die Bedingungen, unter denen eine Partei, die jetzt nicht im Bundesrat vertreten ist, wählbar ist. Wer die Gelegenheit nutzen will, muss sich danach richten.
Drittens, sie verweigert rechten wie linken Wahlvorschlägen ihre Unterstützung, nominiert dafür selber eine Kandidatur der Mitte.

Meine vorläufigen Bewertungen
Am wahrscheinlichsten ist gegenwärtig das mittlere Szenario: Die CVP/EVP/grünliberale-Fraktion bestimmt, wer mit wem im Bundesrat vertreten ist. Konflikte sind bei einer SVP-Kandidatur, die nicht CVP-like ist, zu erwarten. Möglich ist in dieser Variante Szenario 1. Was bei Sachfragen immer wieder vorkommt, könnte auch in der Wahlfrage spielen: eine bürgerliche ausgerichtete, rechte Mehrheit bestimmte demnach den Wahlausgang für sich.

Für die wieder erstarkte CVP wäre das fatal; für die bei der Blocher-Nichtwiederwahl unterlegene Minderheit in der Partei wäre es indessen eine willkommene Imagekorrektur. Da die CVP ihren leichten Aufwind von 2007 kaum aufs Spiel setze will, ist zu erwarten, dass sie sich deshalb demonstrativ auf keine grüne Kandidatur einlässt, dafür aber auf eine eigene Kandidatur setzt, die von ihr, SP, Grünen, allenfalls auch BDP getragen wird, um die anstehenden Bundesratswahlen indirekt mitzubestimmen.

Spekulieren ist bei Bundesratswahlen Sache der Spassmacher. Wer sich ernsthaft damit beschäftigt, rechnet zuerst einmal.

Claude Longchamp