Welche Medien im Abstimmungskampf wie links resp. wie rechts berichteten

In der klassischen Definition vermitteln die Massenmedien vor Abstimmungen beide Standpunkte neutral. Doch trifft die seit längerem nicht mehr zu, denn die Medien zeigen Haltungen. Das kann von Fall zu Fall mal nach links oder rechts tendieren. Oder es kann auch eine systematische Position im politischen Spektrum sein. Doch weiss man darüber empirisch gesichert wenig.

Definition der politischen Landschaft
SP, Grüne und EVP sind darüber hinaus für die Einschränkung der Tabakwerbung, Beibehaltung der Stempelsteuer und das neue Medienpaket. Bei SVP und FDP ist das genau umgekehrt der Fall. Das Zentrum hat sich beim Medienpaket zum linken Pol geschlagen und bei der Stempelsteuer zum rechten. Bei der Tabakwerbung sind Mitte und GLP unterschiedlich aufgestellt.
Diese Definition der Politlandschaft kann dazu verwendet werden, um auch die Medien an oder zwischen den Polen einzuteilen. Geeignet sind dafür die Daten der Forschungsstelle fög an der Uni Zürich. Denn sie legen für einer eine ansehnliche Auswahl an Tages- und Wochenmedien offen, wie stark die Medien jeweils dafür oder dagegen berichtet haben.
Wer also für die Tabakinitiative. Abschaffung der Emissionsabgabe und für das Medienpaket schrieb, neigt definitionsgemäss dem linken Pol zu. Wer gegen die umgekehrte Tendenz aufweist, tendiert zum rechten Pol.
Zur Verdeutlichung: Mit ihren Parolen bekommen die SP, GPS und EVP einen Wert von 300, die SVP und FDP einen solchen von -300. Die Mitte und die glp, die sich gemässigter entschieden, kommen auf -100 resp. +100.


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Die Positionierung der Wochenzeitungen
Bei den untersuchten Wochenzeitungen gibt diese Analyse eine klare Dreiteilung:
• Am linken Pol: LeMatinDimanche (211/300) und Sonntagsblick (150/300)
• Im Zentrum: Schweiz am Sonntag (14/300) und Sonntagszeitung (-8/300)
• Am rechten Pol; Weltwoche (-167/300) und NZZamSonntag (-117/300)
Ganz klare Positionen finden sich beim Tabakwerbeverbot und dem Medienpaket. Dieses lehnt die Weltwoche voll ab, der Sonntagsblick stimmt voll zu. Die NZZ am Sonntag ist für für Tabakwerbung, während LeMatinDimanche voll dagegen ist. Das zäahlt schon fast wie wie Parteiparolen.
Nur bei der Sonntagszeitung gibt es tendenzielle Klassierungen in beide Richtungen, denn man ist eher rechts, wenn es um die Stempelsteuer geht, eher links beim Medienpaket. Bei der Schweiz am Sonntag überwiegt überall eine ausgewogene Berichterstattung.


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Die Positionierung der Tagesmedien
Einiges weniger polarisiert ist das Bild bei den Tagesmedien. Das hat vor allem damit zu tun, dass die meisten häufiger berichten (können). Dennoch kann man auch da eine analoge Einteilung vornehmen:
• Am linken Pol: Südostschweiz (123/300) und Blick (111/300)
• Etwas zum linken Pol neigend: LuzernerZeitung (75/300), TribunedeGenève (67/300), BaslerZeitung (50/300), AargauerZeitung (50/300),
• Im Zentrum: Tagesanzeiger (41/300), 24heures (39/300), Berner Zeitung (36/300), LeTemps (25/300), SRF (19/300), RTS (17/300), 20minutes (16/300), LeMatin (10/300), 20 Minuten (0/300)
• Etwas zum rechten Pol neigend: NZZ (-50/300)
Typisch für die Medien im Zentrum ist, dass sie entweder wie 20 Minuten und LeMatin überall neutral berichteten, oder aber wie LeMatin, 20minutes, RTS, SRF, LeTemps und 24heures in einem Thema eher wie links, in einem anderen eher wie rechts positioniert waren. Das ergibt dann eine gemischte Positionierung.

Diskussion der ersten Ergebnisse
Selbstredend ist das eher der Anfang einer neuen Analyse des Mediensystems, keine abschliessende Klassierung. Denn die Vorlagenzahl bleibt vorerst gering.
Dennoch zeigt die neue Auswertung der fög-Daten, dass zahlreiche Medien Haltungen einnehmen, die mit einem politischen Pol übereinstimmt. Das wird bei den Wochenmedien klarer: Weltwoche (rechts) und LeMatinDimanche (links) gehen da voraus, NZZamSonntag (rechts) und Sonntagsblick (links) ziehen nach. Das heisst auch, dass die politische Polarisierung der Massenmedien im Abstimmungskampf insbesondere über die Wochenperiodika entsteht.
Bei den Tagesmedien sind die Ergebnisse zwar plausibel, aber deutlich weniger eindeutig. Die Polarisierung ist begründbar geringer. Nur die NZZ und der Blick bilden das Rechts/Links-Spektrum ab.
Genau deshalb soll diese Form der Analyse bei den Abstimmungen am 15. Mai 2022 fortgesetzt werden soll. Schön wäre es, es gäbe noch einen Weg, weitere Medien wie die Wochenzeitung mit einzubeziehen.