Frischgebloggt: Die Klimawahl von 2019 setzt sich zwar nicht weiter fort, bleibt aber modifiziert wirksam.

Das Tagesanzeiger-Online veröffentlichte gestern Abend eine Uebersicht über den Formstand der Parteien im Kanton Zürich. Ich habe es nachgeprüft, verdeutlicht und meinerseits eingeordnet.

Tabelle: Kriterien der Tagesanzeiger-Prognose leicht modifiert

dunkle Farbe: Pluspunkte
helle Farbe: Minuspunkte
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«GLP top, SP flop», lautete die Headline des Tagesanzeigers. Es folgen ausführliche Porträts der 9 Parlamentsparteien. Was ist davon zu halten?

Die Indikatoren einzeln
Meines Erachtens sagen die verwendeten Ziele der Parteien am wenigsten aus. Denn sie sind naturgemäss alle im Plus. Wer nimmt sich schon vor, bei einer Wahl zu verlieren.
Nicht einfach ist die Ummünzung der Abstimmungserfolge und –misserfolge in Wahlergebnisse. Die Parteien nahe dem Zentrum werden bevorzugt. Das Gegenteil muss aber nicht stimmen. So haben die Grünen die eindeutig schlechteste Abstimmungsbilanz. Einiges weniger dramatisch fällt das namentlich bei der SP aus. Ich habe entsprechend der Anzahl Uebereinstimmungen mit der Mehrheit Punkte verteilt.
Aussagekräftiger sind meines Erachtens die Trends bei den letzten Gemeindewahlen. Sie haben die gleiche Logik wie die Kantonsratswahlen. Allerdings sind sie urban geprägt. Denn in den kleineren Gemeinden gibt es keine kommunalen Parlamente. Pluspunkte gab es hier für die GLP, Mitte, GPS, knapp auch für die FDP. Ein Minus resultierte bei der SVP, SP und EVP, knapp auch bei der EDU und AL.
Explizit aufgeführt habe ich zudem die Umfrage der NZZ zu den Kantonsratswahlen. Der Tagesanzeiger zog sie nur als Trend beigezogen. Sie hatte die GLP recht klar auf der Gewinn-Seite, die Mitte, die FDP und die AL knapp im Plus. Ein recht eindeutiges Minus resultierte bei der SP, knapp war es bei der SVP, EDU, GPS und EVP.
Weglassen kann man meines Erachtens dafür die nationalen Umfragen. Im Kanton Zürich entstehen Trends, sie spiegeln sich weniger.

Die Prognose
Bilanziert man all diese Kriterien, kann man die positiven Prognosen des Tagesanzeigers bei GLP, Mitte und FDP nachvollziehen. Das gilt auch für die negativen Vorhersagen für die SP, die Grünen, die EDU und die EVP. Nicht zwingend erscheint nur jedoch, dass sich die SVP halten kann und die AL verlieren wird. Erstere könnte auch leicht verlieren, letztere leicht gewinnen.
Kritisch anmerken kann man, dass der Wahlkampf und die Mobilisierungsaktivitäten der Parteien beim Tagesanzeiger weg gelassen wurden. Das dürfte mit der erwarteten Umfrage des Medium in Kürze folgen.

Meine Einordnung
Meines Erachtens sollte man bei solchen Prognosen auch die effektiven Ergebnisse der letzten Wahlen. Denn sie waren gerade im Kanton Zürich 2019 ausserordentlich. Sie waren die ersten unter dem Eindruck des Klimawandels. Massiv zulegen konnten damals die GLP und GPS, knapp auch die AL. Ihre Sitze hielt die EVP. Ein leichtes Minus resultierte bei SP, Mitte (addiert aus den damaligen Parteien CVP und BDP), EDU und FDP. Klare Verluste gab es 2019 für SVP.
Sollte die Prognose des Tagesanzeigers eintreffen, gäbe es bei der GLP eine positive Trendfortsetzung. Die zentrumsnahe Partei könnte als einzige zweimal hintereinander gewinnen. Mitte und FDP würden nach den Verlusten 2019 eine leichte Trendwende schaffen, nicht aber die SVP. Sie würde sich im besten Fall stabilisieren. Konstant bliebe einmal mehr auch die EVP, während die SP erneut verlöre. Für Grüne und AL wäre die prognostizieren Ergebnisse eine Trendumkehr. Vor allem der Siegeszug der Grünen wäre gestoppt.

Grafik: Entwicklung der Sitzverteilung im Zürcher Kantonsparlament

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Bisheriger und neuer Trend
2019 war das Fazit schnell gezogen. Gewinnerinnen waren die grünen Parteien im Zentrum und links davon. Vor allem die SVP führ eine Niederlage ein. Die Klimawahl wirkte sich massiv aus.
2023 könnte die Bilanz lauten: Zentrumsnahe Parteien werden gestärkt, ein Minus gibt es für die Linksparteien. Das wäre eine Gegenbewegung zur Klimawahl.
Bei aller Spekulation: Nicht übersehen sollte man, dass die prognostizierten Veränderungen deutlich geringer als vor vier Jahre ausfallen. Man wird von stabilisierten Verhältnissen mit Veränderungen im bisher bekannten Rahmen sprechen können.
Die Klimawahl von 2019 setzt sich zwar nicht weiter fort, bleibt aber modifiziert wirksam.