Eidg. Abstimmung über die OECD Mindeststeuer: Vorteile für Ja-Seite, Ausgang etwas offen

Steuerfragen sind Interessensfragen. Sie polarisieren nach der Nutzen-/Schadenseinschätzung. Das ist auch bei der OECD-Mindeststeuer der Fall. Umstritten ist nicht die Einführung an sich, aber die Umsetzung .

Vorlage
Rund 140 Staaten, darunter auch die Schweiz, haben sich dazu bekannt, dass grosse, international tätige Unternehmensgruppen mindestens 15% Steuern auf ihrem Gewinn bezahlen müssen.
Bundesrat und Parlament wollen das für grosse, international tätige Unternehmensgruppen mit mindestens 750 Mio. CHF Umsatz die Mindestbesteuerung realisieren. Für alle übrigen Unternehmen wird sich nichts ändern. Betroffen sind einige hundert Schweizer und über etwas 1000 ausländische Firmen in der Schweiz. 99 Prozent der Firmen sind nicht betroffen. Für diese Ungleichbehandlung muss in der Verfassung eine Grundlage geschaffen werden.
Die national Umsetzung muss Ende 2023 erfolgt sein.

Uebersicht über die vier wichtigsten Indikatoren zum Abstimmungsausgang bei der OECD Mindeststeuer vom 18. Juni 2023

• Nationalrat: Ja in der Schlussabstimmung/200
• Parolenspiegel: % NRW 2019 des Ja-Lagers
• Medientenor: fög Index
• Umfragen: SRG/gfs Erhebungen

Parlament
Im Parlament war nur die Verwendung der erwarteten Mehreinnahmen von 1-2.5 Mia. CHF umstritten.
Die bürgerliche Mehrheit setzte sich für eine Rückvergütung von 75% an die Kantone ein, während 25% beim Bund bleiben sollten. Rotgrün hatte für eine Teilung von 50/50 optiert.
In der Schlussabstimmung passierte die Vorlage recht klar mit 127 zu 59 Stimmen im Nationalrat, mit 38 zu 2 Stimmen im Ständerat. Dafür waren VertreterInnen der SVP, FDP, Mitte und GLP, dagegen SP und Grüne.

Parteiparolen
Drei Parteien haben ihre Parolen für die eidg. Abstimmung vom 18. Juni 2023 bereits gefasst. Die FDP und Mitte und sind erwartungsgemäss im Ja-Lager, die SP entscheid sich für ein Nein. Der neue Parteirat hatte zuvor Stimmfreigabe empfohlen, doch der Parteitag wollte eine klare Aussage.
Erwartet wird, dass SVP und GLP noch ein Ja, die Grünen ein Nein beschliessen werden. Das spricht für eine maximale Polarisierung entlang der ökonomischen Rechts/Links-Achse.
Allerdings gibt es in beiden Lagern prominente Abweichungen, die im Abstimmungskampf noch auftauchen dürften. Innerhalb der SP befürwortet ex- Bundesratskandidatin und Ständerätin Eva Herzog aus Baselstadt die Vorlage. In der Mitte unterstützte Bauernverbandspräsident Markus Ritter während der Detailberatung die Position von links, denn der Bund sein auf Einnahmen angewiesen.

Abstimmungskampf
Das Abstimmungskampf zur Mindeststeuer hat eben eerst begonnen. Vorbereitet erscheint vor allem das Ja-Lager mit economiesuisse in der Hauptrolle. Dafür ausgesprochen haben sich auch zahlreich weitere Wirtschaftsverbände und der Schweizerische Gemeindeverband.
Drei Hauptbotschaften der Ja-Seite zeichnen sich ab:
• keine Steuergeschenke ans Ausland,
• Erhaltung der Schweizer Attraktivität und
• Absicherung staatlicher Leistungen.
Die Nein Seite tritt noch nicht organisiert auf. Konsequent dagegen argumentieren namentlich VertreterInnen der Entwicklungshilfeorganisation Alliance Süd.

Referenzabstimmungen
Eine direkte Referenzabstimmung fehlt; indirekt können aber verschiedene Volksabstimmung zu Steuervorlagen der jüngsten Zeit beigezogen werden. Namentlich sind das
• Unternehmenssteuerreform III,
• Stempelabgabengesetz und
• Verrechnungssteuergesetz.
Ihnen gemeinsam ist, dass sie im Parlament angenommen wurden, im Abstimmungskampf von links her umstritten waren und der Volksabstimmung scheiterten.
Das spricht für eine labil vorbestimmte Vorlage mit Vorteilen für die Ja-Seite, wobei der Abstimmungskampf entscheidet. Diesmal sind die Auswirkungen auf der individuellen Ebene allerdings geringer, sodass die Entscheidung auf der Ebene der Umsetzung, wo das Image der grossen internationalen Unternehmen entscheidet.

Auswirkungen auf die Wahlen im Herbst

Sollte die Linke gewinnen, wäre es vor allem ein Vorteil für die SP für den Wahlkampf. Bei einem Ja ist nicht mit Auswirkungen für eine Partei zu rechnen, aber für die bürgerliche Steuerpolitik.

Claude Longchamp