Thuner Wahlen mit interessanten neuen Trends

Trotz dem Griff der Grünen auf das Thuner Stadtpräsidium sind die bürgerlich-konservativen Kräfte dominant. Rotgrün verliert im Parlament, vor allem wegen den Jungparteien. Nicht bestätigen kann sich die fusionierte Mitte. Letztlich gewann keine Partei, denn klarer Wahlsieger sind die Parteilosen. Was heisst das für die nationale Ebene?

SVP bestimmte Stadtexekutive
Thun hat gewählt. Die konservative SVP wurde gestärkt. Sie stellt trotz einem Angriff von grüner Seite unverändert den Stadtpräsident. Und sie hat neu alleine die Mehrheit im Gemeinderat (Exekutive). Der setzt sich erstmals aus einer Mehrheit Frauen zusammen.


Grafik anclicken, um sie zu vergrössern

Neue Parteistärken
Parteistärken kann man nur mit der Sitz- und Stimmverteilung im Stadtrat (Legislative) analysieren. Zuverlässigste Hinweise liefern die Stimmenanteile, denn sie werden nicht durch das Wahlrecht und allfällige Fraktionswechsel zwischen zwei Wahlen verzerrt.
Grosse Gewinnerin ist die Liste der “Parteilosen”, die erstmals antraten. Sie erhielt auf Anhieb 7.2 Prozent der Stimmen und machten damit neu 3 der 40 Sitze im Stadtparlament.
Das wirkte sich auf die meisten Parteien aus. Grüne, SP und Mitte verloren je ein Mandat. Der Rest hielt sich.
Die GLP und die EDU machten zwar Stimmengewinne, aber sehr bescheidene. Von der SVP über die GPS, FDP und EVP setzte es kleine Stimmenverluste ab. Grösser waren sie bei der SP und der Mitte, die erstmals aus BDP und CVP fusioniert antrat.
Neu ist die Reihenfolge der Parteien: Die Grünen haben die SozialdemokratInnen knapp überholt und sind nun zweitstärkste Thuner Partei. Und die GLP zog sowohl an FDP und Mitte (resp. BDP) vorbei.
Das alles geschah bei einer bescheidenen Stimmbeteiligung.

Neue und bekannte Phänomene
Lokale Wahlen sind nur bedingt aussagekräftig für nationale Trends. Denn die Personen spielen auf Gemeinde- und Stadtebene eine stärkere Rolle. Im Nationalen sind sie zwar auch wichtig, aber da entscheidet das medialisierte Spitzenpersonal. Das erklärt den unmittelbaren Erfolg der Parteilosen, die es so wie in Thun gesamtschweizerisch nicht gibt.
Dennoch ist mit rund seinen gut 42000 EinwohnerInnen nicht ganz unerheblich. Neu ist, dass die Grünen etwas verloren haben. Das hat man so nicht erwartet.
Weniger neu ist, dass sich SP und Mitte nicht halten konnten. Das war auch bei den letzten kantonalen Wahl so.
Bei der neuen Mitte ist das Ergebnis besonders enttäuschend, denn die Fusionspartei ist schwächer, als es Thuner BDP vor vier Jahren alleine.
Was bleibt? Keine Partei an einem weltanschaulichen Pol wächst mehr: nicht die SVP, noch die SP und auch nicht mehr die Grünen.

Keine Effekte mehr der Klimawahl
Die Wahlen in Thun sind aus einem weiteren Grund von Belang. Sie waren 2018 die letzten städtischen Wahlen, bevor die Diskussionen um das Klimawahljahr begannen. Seither zeigt sich häufig ein Linksrutsch resp. ziemlich regelmässig die grüne Welle. Davon blieb in Thun nichts mehr übrig.
SP und Grüne verloren zusammen fast 3 Prozentpunkte, und GPS und GLP legten gemeinsam gerade 0.2 Prozentpunkte zu.
In diesem Kontext interessant: Sowohl die Verluste der Grünen wie auch der SP gehen auf einen Rückgang bei ihren jeweiligen Jungparteien zurück.
Das alles passt nicht mehr zu lange vorherrschenden Leseweise bei Wahlen nach 2019.

Claude Longchamp